Im vergangenen Jahr haben die Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie in Siegen-Wittgenstein ihre Ausbildungsleistung um sage und schreibe 25 Prozent gegenüber 2010 gesteigert. „Das ist eine herausragende Leistung der überwiegend mittelständischen Unternehmen, die in erheblichem Umfang in zukünftiges Fachpersonal investieren.“ Dabei spielen nach Ansicht von Joachim Schmidt-Classen, Geschäftsführer des VdSM Verband der Siegerländer Metallindustriellen e.V., mehrere Gründe eine Rolle: „Zum einen erkennen immer mehr Unternehmen die Folgen der demografischen Entwicklung. Zum anderen sehen es viele Unternehmer aber auch nach wie vor als eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Verpflichtung an, jungen Menschen über die Ausbildung eine berufliche Perspektive zu eröffnen, selbst wenn die Beschäftigungsmöglichkeiten im eigenen Unternehmen begrenzt sind.“
Umso unverständlicher ist für den Verbandsgeschäftsführer denn auch die Forderung der IG Metall nach einer generellen unbefristeten Übernahme von Ausgebildeten. „Eine solche Regelung wäre praktisch das Ende der Ausbildung über Bedarf. Damit würde nicht nur vielen jungen Menschen die Chance auf eine qualifizierte Berufsausbildung genommen. Auch die über die Jahrzehnte gewachsene und überaus erfolgreiche Einstellung zur Ausbildung in den Unternehmen in unserer Region würde Schaden leiden.“
Die Übernahme von Ausgebildeten in ein dauerhaftes Beschäftigungsverhältnis ist in der Regel von verschiedenen Faktoren abhängig. Jeder, der eine Ausbildung absoviert hat, weiss das. Da spielt natürlich der betriebliche Personalbedarf eine Rolle. Er ist nicht zuletzt von der Konjunktur und den Marktbedingungen abhängig. Aber auch die Leistungsbereitschaft, die erworbenen Fähigkeiten, die Qualifikation und die Motivation der Auszubildenden sowie der frischgebackenen Fachkräfte entscheiden letztlich mit über die berufliche Karrieremöglichkeiten.
„Ich bilde gern und viel aus. Unser Betrieb ist dafür in unserer Region bekannt. Unser Unternehmen steht aber auch für Leistung und Top-Produkte auf dem Weltmarkt. Und das verlange ich auch von unseren Auszubildenden“, meint dazu Dipl.-Ing ETH Axel E. Barten, geschäftsführender Gesellschafter der Achenbach Buschhütten GmbH in Kreuztal-Buschhütten. „Wer gut ist, hat bei mir nach der Ausbildung einen Job sicher. Den fördere ich auch weiter. Das hilft seiner Karriere bei uns und natürlich auch unserem Unternehmen in Form eines Teams von Spitzenkräften. Aber ich sage auch ganz klar: Wen ich ausbilde, wen ich übernehme und wen ich fördere, das will ich in Abstimmung mit den jungen Menschen selber bestimmen.“ Deshalb hat Axel E. Barten auch kein Verständnis für die Forderung der Gewerkschaft nach unbefristeter Übernahme. „Was die IG Metall da jetzt fordert, lehne ich ab. Eine Verpflichtung, alle übernehmen zu müssen, die ich ausbilde, egal ob sie gut sind und sich anstrengen, oder nicht, kann ich nicht akzeptieren. Wenn das kommt, muss ich meine Strategie neu überdenken.“
Auch bei der EJOT-Gruppe in Wittgenstein wird deutlich über den eigenen Bedarf hinaus ausgebildet. „2011 haben wir bei einem Bedarf von 12 Auszubildenden 20 Ausbildungsverträge abgeschlossen. Das haben wir einerseits aus gesellschaftlicher Verantwortung getan, andererseits soll es auch ein Ansporn sein, dass sich unsere Auszubildenden anstrengen und Leistung zeigen“, unterstreicht Christian F. Kocherscheidt, Geschäftsführer und Gesellschafter der EJOT Holding GmbH & Co. KG in Bad Berleburg. „Wir leben nun mal in einer Wettbewerbsgesellschaft, da ist es gut, wenn jeder frühzeitig die Anforderungen von Wettbewerb kennenlernt. Bislang waren wir dank guten Wachstums meist in der Lage, auch den über den Bedarf hinaus ausgebildeten Jugendlichen feste Stellen anbieten zu können.“ Christian F. Kocherscheidt versteht das auch als einen Vorgriff auf „demografie-schwache Zeiten“. „Sollte dies allerdings verpflichtend werden, wären wir gezwungen, diese Praxis auf den Prüfstand stellen.“
Für Arno Dienenthal, Geschäftsführer der Dango & Dienenthal Maschinenbau GmbH in Siegen, ist noch ein weiterer Aspekt von Bedeutung: „Für viele Jugendliche, die sich um einen Ausbildungsplatz in der Metall- und Elektroindustrie bewerben, könnte sich eine unbefristete Übernahmeverpflichtung nach der Ausbildung bereits bei der Bewerbung um einen Ausbildungsplatz nachteilig auswirken. Die Unternehmen wären nämlich gezwungen, noch genauer hinzuschauen und nur noch solchen Bewerbern eine Ausbildung anzubieten, die man danach auch tatsächlich gebrauchen kann. Leistungschwächere Jugendliche würden so unweigerlich auf der Strecke bleiben.“
Mit diesen Meinungsäußerungen stehen die drei Unternehmer übrigens nicht alleine in Siegen-Wittgenstein. Wie der VdSM in einer Umfrage ermittelt hat, sähen sich über 80 Prozent der befragten Unternehmen bei einer Übernahmeverpflichtung dazu gezwungen, ihre Ausbildungsleistungen einzuschränken. Insgesamt bilden rund 33 Prozent der Unternehmen in der heimischen Metall- und Elektroindustrie über den eigenen Bedarf hinaus aus.
„Auch wenn die Unternehmen in den kommenden Jahren vor erheblichen personellen Herausforderungen stehen, muss eine Übernahme von Ausgebildeten auch dann immer noch bedarfsgerecht erfolgen. Im Übrigen gibt es ja bereits seit mehr als zehn Jahren eine bewährte tarifliche Regelung hierzu. Danach werden Ausgebildete zunächst für ein Jahr weiter beschäftigt. Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich in der Praxis bewähren, mündet dies in aller Regel dann auch in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis.“ VdSM-Geschäftsführer Joachim Schmidt-Classen sieht deshalb auch keine Veranlassung, von dieser bewährten Praxis abzuweichen.
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