SIEGENIA: Offene Türen für ukrainische Arbeitnehmer

Wohnen und arbeiten im Siegerland: Nataliia Chushenko (h.l.) sowie Yana und Igor Nikolaienko haben in Eiserfeld ein Zuhause und bei SIEGENIA Arbeit gefunden. Nikita (v.l.) und Timur gehen in die Kita bzw. die 3. Klasse der Grundschule.

Der Einmarsch von Putins Truppen in die Ukraine hat Europa und die Welt verändert. Seit mittlerweile gut 15 Monaten tobt der Krieg in der einstigen Sowjetrepublik, und niemand weiß so recht, wie lange er noch andauern wird. Aber der Krieg hat die Situation nicht nur im Großen verändert, sondern auch im Kleinen.

Millionen von Menschen haben sich auf die Flucht gemacht, sind bei Verwandten im Ausland untergekommen oder profitieren von der Hilfe der Menschen in zahlreichen europäischen Staaten. Unzählige Familien haben auch in der Region eine Bleibe gefunden. So wie die Nikolaienkos, die in Eiserfeld heimisch geworden sind und schon seit über einem Jahr auch im Siegerland arbeiten. Die Familie und ihre Unterstützer sind ein Beweis dafür, was geht, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen. Denn neben Yana und Igor Nikolaienko (beide 34) arbeitet auch Yanas Mutter Nataliia Chushenko (54) bei der Firma SIEGENIA im Werk Wilnsdorf-Niederdielfen.
Rückblende: Es ist der 1. April 2022, als es bei einer SIEGENIA-Mitarbeiterin und ihrem Mann daheim in Eiserfeld an der Tür klingelt. Einige Tage  zuvor hatten sie sich beim Heimatverein Achenbach gemeldet und dort angegeben, dass sie eine kleine Wohnung mit zwei Betten für geflüchtete Menschen zur Verfügung stellen können. Es ist die Zeit, in der der Flüchtlingsstrom aus dem gebeutelten Land, das bis dato als „Prellbock“ zwischen Russland und der Europäischen Union fungierte, nicht abreißt. Besonders Frauen und Kinder wollen das Land verlassen. Keiner weiß zu diesem Zeitpunkt, wie lange der Krieg dauern wird. So recht ist dem Ehepaar zunächst nicht klar, wer denn an diesem Abend vor der Tür steht. Es handelt sich um zwei Frauen, draußen ist es am Schneien. Eine davon ist Olga, Yanas Freundin, die bereits anderweitig in Siegen untergekommen ist und zunächst nur vermitteln möchte. Im Laufe des Abends stellt sich heraus: Yana und Nataliia bleiben. Und sie haben ihre zwei Kinder bzw. Enkel mitgebracht: Timur und Nikita. Vier Personen auf 29 Quadratmetern. Aber wichtig ist für die erschöpfte Familie, dass sie zunächst einmal eine Bleibe hat, nachdem ihre Flucht sie über Rumänien und Albanien führte.
Welch großes Glück diese Unterbringung für die Frauen ist, stellt sich schnell heraus. Denn die beiden wollen arbeiten, schnell ihr eigenes Geld verdienen. Und auch hierfür hat die engagierte Mitarbeiterin, bei SIEGENIA für die Personalentwicklung zuständig, schnell eine Lösung parat. Denn ihr Arbeitgeber hat gut zu tun, sucht Personal in der Produktion. „Wir hatten einen guten Auftragseingang“, erinnert sich Hans-Georg-Kämpfer, Leiter Personalmanagement  bei dem Hersteller von Fensterbeschlägen. Alle Beteiligten wollen. Und wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Übergangsweise kommt Nikita  in der Betriebs-Kita unter, bereits Ende April steht Yana in der Produktion, Nataliia arbeitet zunächst als Reinigungskraft im Unternehmen, wechselt aber im August ebenfalls in die Produktion. Weil SIEGENIA ohnehin einige Menschen beschäftigt, die einen sowjetischen bzw. russischen Background haben, ist auch das Sprachthema kein Hindernis. Mit Johann Kiefel, seit über 25 Jahren als Einrichter in der Montage bei SIEGENIA beschäftigt,  ist schnell jemand gefunden, der übersetzt. Und neben dem von der öffentlichen Hand angebotenen Integrationskurs sorgt auch SIEGENIA bis zum heutigen Tag für einen zusätzlichen Deutschkurs, der einmal in der Woche stattfindet.
Einige Sorgen sind Yana und Nataliia damit genommen, sie sind in Sicherheit. Auch, wenn sie ihre Heimat Butscha nur schweren Herzens verlassen haben. „Wir hatten erst seit weniger als einem Jahr in unserem eigenen Haus gewohnt“, erinnert sich Yana. Das steht wohl auch noch, die Nachbarhäuser in der Stadt, die als erste und auch wie keine zweite für die Gräueltaten Russlands an der ukrainischen Zivilbevölkerung steht, sind aber zerstört. Es gibt auch immer noch viele Verwandte und Bekannte, die in der Ukraine leben. Das Familienglück komplettiert Anfang Juli 2022 dann Nikitas und Timurs Papa Igor, der in seinem Heimatland von der Armee ausgemustert wird und darum die Ukraine verlassen darf. „Ich habe zwölf Jahre lang als IT-Techniker gearbeitet“, erinnert sich der 34-Jährige.
In Deutschland steht für ihn zunächst alles auf Anfang. Doch auch hier finden die Nikolaienkos schnell gemeinsam mit SIEGENIA eine Lösung. Bereits im September startet Igor eine Ausbildung als Maschinen- und Anlagenführer bei dem Traditionsunternehmen, bekommt ebenfalls sprachliche Unterstützung in einem SIEGENIA-Deutschkurs und   in der Berufsschule von russischstämmigen Mitschülern. „Manchmal funktioniert die Verständigung auch mit Händen und Füßen“, schmunzelt er. Wichtig aber: All das funktioniert, weil alle an einem Strang ziehen.

Und auch die beiden Kinder sind in der Schule bzw. der Kita längst angekommen, sprechen sogar besser Deutsch als ihre Eltern und die Oma. Timurs Lieblingsfach in der 3. Klasse der Grundschule?  „Kunst“, strahlt der Zehnjährige. Die Nikolaienkos fühlen sich wohl hier in Deutschland, wollen die Chancen, die sich ihnen bieten, nutzen. Yana würde am liebsten irgendwann auch wieder in der Buchhaltung arbeiten, so wie in ihrem Heimatland. Igor, Yana und Nataliia wollen bleiben. Und sind damit ein klitzekleiner Baustein in der Diskussion um das deutsche Fachkräfteproblem, das nach Ansicht vieler Experten nur durch den Zuzug qualifizierter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gelingen kann. Nach offiziellen Statistiken müssten hunderttausende Menschen folgen.

Nataliia Chushenko und ihre Tochter sowie der Schwiegersohn sind nicht die einzigen Ukrainer, die bei SIEGENIA arbeiten. „Insgesamt beschäftigen wir am Standort Niederdielfen gerade fünf Frauen und vier Männer“, verrät Hans-Georg Kämpfer. Meist geht es dabei um Anlerntätigkeiten, alle bekommen in Sachen Sprache zusätzliche Unterstützung im Unternehmen. Zufrieden ist man mit der Abwicklung seitens der Behörden. Innerhalb von einem bis drei Monaten hätten alle ihre Arbeit in dem Werk an der Weiß aufnehmen können. „Wir hatten noch ein paar mehr Beschäftigte aus dem Land“, so Kämpfer. Doch, auch das gehöre ehrlicherweise dazu, habe das Arbeitsverhältnis eben nicht bei allen gepasst und man habe sich von einigen wenigen wieder trennen müssen – sei es unter sprachlichen Aspekten oder wegen anderer Gründe. Insgesamt seien die ukrainischen Arbeitnehmer aber eine echte Bereicherung. Nach einer Zeit der Einarbeitung habe die Zusammenarbeit sehr gut funktioniert. „Sie helfen uns alle weiter und sind eine große Unterstützung. Wir sind froh, dass sie hier sind.“
Text/Foto: Jan Krumnow

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