Digitalisierung und Sozialpartnerschaft – Kein Widerspruch in NRW

Nordrhein-Westfalen kann für sich in Anspruch nehmen, der Sozialpartnerschaft in Deutschland wichtige, wenn nicht sogar entscheidende Impulse gegeben zu haben. Als das Bundesland noch gar nicht existierte, war es der in Mülheim a. d. Ruhr ansässige Unternehmer Hugo Stinnes, der mit seinem Partner von den Gewerkschaften Carl Legien das November-Abkommen von 1918 vereinbarte. In mitten sich auflösender staatlicher Strukturen bewahrten die Sozialpartner die deutsche Wirtschaft davor, in den Mahlstrom der Revolution gezogen zu werden. Im Jahre 2018 wird man sich an diese für die Weimarer Republik so wegweisende Vereinbarung, die noch heute die sozialpartnerschaftlichen Strukturen in Deutschland prägt, erinnern.

Dr. Luitwin Mallmann

In der schwersten Wirtschaftskrise 2008 bis 2010 nach dem 2. Weltkrieg waren es die Tarifvertragsparteien der Metall- und Elektroindustrie in Nordrhein-Westfalen, die das maßgebliche Abkommen aushandelten, dass es in den Firmen erlaubte, Entlassungen zu vermeiden und stattdessen auf Kurzarbeit zu setzen. Als die Konjunktur spontan und heftig ansprang, waren die alten Belegschaften am Bord, um die Aufträge abzuarbeiten.

In Nordrhein-Westfalen praktiziert man in kritischer Zeit mit Erfolg die Sozialpartnerschaft. Nun steht die Digitalisierung der NRW-Wirtschaft unabweisbar bevor. Es ist mit Umwälzungen in allen Produktions- und Arbeitsbereichen zu rechnen. Das kritische daran ist, dass kein seriöser Beobachter sagen kann, wo sich Verwerfungen ergeben werden und wie genau die Chancen der Entwicklung zu nutzen sind. Wir haben also eine schwierige Situation. Die Sozialpartner in Nordrhein-Westfalen werden auch hier gefordert sein, denn das der Prozess ohne Auswirkungen auf die Arbeitsbeziehungen bleibt, ist mehr als unwahrscheinlich. Wie in jedem technologischen Wandlungsprozess zuvor, werden Jobs wegfallen, aber mindestens ebenso viele neue entstehen.

Den Übergang der Menschen in diese neuen Berufe sollten die Sozialpartner mit organisieren, Qualifikation und Umschulung Raum geben, den Wechsel, da wo soziale Verwerfungen entstehen, mitgestalten. Der tarifliche Instrumentenkasten für solche Operationen ist wohl gefüllt, neue Werkzeuge können jederzeit situationsabhängig geschaffen werden. Wie die Unternehmen und deren Mitarbeiter selbst, müssen auch die Sozialpartner bereit sein, schnell und flexibel zu reagieren, um auftauchende Probleme anzugehen. Ich bin nach den Erfahrungen in Nordrhein-Westfalen optimistisch, dass eine „Sozialpartnerschaft der flexiblen Antwort“ in unserem Bundesland besonders gute Voraussetzungen hat. Eine solche flexible Antwort auf die Herausforderung Digitalisierung wird es aber nur geben, wenn die Sozialpartner über ihre ideologischen Schatten springen.

Wir brauchen keinen tariflich festgeschriebenen „Heizer auf der E-Lok“ und kein Zentimetergerangel bei der Mitbestimmung. Vielmehr müssen die Sozialpartner den praktischen Bedarf der Betriebe und die berechtigten Bedürfnisse der dort arbeitenden Menschen zum Maßstab ihrer Arbeit machen. Der Menschenschlag an Rhein, Ruhr und Lippe hat eigentlich ein gutes Gespür dafür, dass man zupacken muss, wenn man etwas bewegen will und dass man im gemeinsamen Interesse auch einmal fünfe gerade sein lassen muss. Deshalb können wir in NRW den Prozess der Digitalisierung gestaltend begleiten. Anderswo wird man versuchen zu regulieren und damit die vielen Chancen abwürgen, die die Entwicklung bietet. Unsere Erfahrung mit pragmatisch verstandener Sozialpartnerschaft wird uns vor diesem Fehler bewahren. NRW, das Land der Sozialpartnerschaft hat aus seiner besonderen Tradition heraus gute Chancen beim Aufbruch in die Digitalisierung im Konsens weit voran zu gehen.

Ein Beitrag von Dr. Luitwin Mallmann im NRW Wirtschafts-Blog „Klartext im Westen“. Er ist Hauptgeschäftsführer der Landesvereinigung der Unternehmensverbände Nordrhein-Westfalen (unternehmer nrw).

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