Die wachstumsstärkste Industrieregion in NRW schwächelt

Dr. Thorsten Doublet (rechts) erläuterte die Ergebnisse der Konjunkturumfrage des Verbandes der Siegerländer Metallindustriellen e.V.

Südwestfalen ist nach einer Untersuchung der NRW Bank die wachstumsstärkste Region in Nordrhein-Westfalen. Siegen-Wittgenstein leistet dazu einen wesentlichen Beitrag. Und dennoch schwächelt sie. Das ist das Ergebnis der aktuellen Konjunkturumfrage des Verbandes der Siegerländer Metallindustriellen e.V. (VdSM), die traditionell am Ende eines Jahres durchgeführt wird.

Diesmal haben sich rund ein Viertel der Mitgliedsunternehmen an der Umfrage beteiligt. Sie beurteilten beispielsweise ihre Geschäftslage deutlich schlechter als noch 2018. Lediglich 24 Prozent antworteten mit „gut“. 2018 waren das noch 47 Prozent. 60 Prozent gaben „befriedigend“ an und 16 Prozent „schlecht“. Hier haben sich die Bewertungen deutlich in den Bereich „befriedigend“ bis „schlecht“ verschoben.

Eine vergleichbare Entwicklung ergibt sich bei den Geschäftserwartungen für 2020, wenn auch nicht ganz so stark wie bei der aktuellen Geschäftslage. 16 Prozent der Unternehmen, die sich an unserer Umfrage beteiligt haben, erwarten für die nächsten sechs Monate eine bessere Geschäftsentwicklung. 56 Prozent gehen von einer gleichbleibenden Geschäftsentwicklung aus und 28 Prozent, über ein Viertel, rechnen mit einer Verschlechterung. Im Vergleich zu den Ergebnissen von 2018 haben sich die Werte zwar nicht gravierend verschlechtert, aber sie zeigen deutlich eine Tendenz ins Negative.

„Das wird noch klarer, wenn wir uns die Auftragslage und die entsprechenden Erwartungen für 2020 anschauen“, unterstreicht Dr. Thorsten Doublet, Geschäftsführer des VdSM. Insbesondere bei den Aufträgen aus dem Inland gibt es im Vergleich zu 2018 einen deutlichen Rückgang. Antworteten 2018 noch 41 Prozent der Unternehmen mit „gut“ sind es aktuell nur noch 24 Prozent, also fast die Hälfte. Gleiches gilt umgekehrt für die Einschätzung „schlecht“. Hier haben 2018 12 Prozent geantwortet, aktuell hat sich dieser Wert auf 24 Prozent verdoppelt. Glücklicherweise sind die Ausschläge beim Export nicht ganz so groß, obwohl auch hier inzwischen fast doppelt soviel Unternehmen mit „schlecht“ geantwortet haben, wie noch in 2018. „In Abstimmung mit METALL NRW haben wir diesmal auch die Erwartungen zur Auftragslage in den nächsten sechs Monaten abgefragt. Hier gehen über ein Drittel von einer Verschlechterung aus, bei den Auslandsorders sogar 40 Prozent.“

Das alles wirkt sich natürlich auf die Ertragslage der Unternehmen aus und damit zwangsläufig auch auf die Investitionen. Die aktuelle Ertragslage hat sich im Vergleich zu 2018 deutlich verschlechtert. Die Ertragserwartungen für die nächsten sechs Monate sind zurückhaltend und die Investitionsbereitschaft ist entsprechend gesunken.

Glücklicherweise hat das bislang noch keine größeren Auswirkungen auf die Beschäftigung. „Die Zahlen unserer aktuellen Umfrage korrespondieren weitgehend mit den Ergebnissen von 2018“, so Dr. Doublet weiter. „Allerdings planen die Unternehmen mit weniger Neueinstellungen und wir haben für die kommenden sechs Monate einen steigenden Trend bei den Entlassungen. Kurzarbeit ist auch wieder vermehrt ein Thema.“

Leider setzt sich dieser Trend inzwischen auch bei der Entwicklung der Ausbildungsplätze weiter fort. Rund ein Viertel der Unternehmen planen 2020 eine Reduzierung. Allerdings gehen immer noch 76 Prozent von einem unveränderten Angebot aus. „Das zeigt, dass unsere Unternehmen langfristig denken und handeln, denn der Fachkräftemangel ist nach wie vor ein Thema in unserer Branche und wird sich in den kommenden Jahren noch weiter verstärken“, resümiert der Verbandsgeschäftsführer.

Die Gründe für die negative Konjunkturentwicklung seien vielfältig. „Die Verunsicherung in unserer Wirtschaft und Gesellschaft hat deutlich zugenommen. Ich nenne in diesem Zusammenhang nur die Schlagworte Energiewende, Klimawandel und Digitalisierung. Hinzu kommen die weltpolitischen Entwicklungen, die vielen Krisenherde, ganz aktuell im Iran, und die wachsenden Handelsauseinandersetzungen und –beschränkungen.“ Und die Entscheidungen der großen Koalition trügen nicht gerade dazu bei, diese Verunsicherungen zu beseitigen.

Apropos Politik: Die Metall- und Elektroindustrie steht in diesem Jahr vor einer bedeutenden Tarifrunde. Dabei geht es nicht nur um mehr Geld für die Beschäftigten oder mehr Urlaub oder flexiblere Arbeitsbedingungen. Es geht vielmehr auch um die Tarifpolitik der Zukunft und den Flächentarif. „Wir haben bereits nach der letzten Verhandlungsrunde mit der IG Metall feststellen müssen, dass die überaus komplexen Vereinbarungen in vielen unserer Mitgliedsunternehmen für Unverständnis und Unmut gesorgt haben, ebenso wie deren Umsetzung. Deshalb appellieren wir an die Gewerkschaft, in der kommenden Tarifrunde den Bogen nicht zu überspannen. Wir stehen vor enormen Herausforderungen alleine durch die Digitalisierung. Da wäre eine Erosion des Flächentarifs aufgrund von überzogenen Forderungen, die natürlich auch immer entsprechende Erwartungen wecken, kontraproduktiv. Wir haben hier in Siegen-Wittgenstein ein gutes und konstruktives Miteinander mit der Gewerkschaft, wenn es darum geht, betriebliche Probleme sowohl im Sinne der Beschäftigten wie auch im Interesse der Unternehmen zu lösen. Eine solche Herangehensweise wünschen wir uns auch für die anstehenden Tarifverhandlungen auf Landes- und Bundesebene“, unterstreicht Dr. Doublet.

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