„Wissenschaftliche Exzellenz und Praxisorientierung“

Gruppenbild mit Preisträgern (v.l.): Prorektor Prof. Dr. Peter Haring Bolivar, IHK-Präsident Felix G. Hensel, Dr. Thomas Ludwig, Eric Reimann, NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin, sowie die Vertreter der Sponsoren Wilhelm Rücker (Sparkasse Olpe-Drolshagen-Wenden) und Gunnar Kohlschein (BGH Edelstahlwerke GmbH).

Dr. Thomas Ludwig und Eric Reimann haben eines gemeinsam: Ihre Dissertation bzw. Masterarbeit bekam jeweils die Bestnote. Jetzt wurde ihnen zudem für ihre herausragende wissenschaftliche Leistung der 32. „IHK-Preis“ verliehen. Felix G. Hensel, Präsident der Industrie- und Handelskammer Siegen, überreichte die mit insgesamt 4.000 Euro dotierte Auszeichnung gemeinsam mit Gunnar Kohlschein von der BGH Edelstahlwerke GmbH und Wilhelm Rücker von der Sparkasse Olpe-Drolshagen-Wenden. BGH und die Sparkasse haben den IHK-Preis 2017 gestiftet.

Mit dem IHK-Preis werden seit 32 Jahren die beste Dissertation sowie die beste praxisorientierte Masterarbeit des Akademischen Jahres in den Bereichen Architektur, Wirtschaftswissenschaften, Wirtschaftsinformatik, Wirtschaftsrecht oder Natur- und Ingenieurwissenschaften der Universität Siegen ausgezeichnet. Felix G. Hensel würdigte in seiner Ansprache beim Festakt im Bernhard-Weiss-Saal der IHK Siegen die Bedeutung der Universität für die Stadt und die Region: „Sie ist mit mehr als 2.000 Beschäftigten einer der größten Arbeitgeber.“ Längst gehe der Austausch zwischen Hochschule und Wirtschaft über das „Produzieren“ von Bewerbern für die hiesigen Betriebe deutlich hinaus, betonte Felix G. Hensel.

In vielen Bereichen habe sich „eine recht enge Zusammenarbeit zwischen Universität und Wirtschaft herausgebildet“, sagte der IHK-Präsident. „Gerade in den technischen Studiengängen gibt es Forschungsfelder, die unmittelbaren Bezug zur Industrie haben.“ Zugleich gebe es in der regionalen Wirtschaft Entwicklungsaufgaben „en masse“, die ohne die Universität nicht zu lösen wären. Der IHK-Preis ist, so der IHK-Präsident, eine Komponente von vielen, mit denen die Kammer das Zusammenspiel von Universität Siegen und der regionalen Wirtschaft verstärke und auch sichtbar mache. Mit den Promotionsstipendien für wissenschaftliche Arbeiten mit regionalem Wirtschaftsbezug sowie den „Deutschland-Stipendien“ und der Stiftungsprofessur für Technikdidaktik wende die IHK Siegen dafür jährlich mehr als 100.000 Euro auf.

„Designing ICT Tools for Researching Information Infrastructures“ heißt die Dissertation, die Dr. Thomas Ludwig in der Fakultät III (Wirtschaftswissenschaften, Wirtschaftsinformatik und Wirtschaftsrecht) der Universität Siegen erfolgreich mit „Summa cum laude“ abgeschlossen hat. Dabei geht es im Prinzip um die Optimierung der Computer-unterstützten Gruppenarbeit. Zu den klassischen Methoden, mit denen man die Anforderungen von Mitarbeitern eines Unternehmens an das Design von IT-Systemen erforscht, gehören Interviews und Beobachtungen. Angesichts der rasanten Technologieentwicklung und der damit immer komplexer werdenden organisationübergreifenden Informationsstrukturen gelte es, erklärt Prof. Dr. Volker Wulf, der die Arbeit gemeinsam mit Prof. Dr. Volkmar Pipek begutachtet hat, in seinem Empfehlungsschreiben für den IHK-Preis, „methodische sowie technische Möglichkeiten zu entwickeln, um den Einsatz und die Handhabung von Informationsstrukturen beforschbar zu machen“. Dr. Ludwig sei dieser Fragestellung in einem Dreischritt aus empirischer Vorstudie, der Entwicklung verschiedener IT-Systeme und deren langfristige Untersuchung in der Praxis nachgegangen. Wulf sei „keine Dissertation in der angewandten Informatik bekannt, die in diesem Umfang und in dieser Tiefe die Gestaltung von Informationsstrukturen in Praxis erforscht hat“.

Dr. Ludwig habe umfassende empirische Studien mit mehr als 80 Vertretern von Polizei, Feuerwehr, privaten Hilfsorganisationen, Stromanbietern und Kommunen innerhalb der Kreise Siegen-Wittgenstein und Olpe sowie der Stadt Kiel durchgeführt, lobt auch Prof. Dr. Peter Haring Bolivar, Prorektor der Universität Siegen. „Ziel war es zu verstehen, wie die Bevölkerung Informationen innerhalb neuartiger sozialer Medien wie Facebook und Twitter oder mobiler Medien wie Smartphones und Tablets in Schadenslagen wie dem Sturm Kyrill nutzt und sich über solche Medien zu spontanen Freiwilligengruppen zusammenschließt, um bei der Bewältigung aktiv zu werden.“ Dr. Ludwig habe neue IT-Technologien entwickelt, die die Analyse solcher Informationsinfrastrukturen ermögliche.

Prof. Wulf würdigt überdies die „besondere Anwendungsbezogenheit“ der Dissertation. Er arbeite zurzeit daran, „sein entwickeltes Portfolio zur Erforschung von Informationsstrukturen für weitere Unternehmen und Akteure bereit zu stellen“.

„Ermittlung präventiver Reprofilierungsintervalle für Rad und Schiene basierend auf deren geometrischen Kontaktbedingungen“ – so lautet das Thema der Masterarbeit von Eric Reimann im Studiengang Maschinenbau in der Naturwissenschaftlich-Technischen Fakultät der Universität Siegen. Sie wurde von Prof. Dr.-Ing. Claus-Peter Fritzen in Kooperation mit Dr. Jani Dede von der Bombardier Transportation GmbH Siegen betreut. Bombardier ist einer der weltweit führenden Hersteller von Schienenfahrzeugen. „Die Masterarbeit von Eric Reimann befasst sich mit fahrdynamischen Vorgängen an Schienenfahrzeugen, die sich im Kontaktbereich von Rad und Schiene abspielen und die verantwortlich für Verschleiß und Schädigung des Materials beider beteiligter Partner sind“, schreibt Prof. Fritzen in seiner Empfehlung für den IHK-Preis. Eine rechtzeitige Wiederherstellung der optimalen Geometrie durch die Reprofilierung, das Nachbearbeiten der Lauffläche, könne damit als wesentlicher Baustein für eine Verlängerung der Einsatzdauer sowohl der Schienenfahrzeuge als auch der Gleisinfrastruktur, zum Beispiel für ein Straßenbahnnetz, angesehen werden. Durch diese die Lebens- bzw. Betriebsdauer verlängernden Maßnahmen könnten erhebliche Einsparungen für den Betreiber erreicht werden.

Eric Reimann hat zunächst den Rad-Schiene-Kontakt untersucht, um die Bedingungen herauszufinden, die zu erhöhtem Verschleiß führen. Darauf aufbauend hat er, erläutert Prof. Fritzen weiter, zwei neuartige Kriterien für die Bewertung der Verschleißbedingungen entwickelt. „Dies ist das Fundament, um zu bestimmen, ob bzw. zu welchem Zeitpunkt eine präventive Reprofilierung für einen Betreiber unter technisch-wirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvoll ist.“ Durch das von ihm entwickelte Bewertungsverfahren könne analysiert werden, ab welchem Verschleißzustand eine präventive Reprofilierung für einen effizienten Betrieb des Schienenfahrzeugs im Streckenbetrieb notwendig ist.

„Langfristig wird diese Vorgehensweise zu einer signifikanten Reduktion der Wartungskosten führen, die im Bahnbereich einen nichtunerheblichen Anteil an den Gesamtkosten ausmachen“, lobt auch Prof. Haring Bolivar. Dr. Jani Dede, Abteilungsleiter Laufdynamik bei Bombardier, geht hier – je nach Kunde – von Einsparungen im Millionenbereich aus. Für Prof. Haring Bolivar sind es „herausfordernde Arbeiten wie diese, die dazu beitragen, hervorragende Absolventen in der Region zu halten, die Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Wirtschaft zu stärken und schlussendlich den Wirtschaftsstandort zu festigen“.

Festredner der Veranstaltung war NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin. Er gratulierte den Preisträgern „herzlich“. „Ihnen ist die Verbindung aus wissenschaftlicher Exzellenz und Praxisorientierung in herausragender Weise gelungen. So erfolgreiche Kooperationen mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern fördern die Innovationskraft der Unternehmen. Sie sind damit ein entscheidender Faktor im Wettbewerb der Regionen. Mit seiner einmalig guten Forschungslandschaft bietet Nordrhein-Westfalen hierfür beste Voraussetzungen.“ Auch gratulierte der Minister der IHK Siegen und den Sponsoren, dass sie überhaupt einen IHK-Preis ermöglichten – und das bereits seit 31 Jahren.

Überhaupt werde die Zusammenarbeit zwischen der Wirtschaft und den Hochschulen immer wichtiger, führte Garrelt Duin aus. Beispielsweise, um Hemmschwellen, die es sicherlich auf beiden Seiten gebe, abzubauen. Oder, um den vielen kleinen und mittleren Unternehmen in Nordrhein-Westfalen durch wissenschaftliche Arbeit an den Hochschulen vor Augen zu führen, welches die wesentlichen Zukunftsthemen sind. Themen, die sich kleine Unternehmen möglicherweise nicht selbst erschließen könnten.

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