Röcher GmbH & Co. KG: „75 Jahre: Maschinen – zusammen – bauen“

Das Foto zeigt das 3D-Modell einer Hydraulikpresse in der mechanischen Konstruktion bei der Firma Röcher in Netphen.

Was haben Backformen, Antriebswellen für Autos, LKW-Krane, Off-Shore-Windkrafttürme, Behälterböden, Doppel-T-Träger für Wolkenkratzer, Aluminiumräder, Schiebedächer, Fassdeckel, Abgasteile, Helme, Gaszähler, Lautsprecher, Küchenherde, Rohre, Papierverpackungen, Ketten für Rolltreppen, Elektronikgehäuse, Katalysatoren, Isolatoren für Hochspannungsleitungen, Getriebewellen, Bremssysteme, Federn und Schleifscheiben gemeinsam? Alles wird mit Bauteilen aus Röcher-Maschinen hergestellt. Im Schwerpunkt fertigt das Unternehmen hydraulische Pressen und Sonderanlagen für die Blechumformung, Rohrumformung und spanlose Metallumformung.

Im Bild die 200-Tonnen-Presse, die im Beitrag beschrieben wird. Sie wurde inzwischen an den Kunden ausgeliefert.

Ein aktuelles Beispiel: eine Hydraulikpresse mit 2000 kN Presskraft zur Umformung von Edelstahlbauteilen. Das entspricht einem Druck von 200 Tonnen. Weitere Zusatzeinrichtungen wie Ziehkissen 1250 kN (125 Tonnen), Schnittschlagdämpfung, Werkzeugwechseleinrichtungen und ein Roboter-Handlingsystem gehören ebenfalls zum Projektumfang. „Diese Presse gehört nicht zu den größten Maschinen, die wir bauen, zurzeit befindet sich beispielsweise eine 3000 to. – Presse (30.000 kN) in der Produktion. Sie ist aber schon etwas Besonderes, denn sie ist mit einem sehr modernen Energiesparantrieb ausgestattet. Dabei handelt es sich um einen patentierten drehzahlvariablen Pumpenantrieb, der sehr schnelle und genaue Regelungen direkt über die Pumpen möglich macht“, erläutert Heiko Röcher. Er ist zusammen mit Frieder Lingemann Inhaber der Röcher GmbH & Co. KG in Netphen einem Unternehmen, das vor kurzem auf sein 75-jähriges Bestehen zurückblicken konnte. Während Frieder Lingemann sich um Unternehmensentwicklung, Organisation und fallweise auch um Sonderthemen kümmert, ist Heiko Röcher als Geschäftsführer für das operative Geschäft, inklusive Konzepterstellungen, Vertrieb und Auftragsabwicklung, zuständig. In der Firma der beiden Ingenieure werden nicht nur Hydraulikpressen unterschiedlicher Größen und Anwendungsvarianten hergestellt, sie ist auch ein typisches Beispiel für einen mittelständischen Maschinenbaubetrieb im Siegerland. Nicht sehr groß, Röcher hat etwas mehr als 40 Beschäftigte, aber sehr flexibel, innovativ und technisch auf hohem Niveau. Das ist nicht nur ein Markenzeichen des Unternehmens, sondern auch ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil. Heiko Röcher erläutert: „Gut Zweidrittel unserer Kunden kennen uns schon. Da ist die Aquise nicht ganz so aufwändig. Kommen neue Kunden hinzu, wird der Aufwand größer. Da geht es dann nicht nur darum, ein individuelles Gesamtpaket zu schnüren, sondern auch die mit der Sonderfertigung verbundenen Risiken genau abzuwägen.“

„Bei dem Auftrag, den wir beschrieben haben, ist der Kunde auf uns zugekommen. Das ist häufig so, insbesondere in den Nischenmärkten, in denen wir unterwegs sind. Wir sind dort als Spezialanbieter bekannt“, erläutert Heiko Röcher die Hintergründe der Auftragsvergabe.

Ein Blick in die Endmontage bei Röcher zeigt die unterschiedlichen Hydraulikpressen, die bei dem Unternehmen in Netphen konstruiert und gebaut werden.

Auftragsbezogene Einzelfertigung, das ist das Kerngeschäft der Firma Röcher. Bereits in den Gesprächen mit potenziellen Kunden werden die besonderen Anforderungen an die Maschinen und deren Auslegung besprochen sowie deren mögliche Realisierung. „Dabei kommt uns zugute, dass wir alles aus einer Hand liefern, Hydraulik, Mechanik, Elektrik und Steuerung. Das erleichtert die Projektvorbereitung enorm“, unterstreicht Heiko Röcher. Die Maschinen von Röcher sind keine Massenware. Sie sind auch keine Serienprodukte, auch wenn sie später in vielen Serienfertigungen zum Einsatz kommen.

Ist der Auftrag dann unter Dach und Fach, beginnt für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Betrieb in Netphen die eigentliche Arbeit. Im Fall der eingangs beschriebenen Maschine wurden zunächst die Grunddaten in der mechanischen Konstruktion in ein dreidimensionales Computermodell übertragen. Dabei können die Konstrukteure auf ein Baukastensystem zugreifen, passen die Maschinenauslegung dann aber auf die individuellen Anforderungen des Kunden an. Ebenso ermöglicht die Software bereits die Simulation der auftretenden Kräfte und so die korrekte Dimensionierung der Bauteile. Aus dem dreidimensionalen Modell werden dann die einzelnen Zeichnungen abgeleitet und erstellt. Alle benötigten Fertigungs- und Zukaufteile werden in Stücklisten erfasst.

In der hydraulischen Konstruktion erfolgt die Festlegung der Pumpenleistung, der benötigten Öl-Fördermengen, der Drücke sowie der Ventilregelungen oder, wie im Fall der beschriebenen Presse, der drehzahlvariablen Pumpen. Die Mitarbeiter der elektrischen Konstruktion erstellen schließlich die Stromlaufpläne und legen somit die Verschaltungen fest. Dabei werden auch Zusatzkomponenten wie Manipulationssysteme usw. berücksichtigt. Für die Steuerung der Presse setzt das Unternehmen eine selbst entwickelte Grundsoftware ein, die aber in jedem Fall von den eigenen Programmierern individuell angepasst wird.

Stücklisten, Zeichnungen und Materialbeschaffung werden bei Röcher über ein modernes EDV-System gesteuert. Dabei ist jederzeit abrufbar, welches Bauteil sich wo befindet und was daran noch getan werden muss. „Das gibt uns einen guten Überblick über den Stand des Projektes und die Kostenkalkulation“, so Frieder Lingemann. Es gibt eine hausinterne Bauteilfertigung in welcher Mitarbeiter Schweiß-, Dreh-, Bohr- und Frästeile herstellen. Sind alle Bauteile gefertigt oder zugekauft, werden zunächst einzelne Baugruppen der Maschine (z.B. Hydraulikaggregate, Schaltschränke usw.) vormontiert und auf ihre Funktionalität geprüft. In der Endmontage wird die Maschine dann einmal komplett zusammengebaut, mit Hydraulikrohren versehen, verkabelt, die Software aufgespielt und alle Funktionen durchgetestet. Ist alles in Ordnung, erfolgt die Demontage und die Auslieferung an den Kunden.

Die Zusatzkomponenten wurden bei dieser Hydraulikpresse erst beim Kunden angebaut, installiert, eingerichtet und getestet.

Als Frieder Lingemann und Heiko Röcher die Firma im Jahr 2000 übernahmen und investierten, befand sie sich in einer existenzbedrohenden Krise. Die beiden freuen sich und sind dankbar, dass das Unternehmen inzwischen solide und gesund dasteht. Dieser Umstand und das 75-jährige Jubiläum sind Ihnen Anlass auch an Menschen zu denken, für die das tägliche Brot nicht selbstverständlich ist. Daher wird zum Jubiläum ein Betrag von 75.000,– € an die Hilfsorganisation „Brot für die Welt“ gespendet.

Natürlich stellt die aktuelle Krise Unternehmen und Mitarbeiter wieder vor besondere Herausforderungen. Man ist jedoch zuversichtlich, dass auch die nächste Generation weiter Maschinen (zusammen)bauen wird.

Hintergrundinformationen:

1946, in schwierigen Zeiten, gründeten Emil und Karl Röcher Senior das Unternehmen in Eisern und begannen mit der Fertigung von Drehteilen für die Industrie des Siegerlandes. Rasch wurde das Angebot um Frästeile, Schweißkonstruktionen und Montagetätigkeiten erweitert. Nach einem Umzug nach Eiserfeld konzentrierte man sich darauf, komplette Maschinen herzustellen. Seit den sechziger Jahren liegt der Schwerpunkt in der Entwicklung und Fertigung hydraulischer Pressen. 1988 ist die Firma nach Deuz und 2011 nach Dreis-Tiefenbach umgezogen. Heute ist das Familienunternehmen Röcher ein moderner Maschinenbauer, der seit dem Jahre 2000 in der 3. Generation geführt wird. Neben hydraulischen Pressen gehören auch Sondermaschinen für die Umformtechnik und Automobilzulieferindustrie zum Lieferumfang. Kunden aus der Region liegen dem Unternehmen besonders am Herzen. Pressenservice, Umbau, Modernisierungen und Nachrüstungen von energiesparenden Pumpenantrieben werden bei zahlreichen Firmen auch an Fremdfabrikaten durchgeführt. Durch eine hohe Fertigungstiefe, umfassende Erfahrung sowie wertvolles Know-how in Mechanik, Hydraulik und Elektrosteuerungen, einschließlich Softwareentwicklung, ist in den vergangenen 75 Jahren ein modernes, leistungsfähiges Unternehmen entstanden, das solide im Markt steht und Kunden mit führenden Lösungen unterstützt.

Text und Fotos: Helmut Hofmann; Infos: Röcher GmbH & Co. KG

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