Konjunkturumfrage in der Industrie: Unternehmen sehen schwarz

Dr. Thorsten Doublet, Geschäftsführer des Verbandes der Siegerländer Metallindustriellen (VdSM) und VdSM-Vorsitzender Christian F. Kocherscheidt (rechts) haben die Ergebnisse der traditionellen Konjunkturumfrage in einem Pressegespräch erläutert. (Foto: Julia Förster)

„Der Krisen-Mix aus Krieg, hohen Abgaben und kaum noch zu überschauenden bürokratischen Vorgaben machen sich in diesem Jahr extrem bemerkbar“, blickt Dr. Thorsten Doublet, Geschäftsführer des Verbandes der Siegerländer Metallindustriellen (VdSM), auf das Ergebnis der Konjunkturumfrage, die traditionell kurz vor dem Jahreswechsel unter den rund 100 Mitgliedsunternehmen durchgeführt wird. Schon im vergangenen Jahr waren die Aussichten der Unternehmen alles andere als rosig gewesen, aber: „Einen solchen Absturz der geschäftlichen Erwartungen für die kommenden Monate in Verbindung mit einer mäßigen Einschätzung im Bezug auf die aktuelle Situation habe ich in dieser Kombination und Heftigkeit noch nicht erlebt.“

Christian F. Kocherscheidt, VdSM-Vorsitzender und Geschäftsführender Gesellschafter der Ejot Holding GmbH & Co. KG, pflichtet ihm bei: „Die Verunsicherung bei den Unternehmen, aber auch bei den Arbeitnehmern durch die ständigen Diskussionen in der Bundesregierung ist greifbar. Wir Verbände haben nun lange genug angemahnt, dass der Standort Deutschland unter der Bürokratie, im internationalen Vergleich viel zu hohen Energiepreisen und zu langen Genehmigungsprozessen als Folge der mangelnden Digitalisierung der öffentlichen Hand ächzt. Jetzt sind endlich Taten gefragt!“

Auftragsbücher werden langsam dünner

Der getrübte Blick auf das Inlandsgeschäft hat sich im Vorjahresvergleich noch einmal intensiviert. Denn betrachteten 2022 noch 30 Prozent der Mitgliedsunternehmen aus Siegerland und Wittgenstein die aktuelle Auftragslage im Inland als „gut“, sind jetzt aktuell noch 6 Prozent. 61 Prozent der Teilnehmer sprechen aktuell von einer schlechten Auftragslage (2022: 15 Prozent). Doch es geht noch schlechter: Denn ausgehend von diesen besorgniserregend schlechten Zahlen blicken die heimischen Unternehmen aus der Metall- und Elektroindustrie noch viel pessimistischer in die Zukunft. 70 Prozent erwarten eine schlechtere Auftragslage für die kommenden sechs Monate. „Die sich bei vielen Firmen langsam leerenden Auftragsbücher schlagen jetzt voll auf die Erwartungen durch“, so Dr. Thorsten Doublet.

Und für das Auslandsgeschäft sieht es nicht viel besser aus. Hier hatten 2022 noch 53 Prozent der Unternehmen eine gute Auftragslage angegeben, nun sind es nur noch 17 Prozent – und das bei ebenfalls pessimistischeren Zukunftsaussichten. Nur noch 3 Prozent erwarten eine Verbesserung für die kommenden sechs Monate (2022: 12 Prozent).

Pessimistischer Blick in die Zukunft

Diese schlechte Lage in den Auftragsbüchern spiegelt sich auch in der Bewertung der aktuellen Geschäftslage wider. 50 Prozent hatten diese zum Jahreswechsel 2022/23 noch mit „gut“ bewertet, jetzt sind es noch 6 Prozent. Der Blick auf die kommenden sechs Monate lässt auch in diesem Bereich nichts Gutes erahnen. 64 Prozent haben schlechtere Geschäftserwartungen, vor einem Jahr hatten immerhin noch 55 Prozent auf eine Seitwärtsbewegung gesetzt.

Immerhin: Derzeit schätzen 55 Prozent der Umfrageteilnehmer die Ertragslage noch als „befriedigend“ ein, doch auch die Ertragserwartungen für die kommenden sechs Monate lassen nichts Gutes erahnen. 73 Prozent der M+E-Unternehmen sehen einen schlechteren Ertrag auf sie zukommen.

Heimische Unternehmer stehen zu ihren Mitarbeitern

Wie sehr sich die heimischen Mittelständler in der Zwickmühle befinden, zeigt ein Blick auf die Entwicklung der Beschäftigung. Man möchte vor dem Hintergrund des grassierenden Fachkräftemangels möglichst wenig auf Entlassungen setzen (je 21 Prozent in den vergangenen und den kommenden sechs Monaten), das Instrument der Kurzarbeit rückt für das kommende halbe Jahr jedoch massiv in den Fokus von Personalchefs und Geschäftsführern (61 Prozent). Neueinstellungen sind hingegen kaum noch geplant (9 Prozent). „Die Unternehmen versuchen mit Blick auf den immer heftiger werdenden Fachkräftemangel Personal zu halten, auch wenn das die Auftragslage nicht immer hergibt“, unterstreicht Christian F. Kocherscheidt: „Es ist nun an der Politik, die Unternehmer nicht im Regen stehen zu lassen, denn die entziehen sich ihrer sozialen Verantwortung beileibe nicht.“

Es brauche dringend gesetzgeberische Impulse, um die Nachfrage im Inland anzukurbeln und gleichzeitig die Produktivität in Deutschland hochzuhalten. „Nur so sind wir überhaupt noch wettbewerbsfähig“, warnt Kocherscheidt, der einen maßvollen Tarifabschluss im Herbst 2024 anmahnt: „In Siegen-Wittgenstein sichern zahlreiche familiengeführte Mittelständler den sozialen Wohlstand, bieten sichere und zukunftsfähige Arbeitsplätze. Und dennoch stehen sie alle in einem harten internationalen Wettbewerb. In diesem können sie nur bestehen, wenn sie besser sind als andere.“ Es sei schwer genug für die zahlreichen mit der Region verbundenen Unternehmer, Investitionsentscheidungen zu treffen, von denen der Standort Deutschland profitiere. Und doch wolle man der Region treu bleiben. Immerhin beabsichtigen 51 Prozent, mehr oder gleichbleibend im Inland zu investieren, während die Summe dieser beiden Aussagen vor einem Jahr noch bei 45 Prozent gelegen hatte. Die internationalen Krisen haben zu Vorsicht bezüglich der internationalen Investitionen geführt. 61 Prozent hatten vor Jahresfrist noch angegeben, mehr oder gleichbleibend im Ausland investieren zu wollen, aktuell planen das nur noch 45 Prozent.

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