„Den Wandel begreifen“

Tanuj Huhn, Mitglied der Geschäftsführung der Heinrich Huhn GmbH & Co. KG.

Was benötigt es, damit unser Land als Wirtschaftsstandort wieder nach vorne kommt? Diese Frage beantwortet Tanuj Huhn, Mitglied der Geschäftsführung der Heinrich Huhn GmbH & Co. KG in Drolshagen, im aktuellen NRW-Wirtschaftsblog „Klartext im Westen“.

Aus meiner Sicht, ist es notwendig, den Wandel unsereGesellschaft und damit auch unserer Wirtschaftzu begreifen. Besser gesagt, ihn anzunehmen und greifbar zu machen. Dreicharakteristische Themen dieses Wandels sind Digitalisierung, Migration und KlimaschutzDiese führen zur übergeordneten Frage, welche wirtschaftlichen Zukunftsperspektiven sich daraus für unser Land ableiten lassen. 

Neue digitale Technologien verändern die Wertschöpfungsansätze in fast jedem Industrie- und Dienstleistungsunternehmen, sowie die Informationsgewinnung und –gestaltung in der GesellschaftDie Medien, die gemeinhin als klassisch bezeichnet werden, werden offen in Frage gestellt oder es wird durch gezielte Falsch-Informationen versucht, ihnen die Deutungshoheit von Informationen zu entreißen.

Unternehmen müssen das dringend benötigte Glasfaserkabel selbst verlegen, weil Politik und Verwaltung schlicht zu langsam sind. Funklöcher ganzer Gemeinden im ländlichen Raum, bilden im Zeitalter des Home-Offices eine unüberwindbare Barriere und senken die Attraktivität eines Standortes. Eine undurchsichtige Medienlandschaft führt zu vielen unkontrollierbaren Informationsströmen, die manchmal verheerende Auswirkungen haben, wie am Beispiel deskürzlich vollzogenen Brexits zu erkennen ist.

In sozialen Netzwerken zeichnet sich eine Abkehr alter, gemäßigter Werte ab, wie Respekt oder Toleranz gegenüber anderen Meinungen oder Denkweisen. Insbesondere der Flüchtlingswelle von 2015 und ihrer politischen Moderationkommt hierbei eine entscheidende Rolle zuteil.

Die von FridaysFor-Future geprägte Diskussion über den Klimawandel führt zu einem manchmal sehr kontroversen Umgang mit dem so wichtigen Thema Klimaschutz. Einigkeit herrscht zwar darüber, dass insbesondere in urbanen Ballungsräumen innovative Mobilitätskonzepte, wie Car-Sharing, E-Scooter, kostenloser ÖPNV o.ä. weiterentwickelt werden müssen, aber die Debatte ist eher geprägt durch eine öffentlichkeitswirksame und emotional geführte Diskussion. Primär geht es darum, wie untragbar der aktuelle Zustand ist und wem die Deutungshoheit obliegt. Meinungsmache, statt Faktencheck. Verbote sind nicht immer die richtigen Lösungen. Man denke nur an das Thema „Tempolimit auf Autobahnen“. Ein wichtiges Thema, aber nicht die höchste Priorität beim Klimaschutz.

Die genannten Beispiele verdeutlichen, dass sich die Dinge in unserem täglichen Leben mit atemberaubender Geschwindigkeit und extremer Intensität verändern. Veränderung tut weh, ist aber für nachhaltigen Erfolg unverzichtbar. Kurzfristig führt sie aber zu Verunsicherung eines jeden Einzelnen. Dieser Verunsicherung kann mit einestabilen und zukunftsorientierten Wirtschaft begegnet werden. Unterstützt wird diese idealerweise von einer klaren politischen Führung, mit konkreten Konzepten und schneller Umsetzung.

Aufklärung über digitale Medien sollte bereits früh im Bildungsweg verankert werden. Eine Förderung durch die Politik für Ausbildungsbetriebe, die klassische Berufe digital neu aufstellen, könnte ein weiterer Ansatz sein. Insgesamt vermisse ich neben dem beliebten Schlagwort Industrie 4.0 das Pendant der Politik. Politik 4.0? Fehlanzeige.  

Menschen mit Migrationshintergrund gehören in den meisten Unternehmen seit Jahren zu einer festen Größe. Die Menschen, die erst kürzlich in unserem Land Schutz gesucht haben, gilt es nun auf dem Arbeitsmarkt zu integrieren. Das gestaltet sich jedoch häufig schwieriger als gedacht. Trotz festem Ausbildungs– oder Arbeitsplatz drohen Abschiebungen aufgrund fehlender Dokumente. Auch unser Unternehmen musste häufig selbst in Aktion treten, um Ausweisdokumente für Auszubildende, die geflüchtet sind, zu beschaffen oder Deutsch zu lehren, via unternehmenseigenem Deutschkurs. Aber „wir wissen Migration ist Realität, Integration unsere Aufgabe“ (R. Huhn, 2016). Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz war ein erster Schritt, aber ein klares politisches Konzept fehlt noch immer. Unser Land wird davon profitieren, also sollten wir diese Aufgabe schnell,strukturiert und vor allem gemeinsam angehen.

Realistisch betrachtet wissen wir: Die Energiewende sowie die Nachhaltigkeitsforderungen aus der leidenschaftlich geführten politischen Diskussion rund um den Klimaschutz sind alternativlos, aber kosten Geld. Deutschland hat sich parallel zum Höchststeuerland für Unternehmen entwickelt. Um auch hier den Anschluss nicht zu verlieren oder den Abstand zu anderen wichtigen Industrienationen nicht noch zu vergrößern, muss über eine entsprechende Angleichung der Steuerlast – mindestens EU-weit – debattiert werden. Strukturierter Klimaschutz geht nur mit einer gesunden Wirtschaft. Sachliche Analysen, wie Klimaschutz und wirtschaftliche Interessen harmonieren können, liegen vor. Nutzen wir sie, um ganzheitlicher zu denken und zu handeln. So machen wir den Standort Deutschland auch für ausländische Unternehmen wieder attraktiverWettbewerb ist oftmals ein Innovations- und Entwicklungsimpuls.

Der Wandel vollzieht sich und es ist unser aller Aufgabediesen Wandel zu gestalten und nicht nur zu erleben. Gestalten bedingt Verstehen. Wir müssen ihn verstehen und begreifen und nicht länger versuchen ihn aufzuhalten. Erst dann können wir konsequent Lösungen erarbeiten, für Herausforderungen, die wir früher nicht hatten. Nur so bringen wir den Wirtschaftsstandort NRW und damit Deutschland insgesamtwieder nach vorne.

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