Fitte Fachkraft, fitte Firma

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der HF MIXING GROUP können im eignen Fitnessstudio trainieren und sich auch dort richtig "reinhängen".

Auf einmal strengen sie sich derart an, dass der alte Deckenkran in Bewegung gerät. Ein paar Zentimeter rollt er auf seinen Führungsschienen nach vorne. Die drei Mitarbeiter der HF MIXING GROUP hören überrascht auf, an den elastischen Bändern zu ziehen, die mit dem stillgelegten Kran verbunden sind. Eigentlich wollten sie Fitnessübungen machen. Jetzt brechen sie ihr „Sling-Training“ erstmal ab und in Gelächter aus.

Früher war in diesem Gebäude am Südrand des HF-Firmengeländes die Ausbildungswerkstatt untergebracht, dann wurde es als Lagerraum genutzt. Seit Ende 2013 aber ist die etwa 280 Quadratmeter große Halle ganz „STARK“. So hat das Unternehmen aus dem Herz der Wirtschaft sein firmeneigenes Fitnessstudio getauft, in dem die Mitarbeiter sich ganz im Wortsinne reinhängen, auf dem Ergometer Gas geben oder an den Hantelbanken etwas stemmen können.

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Die HF MIXING GROUP mit Hauptsitz in Freudenberg ist Spezialist für Maschinen zur Kautschukmischung.

Eigentlich ist die HF MIXING GROUP mit Hauptsitz in Freudenberg Spezialist für Maschinen zur Kautschukmischung. In den vergangenen Jahren hat sich der Mittelständler aber auch zum Experten für betriebliches Gesundheitsmanagement entwickelt. Aus einem einfachen Grund: der Sicherung von Fachkräften und Wissen. „Wir sind ein sehr Knowhow-trächtiges Unternehmen, was das Mischen für die Reifen- und Kautschukindustrie angeht“, sagt Geschäftsführer Andreas Limper. „Wir leben sehr stark vom Knowhow der Mitarbeiter. Deshalb möchten wir sie möglichst lange fit und im Unternehmen halten. Mit jedem älteren Mitarbeiter geht Wissen.“

Zugleich stehe man „im Kampf um die Köpfe“. Denn was bei HF geht, kommt nicht im gleichen Maße nach: Die Region um Freudenberg, je nach Blickwinkel gerade noch Nordrhein-Westfalen oder noch nicht Rheinland-Pfalz, ist reizvoll für Naturfreunde. Fachkräfte hingegen muss sie erst von sich überzeugen. Da muss derjenige etwas bieten, der im Wettbewerb mit den 300 Maschinenbauern der Region – und vor allem mit jenen in bundesdeutschen Ballungsräumen – bestehen will.

HF hat sich 2011 erstmals betriebsweit mit dem Thema Gesundheit befasst, wenn auch laut Limper „auf kleiner Flamme“. Bei lokalen Anbietern konnten die Mitarbeiter Kurse besuchen, im Haus gab es Vorträge etwa zu gesunder Ernährung. „Und das ist sehr, sehr gut angekommen“, erinnert sich der Geschäftsführer. So gut, dass das Unternehmen extern Räume wie Turnhallen suchte, die es regelmäßig mieten wollte. Es fand keine – und begann daraufhin, die verwaiste Lehrwerkstatt zu reaktivieren. Gemeinsam mit Physiotherapeuten eines Reha- und Präventions-Klinikums im 30 Kilometer entfernten Gummersbach wurden Geräte ausgesucht, Kurse für Rücken, Bauch und Sling-Training geplant, eine Walking-Gruppe ist auch entstanden.

Baulich erinnert das „STARK“ mit seinen nackten Metallträgern unter der Decke, den umlaufenden Glasbausteinen und dem umgenutzten Kran an ein Loft im Industriestil. Seit der Eröffnung können die Mitarbeiter hier jeden Tag zwischen 6 und 22 Uhr trainieren, vom Nachmittag an auch begleitet durch einen Physiotherapeuten. HF hat einen Rahmenvertrag mit dem RPP Klinikum Oberberg aus Gummersbach geschlossen, das im Wechsel drei Mitarbeiter ins Unternehmen schickt. Je nach Arbeitszeit kommen die HF-Beschäftigten morgens, mittags oder abends ins Training; die Mittagspause hat ihr Arbeitgeber dazu extra von einer halben auf bis zu eine Stunde ausgeweitet. Seit Kurzem darf sogar noch je Mitarbeiter eine Person aus demselben Haushalt das Fitnessstudio nutzen. Doch auch wer nicht ins „STARK“ will, kann jederzeit Termine mit den Physiotherapeuten vereinbaren, die dann in einem Raum auf dem Firmengelände behandeln. Zwischendurch sind sie in den Büros und Werkhallen unterwegs und geben Tipps zur ergonomischen Einrichtung von Arbeitsplätzen oder kurzen Lockerungsübungen.

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Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens können in einem eigens eingerichteten Fitness-Studio trainieren.

Kirstin Bley sitzt an diesem Tag auf dem Ergometer. Sie hat 2014 in der Personalabteilung des Unternehmens angefangen und kennt daher die Wichtigkeit von Sport sowohl für die bestehenden als auch für potenzielle Mitarbeiter. „Ich habe es als absolut positiv empfunden, dass das Unternehmen sowas anbietet. Da ich schon immer gerne Sport gemacht habe, war das für mich ein wichtiger Punkt bei der Arbeitgeberwahl. Es wird ja immer schwieriger, Fachkräfte zu finden. Und die Mitarbeiter werden immer stärker auf das gucken, was das Unternehmen mitbringt.“ Bley nimmt an Bauch- und Rückenkursen teil, hängt sich manchmal in die Slings und geht walken. Sie lobt den verbindenden Charakter solcher Gruppentrainings: „Als neue Mitarbeiterin habe ich damals direkt auf der sportlichen Ebene Kollegen kennenlernt. Das war sehr locker.“

Fünf Meter links von Bley hat sich Jens Henrik Durst gerade auf der Hantelbank aufgerichtet. Der Elektroingenieur ist in der Automation zuständig für die Hauptantriebe der Kautschukmaschinen und hält sich augenscheinlich ausgesprochen fit. „Ich hatte mit 30 einen Bandscheibenvorfall und bin seitdem immer aktiv gewesen“, erzählt er. Sollte es mal zwicken am Rücken, kriegt er einen Termin beim Physiotherapeuten, ohne Wartezeiten und für 30 Minuten, nicht nur die üblichen 20 Minuten, die es auf Kassenrezept gibt. Durst erlebt in seiner Abteilung das rasche Wachstum der HF Mixing Group, den steigenden Fachkräftebedarf und was das für die Außendarstellung eines Arbeitgebers bedeutet: „Ich finde sowas wie das ‚STARK‘ superwichtig. Ich bin seit 16 Jahren im Unternehmen, in der Automation war ich damals Mitarbeiter Nummer 13. Heute sind wir 60. Wir können die ganzen Leute gar nicht mehr aus dem Siegerland rekrutieren. Wir haben Leute aus Gummersbach, aus Köln. Denen muss man etwas bieten.“

Auch Geschäftsführer Limper betont diese Wachstumsgeschichte. Seit seinem Einstieg 2001 ist der Gruppenumsatz von 30 auf 270 Millionen Euro gestiegen, Akquisitionen eingerechnet. Alleine am Standort Freudenberg ist der Umsatz heute 400 Prozent höher. „Die größten Steigerungsraten haben wir derzeit im Bereich Automation der Maschinenstraßen, zwischen 15 und 25 Prozent sind das pro Jahr.“ Und wieder schließt sich der Kreis: Automation erfordert höher qualifizierte Fachkräfte, die attraktive Bedingungen einfordern, weil sie sich ihr Unternehmen inzwischen aussuchen können.

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Der Faktor Gesundheit hat bei der HF MIXING GROUP einen hohen Stellenwert.

HF setzt beim Employer Branding, der Schaffung einer Markenidentität für einen Arbeitgeber, stark auf den Faktor Gesundheit. So bezuschusst das Unternehmen auch E-Bikes für seine Beschäftigten, der Chef selbst fährt jeden Tag damit zwischen Wohnhaus und Betrieb hin und her. Das HF-Team beim jährlichen Siegener Firmenlauf werde stetig größer, hat Limper beobachtet. Als weiteren Imagefaktor führt er die Internationalität an, inklusive der Möglichkeit zur Jobrotation zwischen den Standorten in den USA, Italien, Großbritannien und der Slowakei. Hinzu kommen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die HF durch flexible Arbeitszeitmodelle fördert, sowie eine laut Limper offene und kooperative Management- und Firmenkultur. „Wir möchten Mitarbeiter für uns gewinnen, die überall in Deutschland arbeiten könnten“, sagt der Geschäftsführer.

Eine neue Broschüre mit allen Imagefaktoren nutzt HF inzwischen fürs Recruiting. Sichtbar ist der Effekt für die Gewinnung neuer Mitarbeiter noch nicht. Allerdings zeigen sich Erfolge (auch) des Gesundheitsmanagements dort, wo es um die bestehenden Arbeitskräfte geht: „Die Kurse sind sehr gut besucht“, sagt Limper. Und nach seinem Eindruck ist das Wohlbefinden der Mitarbeiter insgesamt gestiegen. Besonders wichtig aber: „Es gab Zeiten, da hatten wir keinen Mitarbeiter, der älter als 55 war“, sagt Limper. „Das ist schlecht fürs Knowhow, wenn Sie die alten Hasen verlieren. Inzwischen ist die Struktur wesentlich breiter.“ Das kann gelingen, wenn sich alle Beteiligten reinhängen, bis der Kran rollt.

Text: Nicolas Schöneich; Fotos: Bernhard Moll

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