Ein Tarifabschluss mit Licht und Schatten – Forderungen in Sachen Altersteilzeit und Weiterbildung wurden abgewehrt

tarifabschluss2015„Der Tarifabschluss, der jetzt für die Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie in Nordrhein-Westfalen vereinbart wurde, ist ein Abschluss mit Licht und Schatten. Während die völlig überzogenen Forderungen der IG Metall in Sachen Altersteilzeit und Weiterbildung weitestgehend abgewehrt werden konnten, stellt die Anhebung der Entgelte um 3,4 Prozent einen schmerzhaften Kompromiss dar, der für viele unserer Mitgliedsunternehmen an die Grenze der Belastung geht.“ So bewertet Dr. Thorsten Doublet, Geschäftsführer des VdSM Verband der Siegerländer Metallindustriellen e.V., das Ergebnis der Tarifrunde 2015.

„Bei den qualitativen Themen Altersteilzeit und Weiterbildung haben wir mit einer zeitgemäßen und für beide Seiten vertretbaren Lösung unsere Kernziele nahezu vollständig erreicht“, so Dr. Doublet weiter. Die Altersteilzeit ist modernisiert und an die Vorgaben des Gesetzgebers angepasst worden. In Sachen Weiterbildung konnten Modelle entwickelt und vereinbart werden, die für die Unternehmen weder zu einer höheren Kostenbelastung noch zu zusätzlichen Zwängen oder Verpflichtungen führen. „Die unternehmerische Freiheit bleibt damit gewahrt. Auch künftig kann Weiterbildung ohne Ansprüche auf Zuschüsse, ohne individuelle  Ansprüche auf persönliche Weiterbildung und ohne erweiterte Mitbestimmung des Betriebsrates organisiert werden. Bei der Altersteilzeit gibt es – anders als von der IG Metall gewünscht – keine Ausweitung und damit keine Kostensteigerung. Beides hatte aber seinen Preis. Das Lohnplus von 3,4 Prozent ist eine bittere Pille, die nur deshalb geschluckt wurde, um einen drohenden Arbeitskampf zu verhindern, der für die Unternehmen weitaus teurer geworden wäre. Wir können nur hoffen, dass die zuletzt wieder besseren Konjunkturprognosen auch wirklich eintreten.“

Die vereinbarte Anhebung der Entgelte um 3,4 Prozent zum 1. April 2015 und die Einmalzahlung von 150 Euro im März führen 2015 in der Summe zu einem tatsächlichen Lohnplus von knapp 3,6 Prozent. „Bei einer erwarteten Inflation von 0,3 Prozent für 2015 bleibt für die Beschäftigten also deutlich mehr Geld in der Tasche übrig. Bei einem durchschnittlichen Jahresverdienst von mehr als 47.000 Euro sind das etwa 1.500 Euro zusätzlich. Die Kehrseite dieser aus der Sicht der Beschäftigten erfreulichen Entwicklung sind aber die daraus resultierenden hohen Kostenbelastungen für die Unternehmen. „Wir haben in Siegen-Wittgenstein viele kleine und mittlere Unternehmen mit einem hohen Personalkostenanteil. Hinzu kommen die Unternehmen, denen es derzeit aufgrund der schwächelnden Weltkonjunktur und der Folgen der wachsenden politischen Krisensituationen wirtschaftlich nicht so gut geht. Für diese Betriebe wird die Umsetzung der vereinbarten Entgelt­anhebung eine große Herausforderung sein.“

Der VdSM-Geschäftsführer warnte auch davor, Tarifrunden weiterhin mit zu vielen Themen zu überfrachten und die Unternehmen zugleich mit hohen Entgeltforderungen immer wieder an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit zu treiben. „Unsere Mitgliedsunternehmen bringen für eine solche Tarifpolitik der Gewerkschaft kaum noch Verständnis auf.“ Gleichzeitig werde es immer schwieriger, Weltklasse-Vergütungen dieser Größenordnung auf den Märkten der Welt zu verdienen. Nach wie vor stehe der Flächentarifvertrag aber für Mindestbedingungen. „Diese Lesart fällt für die deutsche Metall- und Elektroindustrie allerdings zunehmend schwerer“, betonte Dr. Doublet.

Der Tarifabschluss für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen im Überblick

1. Entgelt

– Erhöhung der Entgelte um 3,4 Prozent zum 1. April 2015

– Für die Monate Januar bis März 2015: Einmalzahlung von
150,- Euro,

– Gesamtlaufzeit 15 Monate bis zum 31. März 2016.

 2. Altersteilzeit

– Neuer Tarifvertrag zur Altersteilzeit (Tarifvertrag zum flexiblen Übergang in die Rente/TV FlexÜ) wird bis zum 31. Dezember 2021 in Kraft gesetzt,

– Finanzierungsvolumen wie bisher 0,8 Prozent der Entgeltsumme, je zur Hälfte von Arbeitnehmern und Arbeitgebern erbracht,

– Kein Verwendungs- und Ausschüttungszwang für nicht ausgeschöpfte ATZ-Mittel für andere Zwecke (z.B. Weiterbildung)

– Wie bisher: Auf Basis freiwilliger Betriebsvereinbarung jedoch Umlenkung von ATZ-Mitteln (und Ablösung von ATZ-Ansprüchen) in andere Zwecke für eine demografieorientierte Personalpolitik möglich (z.B. Förderung von persönlicher Weiterbildung oder zusätzliche Ausbildungsplätze),

– Weiterhin Ansprüche für bis zu 4 Prozent der Beschäftigten, aber stärkerer Fokus auf die „besonders Belasteten“ (Ansprüche bis zu 3 Prozent statt bisher 2,5 Prozent) und geringere allgemeine Ansprüche für nicht besonders Belastete (maximal 2 Prozent statt bisher 2,5 Prozent),

– Begrenzung der allgemeinen Ansprüche auf 1,5 Prozent möglich, wenn Arbeitgeber verbindliches Angebot zur Verwendung der frei werdenden Mittel (z.B. für Weiterbildung) macht,

– Anspruch für besonders Belastete auf fünf Jahre ATZ, frühestens ab 58 (bisher: 6 Jahre, frühestens ab 57),

– Anspruch für nicht besonders Belastete auf maximal vier Jahre ATZ, frühestens ab 61 und unmittelbar vor ungeminderter Altersrente (wie bisher, damit dynamische Anpassung des frühesten Beginns der Anhebung des Rentenalters von 63 auf 65 und von 65 auf 67),

– Umstellung der Aufstockungsberechnung auf Bruttoaufstockungsmodell (vereinfachte Berechnung für die Betriebe),

– Attraktivere Ausgestaltung der Aufstockung für untere Entgeltgruppen (bei Kostenneutralität insgesamt).

 3. Bildung:

– Neuer Tarifvertrag Bildung (TV B) für Nordrhein-Westfalen bis zum 31. Dezember 2019,

– Kein Anspruch auf finanzielle Förderung persönlicher Weiterbildung durch den Arbeitgeber,

– Möglichkeit der finanziellen Förderung einer persönlichen Weiterbildung nur auf Basis einer freiwilligen Betriebsvereinbarung,

– Möglichkeit der Einrichtung eines persönlichen Bildungskontos, auf dem Arbeitnehmer für künftige Freistellung für persönliche Weiterbildung Zeit und Geld ansparen kann,

– Keine Ausweitung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats,

– Dauer der Bildungsvereinbarung auf höchstens sieben Jahre begrenzt.

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