„Man glaubt, man ist im falschen Film“

Die IG Metall versucht einmal mehr, ihre Forderungen in der laufenden Tarifrunde mit massivem Druck durchzusetzen. Das, was in normalen Zeiten schon für viele Beobachter kaum noch nachvollziehbar ist, sorgt in der aktuellen Situation nur noch für Kopfschütteln. Warnstreiks im Corona-Lockdown erfordern ein hohes Maß an Einfallsreichtum. Das sei der Gewerkschaft zugestanden. Aber auch wenn sich die Warnstreikenden in ihren Fahrzeugen in einem Autokino-Format treffen, wie heute in Siegen, werden die Forderungen im Umfeld einer pandemiegeschwächten Wirtschaft keineswegs besser.

Die wesentlichen Forderungen der IG Metall in der laufenden Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie lauten ja im Wesentlichen wie folgt: eine Entgeltvolumensteigerung von vier Prozent, eine Verkürzung der Arbeitszeit auf eine Vier-Tage-Woche bei Bedarf mit Teilentgeltausgleich, mehr Mitsprache bei unternehmerischen Entscheidungen in Sachen Transformation. Das Motto, unter dem die Forderungen stehen, lautet: „Beschäftigungssicherung“. Dazu hat der erste Vorsitzende der IG Metall, Jörg Hofmann, erklärt: „Die IG Metall strebt einen tariflichen Rahmen an, der ein Entgeltvolumen umfasst, das zur Erhöhung der Einkommen und in Betrieben mit Beschäftigungsproblemen zum Ausgleich von Einkommensverlusten beiträgt, wenn dort Arbeitszeit reduziert wird, etwa in Form der 4-Tage-Woche“.

Wie man allerdings mit einer solchen Kostensteigerung in Betrieben mit Beschäftigungsproblemen die Beschäftigung dauerhaft sichern will, erschließt sich möglicherweise nur einem geschulten Gewerkschaftsfunktionär. Schließlich sind Beschäftigungsprobleme in der Regel die Folge von wirtschaftlichen Problemen und die werden mit Sicherheit nicht besser, in dem man die Betriebskosten zusätzlich in die Höhe treibt und die wirtschaftlichen Probleme damit noch weiter verschärft.

Nicht nur die Corona-Pandemie und der inzwischen seit Monaten anhaltende Lock-Down haben viele Unternehmen hart getroffen. Aufträge blieben aus. Erträge brachen ein. Viele Betriebe konnten nur durch das Instrument der Kurzarbeit ihre Beschäftigten halten. Das ist die aktuelle Lage in weiten Teilen der Metall- und Elektroindustrie, auch in Siegen-Wittgenstein. Dabei ist auch noch zu berücksichtigen, dass die Unternehmen bereits aus einer konjunkturellen Schwächephase in die Krise hinein gerutscht sind.

Eigentlich sollten die Tarifparteien jetzt alles dafür tun, den Unternehmen bei der Bewältigung ihrer Probleme zu helfen. Das scheint aber für die IG Metall offensichtlich nicht von Bedeutung zu sein. Vielmehr will die Gewerkschaft unter anderem auch ihren Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen vergrößern, um so die Auswirkungen der digitalen Transformation für ihre Mitglieder so gering wie möglich zu halten. Eine Gewerkschaft ist aber nicht dazu da, um unternehmerische Entscheidungen zu treffen. Das hat in der Vergangenheit nicht funktioniert und wird auch in Zukunft nicht funktionieren.

Fazit: Anstatt ihrer Verantwortung als Tarifpartner gerecht zu werden, lässt die IG Metall wieder einmal ihre Muskeln spielen, mit langer Vorankündigung und medienwirksam. Es wäre für die größte deutsche Einzelgewerkschaft in der aktuellen Situation möglicherweise erfolgversprechender, wenn sie gemeinsam mit der Arbeitgeberseite einen wirtschaftlich vernünftigen und dann auch tatsächlich beschäftigungssichernden Tarifvertrag aushandeln und abschließen würde. Das brächte Anerkennung in der Gesellschaft und mit Sicherheit auch neue Mitglieder. Aber von dieser Erkenntnis ist zumindest die IG Metall-Spitze in Frankfurt derzeit noch meilenweit entfernt.

Ho

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