Leo ante portas: Wie IT Tieren und Menschen hilft

WissenschaftlerInnen der Universität Siegen haben in Botswana mit der Naturschutzorganisation „CLAWS Conservancy“ ein weltweit einzigartiges Warnsystem entwickelt, um Löwen und Rinder zu schützen. Knapp zwei Jahre nach dem Projektstart ziehen sie eine positive Bilanz. (Foto: Florian Weise)

Wenn ein Viehhalter im Okavango-Delta eine SMS bekommt, in der ein Löwe abgebildet ist, muss er schnell seine Rinder in Sicherheit bringen. Denn ein Rudel Löwen ist im Anmarsch. Etwa 1.200 Löwen leben in der Region in Botswana, rund 70 Tiere an der nördlichen Grenze direkt am Rande des UNESCO-Weltnaturerbes. Immer wieder wurden in den vergangenen Jahren Löwen erschossen oder vergiftet, weil sie die frei umherlaufenden Rinder der Einheimischen angriffen und auch eine Gefahr für die Menschen darstellten. Mittlerweile hat sich die Situation jedoch deutlich entspannt, heute werden in der Region nur noch sehr selten Löwen getötet. Grund ist ein einzigartiges Löwen-Warnsystem, das WissenschaftlerInnen der Universität Siegen in den vergangenen zwei Jahren zusammen mit ForscherInnen der Naturschutzorganisation „CLAWS Conservancy“ entwickelt haben.

Das System warnt Viehhalter rechtzeitig, wenn Löwen den Rindern zu nahekommen. Auf diese Weise schützt es neben den Rindern auch die Löwen selbst, erklärt Dr. Helmut Hauptmeier von der „iSchool“ (School of Media and Information) der Universität Siegen „Unser System konnte dafür sorgen, dass die Einheimischen den Löwen gegenüber positiver eingestellt sind. Es mildert den Konflikt ab, sodass Menschen und Löwen friedlich miteinander leben können“, freut sich Hauptmeier.

Seit es die Warn-SMS gibt, wurden etwa 50 Prozent weniger Rinder von den Löwen getötet. Zuvor waren in eineinhalb Jahren mehr als 220 Fälle gezählt worden, in denen Löwen freilaufende Rinder angegriffen hatten. Damit das System funktioniert, haben Biologen der „CLAWS Conservancy“ Löwen-Rudel mit GPS-Sendern ausgestattet. Anhand der Daten der Tiere können die WissenschaftlerInnen eine kritische Linie festlegen, entlang derer Begegnungen zwischen Löwen und Rindern wahrscheinlich sind. Nähert sich ein Löwe diesem virtuellen Zaun, dem so genannten Geofence, wird automatisch eine SMS verschickt.

Anfangs musste ein Forscher der „CLAWS Conservancy“ noch die GPS-Daten abrufen und den genauen Ort auf einer Karte bestimmen. „Das war oft mitten in der Nacht der Fall“, erklärt Konstantin Aal, Wirtschaftsinformatiker der Uni Siegen. Dann musste ein Übersetzer geweckt werden, damit die Viehhalter angerufen werden konnten. „Das war auf Dauer viel zu umständlich. Deshalb haben wir das System zusammen mit den DorfbewohnerInnen weiterentwickelt“, sagt Aal. Jetzt sendet das System die SMS automatisch direkt an die betroffenen Viehhalter.

Die Viehzüchter werden in Landessprache gewarnt.

Die Nachrichten beinhalten eine Warnung in der Landessprache Setswanisch – und es ist ein Löwe abgebildet. „Wichtig war, dass die SMS in mehreren Formaten und Designs zur Verfügung stehen, da unser Alarmsystem unterschiedliche Empfänger hat, darunter auch Menschen, die weder lesen noch schreiben können“, sagt Löwenforscher Dr. Florian Weise von der CLAWS Conservancy. 120 Viehhalter bekommen die SMS mittlerweile, etwa 30 bis 40 Kurznachrichten werden pro Monat verschickt. Wo genau sich die Löwen befinden, wird darin aber nicht mitgeteilt „Wir wollen nicht, dass sie angegriffen werden“, erklärt Konstantin Aal. „Wenn ein Viehhalter eine SMS bekommt, weiß er aber, dass seine Rinder gefährdet sind.“

In dem Projekt geht es aber nicht nur darum, den DorfbewohnerInnen technisch zu helfen. In Workshops zeigen die ForscherInnen ihnen auch, wie man Gatter so baut, dass die Löwen sie nicht überwinden können. Außerdem möchten sie ein neues Konzept des Rinderhütens vermitteln, bei dem mehrere Herden zusammengeschlossen werden und abwechselnd ein Hirte dabei ist, der im Notfall auch angreifende Löwen verscheuchen könnte.

Damit das Warnsystem auch wirklich vor allen Löwen warnen kann, sollen künftig noch mehr Tiere einen GPS-Sender bekommen. Die Biologen der „CLAWS Conservancy“ sind dafür zuständig. Dazu wird jeweils ein Tier eines Rudels betäubt und bekommt ein Halsband mit einem integrierten GPS-Sender umgelegt. Alle zwei Stunden sendet der über Satellit ein Signal, das verrät, wo sich die Löwen gerade aufhalten. „Die GPS-Halsbänder stören die Löwen nicht. Wenn die Batterie nach etwa drei Jahren leer ist, fallen die Halsbänder einfach ab“, erklärt Hauptmeier.

Das Warnsystem soll in Zukunft nicht nur für die Löwen in Botswana genutzt werden. Die ForscherInnen der Uni Siegen haben mit den WissenschaftlerInnen der CLAWS Conservancy schon Ideen für weitere Anwendungen entwickelt: Die Technik könnte etwa zum Schutz von Wölfen im amerikanischen Westen eingesetzt werden oder für den tasmanischen Teufel, einen Raubbeutler, der heute nur noch in Tasmanien vorkommt. Über ihre Arbeit im Okovango-Delta haben die WissenschaftlerInnen jetzt einen Artikel in der internationalen Fachzeitschrift „Frontiers in Ecology and Evolution“ veröffentlicht:
https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fevo.2018.00242/full

Text: Sonja Riedel

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