Erstmals mehr Ausbildungsstellen als Bewerber

Die Ausbildungsmarkt-Bilanz der Agentur für Arbeit Siegen für das Ausbildungsjahr 2014/15 fällt eindeutig aus: Erstmals überstieg im Agenturbezirk die Zahl der Ausbildungsstellen die Zahl der Bewerber. „Der demographische Wandel spiegelt sich dieses Jahr eindeutig in unserer Ausbildungsbilanz wieder. Und das ist erst der Anfang, denn in den nächsten Jahren wird die Zahl der Schulabgänger weiter sinken“, verdeutlicht Dr. Bettina Wolf, Vorsitzende der Geschäftsführung der Arbeitsagentur.

Seit Beginn des Berichtsjahres – es geht von Oktober bis September – hat die Berufsberatung der heimischen Agentur 3.336 Bewerberinnen und Bewerber beraten. Das sind 304 oder 8,4 Prozent weniger als noch im letzten Jahr. Seit 2010 ist die Zahl der Bewerber sogar um 18 Prozent gefallen. „Dieser deutliche Rückgang hat sich schon im Frühsommer abgezeichnet“, berichtet Dr. Wolf, doch sinkende Bewerberzahlen seien eine logische Konsequenz aus den sinkenden Schülerzahlen. Noch ohne Ausbildungsstelle waren im September 128 Bewerber, fünf mehr als im letzten Jahr.

Die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen stieg deutlich um 17,3 Prozent auf 3.435 Stellen. Das sind 507 Stellen mehr als im Ausbildungsjahr 2013/14. Im September waren noch 85 Stellen frei. Das seien zwar 29 weniger als im letzten Jahr, doch insgesamt falle es den Unternehmen immer schwerer, ihre Ausbildungsstellen mit passenden Bewerbern zu besetzen, erläutert Dr. Wolf. Darum würden immer mehr Betriebe ihre Stellen auch bei der Arbeitsagentur melden. Sie ruft die Betriebe auf, dies möglichst früh zu tun: „Nur so können wir sie gezielt und rechtzeitig bei ihrer Bewerbersuche unterstützen.“

In der Einzelbetrachtung unterscheiden sich die beiden Kreise im Agenturbezirk zwar, doch die Richtung ist bei beiden gleich. „In Siegen-Wittgenstein gibt es zwar noch etwas mehr Bewerber als Ausbildungsstellen, doch der Trend zeigt auch hier in Richtung Ausbildungsplatz-Überhang. Im Kreis Olpe ist die Entwicklung zum Bewerbermarkt bereits vollzogen“, analysiert Dr. Wolf. So ist im Kreis Siegen-Wittgenstein die Zahl der Bewerber um 6 Prozent oder 145 Bewerber auf 2.277 gesunken. Die Betriebe hingegen meldeten mit 1.898 Ausbildungsstellen 15,7 Prozent oder 258 Stellen mehr als im letzten Jahr. In Olpe konnten im abgelaufen Ausbildungsjahr 1.059 Bewerber aus 1.573 Ausbildungsstellen auswählen. Das sind 249 oder 19,3 Prozent Ausbildungsstellen mehr, aber 13,1 Prozent oder 159 Bewerber weniger als im letzten Jahr.

„Unser Ziel ist es, möglichst viele junge Menschen in den Ausbildungsmarkt zu integrieren. Gleichzeitig müssen die Jugendlichen ihre Chancen nutzen und sich auch in Nachbarorten und Kreisen nach einer Ausbildung umsehen“, betont Dr. Bettina Wolf. Gerade im Hinblick auf die unbesetzten Ausbildungsplätze müsse die Region noch stärker als bisher daran arbeiten, möglichst jedem Jugendlichen ein Angebot zu machen. „Natürlich sind die Voraussetzungen, die die jungen Menschen für eine Ausbildung mitbringen, unterschiedlich. Aber wir können es uns nicht mehr leisten, einen Teil der jungen Männer und Frauen mit dem Stempel der „Ausbildungsunreife“ zu ignorieren“, appellierte Dr. Bettina Wolf an die Ausbildungsbetriebe. Um auch schwächeren Jugendlichen eine Chance zu geben, habe die Arbeitsagentur eine Fülle von Förderinstrumenten, die Betriebe und Auszubildende nutzen können, damit die Ausbildung erfolgreich begonnen und abgeschlossen wird. „Wir bieten kostenlose Nachhilfe an, unterstützen mit der Assistierten Ausbildung, ermöglichen Langzeitpraktika und finanzieren berufsvorbereitende Maßnahmen“, zählt Dr. Wolf einige Hilfsinstrumente auf: „Ich lade unsere Betriebe ganz herzlich ein, diese Angebote noch stärker als bisher zu nutzen.“

Während in der heimischen Region bereits mehr Stellen als Bewerber gemeldet sind, ist dies noch längst kein landesweiter Trend. Im Bezirk der Arbeitsagentur Solingen-Wuppertal suchen beispielsweise noch rund 300 Bewerber eine Ausbildung. Darum möchte die IHK Siegen gemeinsam mit den beiden Arbeitsagenturen im kommenden Jahr Wuppertaler Jugendliche für eine gewerblich-technische Ausbildung im Kreis Olpe gewinnen. „Gemeinsam mit den Unternehmen möchten wir nicht nur Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen, sondern auch Wohnungen mit festen Ansprechpartnern für die minderjährigen Jugendlichen, damit der Auszug aus dem Elternhaus leichter fällt“, erläutert Klaus Fenster, Geschäftsführer für den Bereich berufliche Bildung bei der IHK Siegen, die laufenden Planungen.

Eine größere Mobilität unter den Jugendlichen sei aber nur ein Baustein bei der Fachkräftesicherung in der Region, macht Dr. Bettina Wolf auf ein weiteres Thema aufmerksam: „Die große Zahl junger humanitärer Zuwanderer ist eine große Chance für den heimischen Arbeitsmarkt. Darum investieren wir in Sprachkurse und in die Berufsvorbereitung.“ Gemeinsam mit der Kreishandwerkerschaft hofft sie darauf, dass vielleicht schon im nächsten Jahr die ersten Flüchtlinge im Handwerk eine Ausbildung beginnen können. „Die Handwerksbetriebe sind gerne bereit, die Eignung der jungen Zuwanderer über ein Praktikum zu testen und ihnen, wenn es passt, eine Ausbildung anzubieten. Wichtig ist jedoch, dass sie die deutsche Sprache beherrschen“, stellt Jürgen Haßler, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, fest.

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