Sichere Trinkwasserversorgung in Zeiten des Klimawandels

Der Landesentwicklungsplan NRW enthält mögliche Standorte für zwei weitere Trinkwassertalsperren in Siegen-Wittgenstein.

Was kann die Region tun, damit auch unsere Kinder und Enkelkinder in einigen Jahrzehnten noch ausreichend Trinkwasser haben werden? Könnten im Kreis Siegen-Wittgenstein ein oder zwei weitere Trinkwassertalsperren gebaut werden? Eventuell auch zur Energiegewinnung und für eine Sport- und Freizeitnutzung? Diese Fragen möchte die Kreisverwaltung untersuchen lassen und schlägt vor, im ersten Schritt eine Vorstudie für eine Machbarkeitsstudie für neue Talsperren vom Forschungsinstitut Wasser und Umwelt der Universität Siegen erstellen zu lassen.

Zwei mögliche Standorte sollen neu bewertet werden. Diese sind bereits im aktuellen Regionalplan von 2008 enthalten: die Truftetalsperre auf dem Gebiet der Stadt Bad Berleburg und die Elberndorftalsperre im Bereich der Gemeinde Erndtebrück und der Stadt Hilchenbach. Der Ausschuss für Wirtschaft und Regionalentwicklung wird sich in seiner Sitzung am 21. November erstmals mit einer entsprechenden Vorlage der Kreisverwaltung beschäftigen. „Dabei möchte ich betonen, dass es zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt keine Vorfestlegungen gibt“, unterstreicht Landrat Andreas Müller: „Alle Untersuchungen und Überlegungen sind völlig ergebnisoffen.“

Dass die Kreisverwaltung diese Frage gerade jetzt auf die Tagesordnung setzt, ist nicht zuletzt auch dem Rekordsommer 2018 zu verdanken. In Sachen Dürre und Anzahl der Sommer- und Hitzetage hat dieser sogar dem bisherigen Rekordsommer von 2003 den Rang abgelaufen. Über viele Monate hat es in weiten Teilen des Bundesgebietes wenig bis gar nicht geregnet. Im August waren 90 Prozent der Fläche Deutschlands von einer Dürre betroffen. Die Trinkwasserversorgung war jedoch zum Glück jederzeit gesichert – auch bei uns in Siegen-Wittgenstein: Obernau- und Breitenbachtalsperre sind nach wie vor gut gefüllt.

Doch nicht nur dieser Sommer macht deutlich: der Klimawandel hat eingesetzt und seine Auswirkungen sind Jahr für Jahr immer deutlicher zu spüren. „In dieser Situation sind Politik und Verwaltung gefordert, frühzeitig Konzepte zu entwickeln, um mittelfristig für die Bewältigung der Folgen des Klimawandels gut aufgestellt zu sein“, sagt der Landrat: „Würden wir mit solchen Planungen erst beginnen, wenn z.B. unsere Talsperren absehbar leer laufen, wäre es zu spät, um noch reagieren zu können.“

Deshalb schlägt die Kreisverwaltung jetzt vor, sich erstmals wieder ernsthaft mit der Frage auseinanderzusetzen, ob weitere Trinkwassertalsperren in Siegen-Wittgenstein errichtet werden können. „Diese Überlegungen sind grundsätzlich nicht neu“, erläutert der zuständige Bau- und Umweltdezernent Arno Wied: „Schon 1931 hat man vor dem Hintergrund des Bevölkerungswachstums und der aufstrebenden Wirtschaft erstmals intensiv über Trinkwassertalsperren für die Region nachgedacht.“ Umgesetzt wurden die Pläne aber erst in der Nachkriegszeit. In den Jahren 1953 bis 1956 entstand die Breitenbachtalsperre. Nach den extrem trockenen Jahren 1957 und 1959 begannen die Planungen für die Obernautalsperre. Diese ging 1972 in Betrieb.

Wenige Jahre später, 1979, wurde im „Perspektivplan Wasserversorgung Siegen-Wittgenstein“ die Empfehlung ausgesprochen, eine dritte „nördliche Talsperre“ zu errichten. Damals wurden insgesamt 22 Standorte untersucht. Von denen befinden sich zwei noch heute im aktuellen Regionalplan: die Truftetalsperre und die Elberndorftalsperre.

Der Anfang 2017 in Kraft getretene Landesentwicklungsplan NRW fordert nun dazu auf, die schutzbedürftigen Einzugsbereiche solch möglicher künftiger Trinkwassertalsperren zeichnerisch festzulegen und zu sichern. Da zudem aktuell der Teilplan des Regionalplanes der Bezirksregierung Arnsberg für das Gebiet des Märkischen Kreises, des Kreises Olpe und des Kreises Siegen-Wittgenstein neu aufgestellt wird, ist aus Sicht der Kreisverwaltung im Moment genau der richtige Zeitpunkt, um sich mit der Frage von ein oder zwei weiteren Trinkwassertalsperren zu beschäftigen. Im ersten Schritt schlägt die Kreisverwaltung der Politik vor, eine Vorstudie in Auftrag zu geben, um die Aspekte herauszuarbeiten, die im zweiten Schritt in einer Machbarkeitsstudie untersucht werden müssen. Die Vorstudie könnte vom Institut Wasser und Umwelt am Lehrstuhl für Hydromechanik, Binnen- und Küstenwassserbau der Uni Siegen erstellt werden.

In die Neubewertung der möglichen Standorte wird dann auch deren Eignung zur Energieerzeugung und als Gewässer für Erholungs-, Sport- und Freizeitzwecke geprüft werden. Denn laut Landesentwicklungsplan sollten Oberflächengewässer nach Möglichkeiten auch diesen Zwecken dienen, wenn dem nicht erhebliche wasserwirtschaftliche oder naturschutzfachliche Belange entgegenstehen. Gerade die Fragen des Natur- und Umweltschutzes werden bei den anstehenden Prüfungen eine wesentliche Rolle spielen, betont auch Arno Wied. „Es ist ganz klar, dass der Bau von Talsperren auf jeden Fall mit Beeinträchtigungen von Flora und Fauna verbunden wäre“, sagt der zuständige Dezernent: „Deshalb ist die Umsetzung ohnehin nur unter der Voraussetzung möglich, dass zuvor eine FFH-Ausnahmeprüfung positiv abgeschlossen wurde.“

Auch Andreas Müller macht noch einmal deutlich: „Ob wir am Ende wirklich in ein paar Jahrzehnten eine dritte oder vierte Trinkwassertalsperre in Siegen-Wittgenstein haben werden, kann heute niemand verlässlich vorhersagen. Aber vor dem Hintergrund des Klimawandels wäre es ein grober Fehler, nicht alle Optionen, die wir haben, ganz sorgfältig zu prüfen!“

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