Regeltreue und der „Ehrbare Kaufmann“

Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Carl Friedrich Gethmann sprach vor heimischen Unternehmern über Regeltreue von Unternehmen und die Anforderungen an den „Ehrbaren Kaufmann“.

Verantwortungsbewusstsein, Zielstrebigkeit und Glaubwürdigkeit – für Unternehmer gehören diese Eigenschaften zu den zentralen Bausteinen, um sich erfolgreich auf dem Markt behaupten zu können. Doch worauf kommt es noch an, wenn Entscheidungsträger miteinander verhandeln und ihre Firmen nach außen repräsentieren? Welche Rolle spielen Ehrlichkeit und Verlässlichkeit noch in einer globalisierten Welt? Mit diesen Fragen setzt sich Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Carl Friedrich Gethmann vom Forschungskolleg „Zukunft menschlich gestalten“ der Universität Siegen auseinander.

Im gut besuchten Bernhard-Weiss-Saal der Industrie- und Handelskammer Siegen (IHK) referierte der Philosoph, Mitglied des Deutschen Ethikrates, jetzt über die komplexen Anforderungen, mit denen sich Geschäftsleute vermehrt konfrontiert sehen. Unter dem Titel „Der ,Ehrbare Kaufmann‘ als Leitbild des Unternehmens?“ thematisierte Gethmann zunächst verschiedene Fehlerquellen, die Firmen im Wettbewerb besonders beachten sollten – in erster Linie Bezug nehmend auf das Thema Compliance, also die Regeltreue von Unternehmen. Sie soll dazu dienen, Haftungsrisiken zu verringern und das eigene Image zu verbessern. „Man sollte dieses Instrument jedoch nicht überzeichnen“, mahnte der Referent.

Ein Betrieb, der sich für diese Art der Selbstdarstellung entscheide, müsse es unbedingt vermeiden, allzu universale oder triviale Verhaltensregeln aufzustellen. Vielmehr solle das Unternehmen mit klaren und präzisen Formulierungen auf die eigenen Geschäfte eingehen. Der „Ehrbare Kaufmann“ wiederum, für dessen „Anstand und Sitte“ die Industrie- und Handelskammern laut §1 des IHK-Gesetzes „zu wirken“ haben, müsse bei seiner Arbeit nicht nur die Gesetze wahren, unterstrich Gethmann. Die Regeln des „sozialen Alltagsbetriebes“ seien schließlich größtenteils gar nicht gesetzlich festgelegt.

Letztlich gehe es darum, zweckgerecht und gewissenhaft wirtschaftlich zu handeln – gemäß den schon in der Antike benannten Kardinaltugenden Gerechtigkeit, Tapferkeit, Maßhalten und Klugheit. „Wer sein Unternehmen gegen Einflüsse von außen verteidigt, jedem das Seine gibt, immer die richtige Mitte findet und gleichzeitig lernt, ohne Übertreibungen und mit Übersicht zu agieren, nähert sich dem Ideal an“, fasste der Referent zusammen. Darüber hinaus seien auch sogenannte Sekundärtugenden wie Verlässlichkeit, Pünktlichkeit, Offenheit und Toleranz anzustrebende Haltungen. Niemand jedoch könne den Anspruch erheben, seine moralischen Grundsätze und seine Compliance-Gestaltung als weltweit gültigen Maßstab zu deklarieren. Aktuelle Konflikte wie in Katalonien zeigten schließlich, dass auch in einer globalisierten Welt die Sehnsucht nach regionalen Identitäten groß sei. Dennoch gebe es eine Art „universelle Minimalmoral“, die jeder Unternehmer befolgen müsse.

Vertragstreue sei für respektvolles Handeln von Unternehmen von wesentlicher Bedeutung. Beim Verhandeln von Verträgen seien bestimmte Verhaltensweisen einzuhalten. So müssten alle Partner Zugang zu den relevanten Informationen haben. Die Teilnehmer müssten die gleichen Chancen bekommen und sie sollten ihre Meinung frei bilden dürfen. Diese „Minimalmoral“ sei Grundlage für das Wirtschaften. „Ein ,Ehrbarer Kaufmann‘ sollte aber“, schloss Prof. Gethmann seinen Vortrag, „in jedem Fall und zu jeder Zeit die Regeln, die er sich auferlegt, auch dann einhalten, wenn er nicht befürchten muss, erwischt zu werden.“

IHK-Präsident Felix G. Hensel dankte dem Wissenschaftler für dessen lebhaften und praxisnahen Vortrag. Die anwesenden heimischen Unternehmer nutzten abschließend noch die Möglichkeit zur gemeinsamen Diskussion.

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