„Herrschaft auf allen relevanten Industrieebenen“

Luden zum Austausch über China und die USA: Referent Prof. Dr. Markus Taube (rechts), IHK-Außenwirtschaftsexperte Jens Brill und Isolde Gomberg von der Gesellschaft für Deutsch-Chinesische Freundschaft Siegen e.V.

„Wir müssen Chinas Wirken differenziert betrachten“, appellierte Prof. Dr. Markus Taube an seine interessierten Zuhörer im Bernhard-Weiss-Saal der Industrie- und Handelskammer Siegen. Auf Einladung der IHK und der Gesellschaft für Deutsch-Chinesische Freundschaft Siegen e.V. referierte der renommierte Sinologe und Volkswirt über die aktuellen Entwicklungen im Handelsstreit zwischen der Volksrepublik und den USA. In seinen Ausführungen plädierte er dafür, die Geschehnisse sachlich zu analysieren. Zwar lasse sich das Handeln des Staatspräsidenten Xi Jinping aus hergebrachter westlicher Perspektive nicht ohne kritische Anmerkungen bewerten. Dennoch müsse man auf der anderen Seite auch festhalten, dass die politisch-ökonomischen Aktivitäten des Landes in den vergangenen vier Dekaden beeindruckende Resultate hervorgebracht hätten.

Als exportstarke Nation sei Deutschland in besonderem Maße von dem nunmehr fast 500 Tage währenden Handelsstreit betroffen. Vor allem aber sorgten sich die Vereinigten Staaten um die Position als unangefochtener Treiber im Weltgeschehen. „Die Geschichte der letzten 2000 Jahre zeigt, dass drei Viertel ähnlicher Konstellationen letztlich in militärischen Auseinandersetzungen endeten“, mahnte Markus Taube. Zweifelsfrei sei die Frage des Machtgefüges zwischen den USA und China die vorrangige strategische Richtungsweisung des 21. Jahrhunderts. Wer nun aber eine Prognose über den Ausgang anstelle, liege ziemlich sicher falsch: „Es ist zum jetzigen Zeitpunkt alles noch Kaffeesatzleserei.“ Fakt sei, dass die Volksrepublik durch das im Fachjargon „Nachholendes Wachstum“ genannte Vorgehen frühere Defizite kompensiert habe. Dem Staat sei es gelungen, durch Akribie und ein über viele Branchen hinweg klug durchdachtes Adaptieren funktionierender Technologie-, Arbeitsmarktordnungs- und Sozialsysteme zu einer wirtschaftlich prägenden Kraft zu avancieren.

Jetzt bedürfe es für China aber einer grundlegenden Neuausrichtung, um weiterhin aufsteigen zu können. Die größte Hoffnung der staatlichen Führung bestehe in dem enormen Potenzial, das die Digitalisierung bereithalte. Während die Entwicklung rund um die Industrie 4.0 und die Künstliche Intelligenz (KI) in Europa bisweilen mit Angst verfolgt werde, stelle der technologische Wandel aus Sicht Chinas vor allem eines dar: eine gigantische Chance, neue Möglichkeiten zu generieren und sich von der internationalen Konkurrenz abzuheben. China strebe danach, spätestens im Jahr 2030 das globale KI-Zentrum zu sein. „Etwa 15 Jahre später will das Land die komplette Herrschaft auf allen relevanten Industrieebenen innehaben“, konstatierte Markus Taube. Der wichtigste Baustein, um im Kontext der Digitalisierung die gewünschten Maßstäbe zu setzen, fehle der Volksrepublik jedoch: „Sie ist in der Halbleitertechnik mindestens zwei Generationen im Rückstand. Und genau an dieser Stelle kommt Donald Trump ins Spiel.“ Der US-Präsident ziele darauf ab, Chinas Wachstum durch die Exportverbote im Bereich der Chip-Technologie auszubremsen. Zu seinen konkreten Maßnahmen zählten zudem neben den verhängten Zöllen auf Importe aus China und dem Technologie-Lieferstopp an Unternehmen aus der Volksrepublik beispielsweise restriktivere Genehmigungsprozesse für chinesische Direktinvestitionen in den USA. Auch Sekundärsanktionen gegen Drittparteien im internationalen Handel, wie zum Beispiel deutsche Unternehmen, setze Trump bewusst ein. China wiederum leite Ausweichmanöver wie intensivierte Freihandelsabkommen mit anderen Staaten ein. Ferner initiiere die Führung Vergeltungsmaßnahmen, darunter formale WTO-Beschwerden und eine verstärkte Exportförderung durch staatliche Agenturen. Informelle Gegenschläge wie erhöhte bürokratische Hindernisse für US-Investoren oder die Torpedierung diplomatischer Initiativen befänden sich ebenfalls auf der Agenda. In jedem Fall werde China massive Anstrengungen zur Stärkung seiner nationalen Technologie-Kompetenz in Schlüsselindustrien vornehmen. Entscheidende Bedeutung werde dabei der Frage zukommen, ob sich das Land in Bezug auf die Halbleitertechnik von den USA emanzipieren könne.

Bild und Infos: IHK Siegen

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