„Die GroKo kann nicht scheitern …“

Im Bild (von links): Dr. Thorsten Doublet, Geschäftsführer der Unternehmerschaft Siegen-Wittgenstein, Gabor Steingart, Dipl.-Ing. Jörg Dienenthal, Vorsitzender der Unternehmerschaft Siegen-Wittgenstein.

Gabor Steingart zählt zweifellos zu den profiliertesten Wirtschaftsjournalisten in Deutschland. Mit spitzer Feder und kritischem Blick begleitet und kommentiert er die politische und wirtschaftliche Entwicklung, so auch in seinem Vortrag in Siegen. Auf Einladung der Unternehmerschaft Siegen-Wittgenstein sprach er jetzt vor mehr als 150 interessierten Zuhörerinnen und Zuhörern im Haus der Siegerländer Wirtschaft in Siegen zu dem Thema: „Und täglich grüßt die GroKo – was Deutschland in den kommenden Jahren erwartet“.

„Eigentlich kann die GroKo nicht scheitern, weil sie sich nichts vorgenommen hat“, postulierte Gabor Steingart gleich zu Beginn  seines Vortrages. Was derzeit in Berlin betrieben werde, sei eine Placebopolitik, ohne Ideen und Ambitionen. „Das Gute zu wollen reicht in der heutigen Zeit nicht mehr aus, man muss es auch tun. Wir sind ein Land ohne Ideen. Das gilt insbesondere in Bezug auf eine notwendige Steuerreform, die Digitalisierung und die Integration von Flüchtlingen“, so Steingart weiter. Die Veränderung der Wahrnehmung der Wirklichkeit sei das eigentliche Ziel der aktuellen Politik und nicht die Veränderung selber.

Christian Lindner, der Vorsitzende der FDP, habe dieser Ambitionslosigkeit bei den Jamaika-Gesprächen ins Auge geblickt und die richtigen Konsequenzen daraus gezogen. „Wir erleben derzeit eine große Entschleunigung der Politik in unserem Land. Das liegt auch an der geringen Fluktuation der verantwortlichen Politiker. Egal was und wen wir wählen, wir haben es stets mit den gleichen Personen zu tun. Das gilt übrigens auch für die Europäische Union und ihre Institutionen.“

Warum geht es uns aber trotzdem gut? Diese Frage beantwortete der ehemalige Herausgeber des Handelsblattes mit dem Hinweis auf den deutschen Mittelstand. Trotz aller durch die Politik verursachten Probleme, er nannte in diesem Zusammenhang unter anderem die Energiewende, sei es dem Mittelstand gelungen, relativ unbeeindruckt davon wirtschaftlich erfolgreich zu bleiben. Allerdings gebe es für die Zukunft erhebliche Risiken, beispielsweise die weltweit enorm zugenommene Staatsverschuldung. Sie liege derzeit bei mehr als 200 Billionen Euro und entwickle sich zu einer ernsten Bedrohung des Weltfinanzsystems.

Die zweite Herausforderung der kommenden Jahre sei China. Die wirtschaftliche Entwicklung dort sei enorm, werde aber in Deutschland immer noch nicht richtig eingeordnet. Durch die vermehrten Investitionen aus China in deutsche Schlüsselindustrien verändere sich mittel- und langfristig auch die Eigentümerstruktur. „Deutschland hat bislang weder eine China- noch eine Asienpolitik, die auf diese Entwicklungen angemessen reagieren könnte“, analysierte Gabro Steingart.

Auch in Sachen Digitalisierung spiele die Musik schon längst nicht mehr in Deutschland. Allein die drei größten amerikanischen Unternehmen aus dem Silikon Valley seien inzwischen wertvoller als alle DAX-Konzerne zusammen genommen. Auch im Medienbereich nehme Deutschland nur noch eine Statistenrolle ein. „Bei uns wird nichts so sehr gepflegt wie die Funklöcher“, merkte er sarkastisch an. Deutschland sei hier nicht gut aufgestellt. „Wir erleben einen schleichenden Substanzverlust, dem wir unbedingt Einhalt gebieten müssen.“

Um das zu erreichen seien nicht zuletzt erhebliche Investitionen in unser Bildungssystem erforderlich. Das sei schon lange nicht mehr leistungsfähig genug, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern. „Wir waren auf diesem Gebiet einmal erstklassig, sind es aber schon lange nicht mehr.“

Schließlich äußerte er sich auch kritisch in Hinblick auf den Zustand der Demokratie in der Bundesrepublik. Die Politik in Deutschland habe sich zu einer Relativwelt entwickelt und wolle die Menschen eigentlich gar nicht mehr haben. Es gebe eine enorme Erstarrung in der politischen Landschaft. Rituale würden gepflegt, notwendige Impulse fehlten hingegen.

Mit Schuld daran ist nach Meinung von Gabor Steingart das Berufspolitikertum, das sich über Jahrzehnte erst in Bonn, dann in Berlin herausgebildet habe. „Wir sollten es vielleicht mal ohne Berufspolitiker versuchen und so mehr Menschen dazu bewegen, selber wieder aktiver zu werden.“

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