Datensteinbruch für attraktivere Zentren in Siegen-Wittgenstein und Olpe

Prof. Dr. Hanna Schramm-Klein (4. v. r.) hat Ergebnisse einer bundesweit einmaligen Studie zur Attraktivität von Innenstädten und Zentren für die Kreise Siegen-Wittgenstein und Olpe vorgestellt.

Einkaufen ist mit Abstand der Hauptgrund für den Besuch von Innenstädten und Zentren in den Kommunen der Kreise Siegen-Wittgenstein und Olpe. Für die allgemeine Attraktivität sind den meisten Besuchern Sicherheit und Sauberkeit sowie ausreichende und günstige Parkmöglichkeiten und die Erreichbarkeit mit dem PKW wichtig. Ambiente und „Lebendigkeit der Zentren“ landen auf hinteren Plätzen. Wichtig für das allgemeine Angebot in den Innenstädten sind vor allem das Angebot an Ärzten/Apotheken und Gesundheitseinrichtungen, die Freundlichkeit des Personals, das Einzelhandelsangebot und die Beratungskompetenz. Gerade in den drei letztgenannten Punkten fällt die Beurteilung der Zentren verglichen mit ihrer Bedeutung eher mittelprächtig aus.

Dies sind nur einige Ergebnisse des „Zentrumsmonitors 2018 für die Kreise Siegen-Wittgenstein und Olpe“, einer neuen Studie zur Attraktivität von Innenstädten und Zentren im IHK-Bezirk, die die Strategieberatung Prof. Schramm-Klein im Auftrag von Industrie- und Handelskammer Siegen (IHK) und den Arbeitsgemeinschaften der Sparkassen und Volksbanken in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe durchgeführt hat. Ziel war es, einen validen Status quo der 23 untersuchten Innenstädte/Zentren zu erhalten und zu identifizieren, was die Attraktivität der betrachteten Innenstadt ausmacht. Für den „Zentrumsmonitor 2018“ wurden von Ende April bis Mitte Juli 2018 insgesamt 4602 Personen in 23 Stadtgebieten der beiden Kreise repräsentativ befragt. Das entspricht 1,3 % der Bevölkerung.

„Der Einzelhandel in den Innenstadtlagen und Zentren der 18 Kommunen in beiden Kreisen befindet sich in schwierigem Fahrwasser. Die meisten unserer Städte und Gemeinden verzeichnen Kaufkraftabflüsse in Nachbar- oder weiter entfernte Kommunen“, erläutert IHK-Vizepräsident Jost Schneider. „Die öffentliche Diskussion ist hier vor allem durch den Online-Handel geprägt. Dabei ist häufig eine nicht hinreichende Attraktivität ausschlaggebend für die Probleme in den Zentren. Die Studie liefert nun einen umfassenden ‚Datensteinbruch‘, der Hinweise darauf gibt, wie der Weg zu attraktiveren Zentren im Einzelfall aussehen kann!“

Die Studie zeigt Bürgermeistern ebenso wie den örtlichen Werbegemeinschaften, wo Handlungsbedarfe vor Ort bestehen. „Eine Erhebung in dieser Tiefe ist bundesweit wohl einmalig. Für jedes Zentrum lässt sich auf dieser Grundlage ermitteln, wo die ‚Treiber‘ und die ‚Hemmschuhe‘ liegen, damit es von Kunden aufgesucht wird. Die Erkenntnisse sind für uns als Kreditinstitut und als Partner der Region von hohem Interesse“, unterstreicht Burkhard Braach, Vertriebsdirektor Firmenkunden und Generalbevollmächtigter der Sparkasse Siegen. Und Jens Brinkmann, Vorstand der Volksbank in Südwestfalen eG, geht auf ein weiteres herausragendes Merkmal der Untersuchung ein: „Jedes Zentrum weist spezifische Rahmenbedingungen für seine Entwicklung auf. Gleichwohl ermöglicht die einheitliche Erhebung in allen 23 untersuchten Zentren der Region eine vergleichende Gegenüberstellung, die eine präzise Positionsbestimmung des jeweiligen Standortes erlaubt. Auf dieser Grundlage Diskussionen vor Ort anzustoßen, liegt im unmittelbaren Interesse der heimischen Volksbanken.“

Bewertung von Zentren, allgemeinem Angebot und Einzelhandelsangebot
Einige weitere Ergebnisse im Detail: Durchschnittlich halten sich Passanten und Anwohner zwischen 30 Minuten und zwei Stunden in einem Zentrum auf, wobei dies je nach Standort erheblich variieren kann. Dass die Aufenthaltsdauer in Siegen-Mitte hoch ist, überrascht nicht: Das Oberzentrum konkurriert eher mit anderen Großstädten im erreichbaren Umfeld und weniger mit den übrigen Kommunen im Kammerbezirk. Interessant: Auch Bad Laasphe, Drolshagen und Erndtebrück verzeichnen bei der Aufenthaltsdauer der Besucher hohe Werte. Typischerweise werden in allen Zentren durchschnittlich weniger als 30 € pro Besuch ausgegeben. Allerdings werden die Zentren im Mittel drei bis fünf Mal im Monat aufgesucht.

Die allgemeine Beurteilung der Zentren variiert erheblich: Während das generelle innerstädtische Ambiente etwa in Freudenberg besonders positiv beurteilt wird, erhalten Hilchenbach in der Bewertung der Grünanlagen und Neunkirchen in der Einschätzung der Sicherheit besonders gute Noten. Kirchhundem wird von den Befragten ebenso wie Neunkirchen eine gute Erreichbarkeit mit dem PKW zugeordnet. Weitere untersuchte Kriterien sind die Beurteilung der Sauberkeit und des Publikums sowie die Lebendigkeit der Innenstädte. Auch mit Blick auf günstige und ausreichende Parkmöglichkeiten und die Verkehrsanbindung an den ÖPNV wurden die Passanten und Anwohner befragt. Für jede Kommune bzw. jedes Zentrum konnte so ein Profil erstellt werden, das zeigt, wo sich der Standort im Vergleich heute befindet.

Auf dieselbe Weise beurteilten die Befragten das generelle Angebot in den Zentren. Gefragt wurde nach der Attraktivität des Einzelhandelsangebotes ebenso wie nach dem Kultur- und Freizeitangebot sowie dem Gastronomie- und Dienstleistungsangebot. Auch die Einschätzungen zur Versorgung mit Ärzten/Apotheken und Angeboten der Gesundheitsbranche, die Ladenöffnungszeiten, die Attraktivität des generellen Warenangebotes, das Einkaufserlebnis, die Freundlichkeit des Personals und dessen Beratungskompetenz wurden jeweils ausgewertet. Potenziale liegen vor allem im Einzelhandel und hier besonders in den Bereichen „Spiel/Spaß/Hobby“, „Mode“ und „Unterhaltungselektronik“. Das Lebensmittelangebot in den Zentren wird generell gut bewertet.

Die Einstellung der Befragten wie auch die ‚Loyalität‘ zum jeweiligen Zentrum werden zum allergrößten Teil durch das vorhandene Einzelhandelsangebot bestimmt. Hier zeigt sich ebenfalls ein differenziertes Bild: Während beispielsweise das Modeangebot in Olpe eine gute Bewertung erhielt, liegen Siegen-Weidenau beim Angebot an Unterhaltungselektronik und Erndtebrück beim Angebot regionaler Produkte vorne. Die Wirkung des Einzelhandelsangebotes auf Einstellung und ‚Loyalität‘ zum Zentrum wird dabei massiv vom vorhandenen Modeangebot bestimmt.

Differenziertes Bild für jede Stadt/Gemeinde bzw. jedes Zentrum
Der Region steht mit dem Zentrumsmonitor aufgrund der sehr differenzierten Untersuchungsergebnisse ein einmaliges, umfassendes und strategisches Instrument für Städte, Gemeinden, Kreise, Behörden und alle anderen gesellschaftlichen Institutionen und Gruppen zur Verfügung. „Die Zentren werden nicht generell als ‚gut‘ oder ‚schlecht‘ bewertet. Vielmehr ergibt sich für jedes von ihnen ein aussagekräftiges Stärken/Schwächen-Profil. Wir haben als IHK kein Interesse daran, ‚Haltungsnoten‘ für die Kommunen zu verteilen und diese gegeneinander auszuspielen. Davon hätte niemand etwas. Im Gegenteil: Politik lässt sich dort besonders gut gestalten, wo die größten Handlungsbedarfe liegen. Jetzt ist es an den Städten und Gemeinden, den Ball in Zusammenarbeit mit den örtlichen Werbegemeinschaften aufzunehmen und die notwendigen Entwicklungsimpulse zu setzen“, stellt IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener klar.

Aus wissenschaftlicher Sicht sollten die Verantwortlichen dabei beachten: Das Kaufverhalten wird sich weiter verändern. Jüngere Menschen sind internetaffiner und wesentlich kritischer bei der Beurteilung des Zentren- und vor allem des Einzelhandelsangebotes. In Siegen-Wittgenstein und Olpe gibt es keine wesentlichen Unterschiede zwischen Stadt und Land beim Kaufverhalten. Die Menschen erwarten weitgehende „Gleichberechtigung“ in den Angeboten. „Zudem sollte man nicht der Illusion erliegen, dass eine gesteigerte Attraktivität die Onlineeinkäufe einschränkt. Im Internet wird vor allem wegen seiner hohen Zentralität eingekauft: Es bietet einen breiten und großen Zugang zu Angeboten in fast allen Kategorien“, erläutert Prof. Dr. Hanna Schramm-Klein. Dennoch: Alle Verbraucher, auch die jungen, kaufen gerne im stationären Einzelhandel ein – wenn das Angebot, insbesondere das Sortiment, stimmt.

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