Bürokratischer Mehraufwand und weniger Praktika durch Mindestlohn

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Die Einführung des Mindestlohns macht sich mittlerweile auch in der heimischen Wirtschaft bemerkbar. 51 Prozent der regionalen Betriebe beklagen bürokratischen Mehraufwand. Rund ein Drittel der Unternehmen streicht zudem die angebotenen Praktikantenstellen zusammen. Ein gutes Fünftel berichtet über einen Anstieg der Personalkosten. Das sind die Hauptergebnisse einer aktuellen Umfrage der Industrie- und Handelskammer Siegen (IHK), an der sich rund 300 Unternehmen aus den Bereichen Industrie, Handel und Dienstleistungen in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe beteiligt haben.

„Mindestlohn ohne Nebenwirkungen gibt es eben nicht. Im politischen Raum wird wiederholt vorgetragen, die Mindestlohn-Regelungen verursachten keinen betrieblichen Mehraufwand. Dies zeugt von gering ausgeprägter Kenntnis betrieblicher Abläufe. Die Mehrzahl unserer Unternehmen jedenfalls kann solche Aussagen nicht nachvollziehen.“ Dieses Fazit zieht IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener aus der Umfrage. Mehr als ein Fünftel der Betriebe nennt als negative Auswirkung die geringere Flexibilität bei den Geringbeschäftigten (Minijobber). Immerhin 8 Prozent der Firmen geben Preiserhöhungen aufgrund des Mindestlohnes an. Jedes achte Unternehmen reduzierte die Zahl der geringfügig Beschäftigten wegen des Mindestlohns. Davon wiederum ersetzte lediglich jede fünfte befragte Firma die weggefallenen Stellen durch reguläre Kräfte in Voll- oder Teilzeit. Die Angaben der „Minijob-Zentrale“ der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See bestätigen dies: Die Zahl der Minijobber im ersten Quartal 2015 in Siegen-Wittgenstein und Olpe ging um rund 1600 Stellen (minus 3,7 Prozent) gegenüber dem Vorjahreszeitraum zurück.

Viele Firmen ärgern die umfangreichen Dokumentationspflichten im Zuge des Mindestlohns. Sie verursachen Aufwand, erschweren betriebliche Abläufe und erfordern zusätzliche Personalressourcen. Das steht aus Sicht der meisten Unternehmen insbesondere im Hinblick auf geringfügig Beschäftigte in keinem vernünftigen Verhältnis, zumal die Verdienstgrenze für die Aufzeichnungspflichten mit monatlich 2958 Euro zu hoch bemessen ist. Klaus Gräbener: „Wer 8,50 Euro die Stunde verdient, liegt in seinem Monatsverdienst deutlich darunter. Wie diese Grenze zustande gekommen ist, bleibt wohl das Geheimnis der Bundesregierung.“  Darüber hinaus stellten sich etliche Minijobber durch den Mindestlohn nun schlechter, da sie durch die Aufstockung mehr Abgaben zahlen müssten und ihnen daher netto weniger Gehalt bleibe als vorher. Die Neuregelung sei sicher gut gemeint, aber aus Sicht der meisten Unternehmen eben nicht gut gemacht.

„Dass in einigen Fällen seit Januar 2015 auch für Praktikantinnen und Praktikanten Mindestlohn gezahlt werden muss, wirkt sich in der Region ganz offenbar negativ auf das Angebot an Praktikumsplätzen aus. Die jungen Menschen, denen dadurch die Möglichkeit auf Praxiserfahrung und bessere Berufschancen genommen wird, können sich also über den Mindestlohn auch nicht freuen“, ergänzt IHK-Referatsleiter Stephan Jäger, der die aktuelle Umfrage durchgeführt hat. Besonders die Dienstleister (43 Prozent) melden einen Rückgang der Praktika aufgrund des Mindestlohnes. Es sei zu erwarten, dass dies auch etliche Studierende zu spüren bekämen, die bisher vorwiegend über Praktika den Einstieg ins Beschäftigungssystem bewerkstelligt hätten.

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