Route 57 ist ein wichtiger Zukunftsfaktor

„Landesweit sind viele Straßen und Brücken marode, aber die größten Probleme liegen direkt vor unserer Haustür!“ Jörg Schorge, geschäftsführender Gesellschafter der Erndtebrücker Eisenwerk GmbH & Co. KG (EEW), sieht die Mängel in der Verkehrsanbindung der Region mit großer Sorge. „An unserem Unternehmensstammsitz in Erndtebrück fertigen wir überwiegend Stahlrohre und Stahlrohrkomponenten mit großen Abmessungen und hohen Stückgewichten für die Offshore Öl- und Gas- sowie Offshore Windindustrie. Für den Transport zum nächstgelegenen Hafen bzw. innerhalb Europas sind wir deshalb zwingend auf Schwertransporte angewiesen. Alleine in diesem Jahr haben wir von Erndtebrück aus über 550 Sondertransporte durchgeführt.“

Der mittlerweile desolate Zustand von Straßen und Brückenbauwerken sorge dafür, dass immer mehr Strecken für Großraum- und Schwertransporte gesperrt würden, betont Schorge. Bereits bei der Annahme eines Auftrages müsse überlegt werden, ob und wie die Produkte aus der Region herauskommen. „Strecken, die bisher zur Verfügung standen, scheiden plötzlich aus, weil Baustellen die Fahrbahn so verengen, dass ein Passieren unmöglich ist. Auch beeinträchtigen uns die vielen baufälligen Brücken deutschlandweit. Insbesondere die Sperrung der A 45 für Schwertransporte, unserer Hauptverbindung in Richtung der Seehäfen, führt zu großen Komplikationen“, unterstreicht Jörg Schorge. Klaus Gräbener, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Siegen (IHK), ergänzt, hier räche sich, dass jahrzehntelang nicht genügend in den Straßenerhalt investiert worden sei. EEW sei kein Einzelfall, immerhin rollten allein auf den Straßen in Siegen-Wittgenstein bis zu 15 Schwertransporte in einer Nacht.

Für das Erndtebrücker Unternehmen ist die Route 57 ein wichtiger Zukunftsfaktor, denn schon der Weg ins Siegerland ist für die Schwertransporte des Unternehmens häufig mit Problemen behaftet. Die geplante Straße an den Ortslagen vorbei, statt durch sie hindurch, sei eine enorme Erleichterung, wenn sie denn verwirklicht würde. Planung und Bau der Strecke dauern aus Sicht des Unternehmens viel zu lange. Es dränge sich gelegentlich der Eindruck auf, dass die in der Region geforderte bessere Verkehrsanbindung Wittgensteins nicht überall auf Landesebene unterstützt, sondern im Gegenteil, aktiv behindert werde, meint Schorge. Zwar sei der geplante Ausbau der B62 zwischen Lützel und Erndtebrück ein kleiner Lichtblick, man könne allerdings nicht nachvollziehen, warum die Beseitigung des so unfallreichen Bahnübergangs zum Industriegebiet „Im Grünewald“ nicht in die bisherigen Planungen einbezogen wurde. „Ein Ausbau der B62 ohne die Berücksichtigung des Industriegebiets „Im Grünewald“ wäre eine Farce und eine Entscheidung, die für uns nicht nachvollziehbar ist“, so Schorge.

Zusätzlich erschwert würden Planung und Organisation der Schwertransporte durch ein Übermaß an Bürokratie, vor allem im Rahmen der Genehmigungsverfahren. „Jeder Transport muss einzeln beantragt und von den zuständigen Stellen geprüft werden. Das gilt auch für identische, stets wiederkehrende Transporte. Immer wieder kommt es vor, dass wir sechs Wochen auf eine Genehmigung warten müssen“, erläutert Ingo Roth, EEW-Logistikleiter für Luft- und Schiffstransporte. „Für unsere insgesamt vier Standorte in Deutschland ist es im Hinblick auf den starken Konkurrenzdruck aus dem Ausland enorm wichtig, die Produktion von Aufträgen flexibel untereinander aufteilen zu können, um schnelle Lieferzeiten zu ermöglichen. Sind beispielsweise Güter von unserem Stammwerk in Erndtebrück oder von EEW-Pickhan in Siegen-Geisweid in unser Werk nach Rostock zu transportieren, ist für jedes zu durchfahrende Bundesland eine eigene Genehmigung zu beantragen. Dies erfordert sehr viel Zeit sowie Planung und macht eine kurzfristige Produktionsverlagerung innerhalb unserer deutschen Werke unmöglich“, ergänzt Frank Sommer, EEW-Logistikleiter für Landtransporte.

Dass die aktuellen Transportbedingungen nicht nur Zeit und Geld kosten, zeigt folgendes Beispiel: Durch plötzlich eingerichtete Baustellen an der geplanten Schwerlastroute konnten Komponenten für die Offshore Öl- und Gasindustrie mit einem Durchmesser von 4,7 Metern nicht mehr in die Niederlande transportiert werden, sondern mussten in Einzelteilen auf die Straße gebracht werden. Aus zwölf Transporten wurden so 24. Der Kunde zeigte sich über die zwangsläufige Lieferverzögerung und die dann notwendige Zusatzarbeit auf der Baustelle verärgert. Zudem entstanden für EEW Mehrkosten von ca. 100.000 €. Ingo Roth: „Sowohl wir als Schwergutproduzent als auch der Spediteur benötigen von der zuständigen Genehmigungsbehörde frühzeitig Informationen zu geplanten Baustellenerrichtungen auf der vorgesehenen Route. Ein mangelnder Informationsfluss seitens der Behörden kann dazu führen, dass Transporte nicht durchgeführt werden können.“

So etwas dürfe es im Informationszeitalter nicht geben, meint Klaus Gräbener. In einer Projektgruppe im Landesverkehrsministerium werde deshalb seit geraumer Zeit an Verbesserungen gearbeitet. Das betreffe unter anderem den Ausbau der Automatisierung von Genehmigungsabläufen. „Aber hier braucht man nicht zuletzt wegen der notwendigen Abstimmung unter den Bundesländern offenbar einen langen Atem.“

Das Erndtebrücker Eisenwerk habe sich mit der Zuverlässigkeit, mit der Aufträge abgearbeitet würden, weltweit einen Namen gemacht, erklärt Jörg Schorge. „Unser Werk in Erndtebrück ist auf die Fertigung und den Zusammenbau von großen, installationsfertigen Stahlrohrkomponenten spezialisiert. Das Know-how und die Fähigkeiten, über die wir in diesem Bereich verfügen, besitzt weltweit kein anderes Unternehmen. Um diesen Wettbewerbsvorteil allerdings ausspielen zu können, muss eine termingerechte Auslieferung, teilweise sogar „Just-in-Time“, sichergestellt werden. Kaputte Straßen, bröckelnde Brücken und die Genehmigungsbürokratie führen jedoch in letzter Zeit verstärkt dazu, dass vorgegebene Zeitpläne nicht mehr eingehalten werden können. Die Verkehrssituation ist inzwischen ein immenser Standortnachteil, der auf Dauer unser Image als zuverlässiger Auftragnehmer gefährdet“, so Jörg Schorge weiter.

Um nicht ausschließlich auf den problematischen Transport per LKW angewiesen zu sein und um die per se angespannte Verkehrssituation in Siegen-Wittgenstein nicht unnötig zu verschärfen, verfügt EEW über einen eigenen Bahnanschluss. „Die Bahn als alternatives Transportmittel zum LKW ist für uns überlebenswichtig. Nur sie ermöglicht es uns, die aufkommenden Transportvolumina zu bewältigen. Diesbezüglich haben wir vor einigen Jahren Investitionen von mehreren Millionen Euro zur Optimierung unserer Bahnanlagen getätigt. Allerdings stellt die Bahn aufgrund von Restriktionen hinsichtlich der zu transportierenden Abmessungen keine Alternative zu den zu LKW-Transporten im Schwergutbereich dar“, erläutert Frank Sommer.

Der anstehende Ausbau der A45 und die vielen notwendigen Brückensanierungen machten die Situation in den nächsten Jahren nicht einfacher. Angesichts der immensen Herausforderungen bei der Instandhaltung und dem Bau funktionierender Straßen, fehle es an Planungspersonal, erläutert Klaus Gräbener. Die Kapazitäten müssten deutlich aufgestockt werden. Heimische Unternehmen hätten gemeinsam mit der IHK schon vor Jahren auf die Ausweisung einer verlässlichen, alternativen Schwerlastroute zu den Binnenhäfen Duisburg und Gelsenkirchen gedrängt. Hieran werde gearbeitet, aber: Auch hier sind zahlreiche Reparaturen notwendig. Gräbener: „Was die Ersatzroute angeht, geht es voran: Brücke für Brücke, Straße für Straße und leider: Jahr für Jahr!“

Die EEW Gruppe ist einer der international führenden Hersteller für längsnahtgeschweißte Stahlrohre. Das 1936 gegründete Familienunternehmen mit Stammsitz in Erndtebrück beschäftigt weltweit rd. 2.000 Mitarbeiter. Mit neun Produktionsstätten, davon vier in Deutschland, zwei in Korea und jeweils einem Standort in Großbritannien, Malaysia und Saudi-Arabien sowie 11 regionalen Verkaufsbüros und 22 internationalen Vertretungen verfügt die EEW Gruppe über eine Produktionskapazität von über 800.000 Tonnen pro Jahr.

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