Mindestlohn: Gut gemeint, schlecht gemacht

74 Prozent der regionalen Industrie- und Handelsunternehmen werden zukünftig keine Praktika-Plätze für Studierende und Schüler mehr anbieten, die länger als sechs Wochen dauern, sollte der von der Bundesregierung beschlossene Gesetzentwurf zum Mindestlohn unverändert bleiben. Zudem fänden es 55 Prozent der Betriebe besser, den Mindestlohn nicht an irgendein Alter, sondern an die Voraussetzung einer betrieblichen Lehre zu knüpfen. In diesem Fall würden nur diejenigen Personen Anspruch auf den Mindestlohn bekommen, die über eine abgeschlossene betriebliche Erstausbildung verfügen. Dies sind die beiden wesentlichen Ergebnisse einer IHK-Blitzumfrage zum vorliegenden Gesetzentwurf zum Mindestlohn, an der sich 157 Personalchefs und Ausbildungsleiter regionaler Unternehmen beteiligten. Darüber hinaus äußerten 21 Prozent der Befragten die Befürchtung, die Bereitschaft junger Menschen, eine Lehre anzustreben, dürfte bei Einführung des Mindestlohns rückläufig sein. 73 Prozent der Befragten waren der Auffassung, die von der Bundesregierung vorgeschlagene Regelung, Langzeitarbeitslose für die Dauer von 6 Monaten von der Mindestlohnregelung auszunehmen, werde die Bereitschaft zur Einstellung von Langzeitarbeitslosen nicht negativ beeinflussen. Jeder 5. Befragte vertrat hier die gegenteilige Meinung.

IHK-Hauptgeschäftsführer Franz J. Mockenhaupt sieht sich durch die Ergebnisse der Blitzumfrage darin bestärkt, im laufenden Gesetzgebungsverfahren für zusätzliche Änderungen einzutreten: „Wir fordern, dass alle freiwilligen Praktika bis zu einer Dauer von sechs Monaten vom Mindestlohn ausgespart werden. Zudem sollte überlegt werden, die Zahlung des Mindestlohns an die Voraussetzung einer abgeschlossenen betrieblichen Erstausbildung zu knüpfen. Jedenfalls sollten junge Menschen ohne abgeschlossene Berufsausbildung bis zur Vollendung des 25. Lebensjahrs vom Mindestlohn ausgenommen werden.“ Im Durchschnitt seien junge Menschen heute 19 Jahre alt, wenn sie eine betriebliche Erstausbildung durchliefen. Das im Gesetzentwurf vorgesehene Mindestalter von 18 Jahren könne bei bestimmten Personengruppen dazu führen, dass sie in der Tendenz eher ungelernte Tätigkeiten für 8,50 Euro anstrebten, statt eine betriebliche Erstausbildung zu beginnen. Franz J. Mockenhaupt: „Im Ergebnis dürfte damit die Neigung, keine betriebliche Lehre zu beginnen, gerade bei denjenigen Personengruppen am stärksten zu Buche schlagen, die eine betriebliche Erstausbildung am nötigsten hätten. Das sehen wir mit großer Sorge.“

Nach dem bisherigen Gesetzentwurf sollen lediglich Pflichtpraktika, die im Rahmen von Schul-, Studien- oder Ausbildungsordnungen vorgesehen sind, sowie freiwillige Praktika von bis zu sechs Wochen Dauer, die zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums dienen, nicht unter den Mindestlohn fallen. Alle freiwilligen Praktika von mehr als sechswöchiger Dauer, die junge Leute begleitend zu einer Ausbildung oder einem Studium absolvieren, sind dem gegenüber zukünftig mit dem Mindestlohn zu vergüten. IHK-Geschäftsführer Klaus Gräbener: „Leidtragende dieser neuen Regelung werden vor allem die jungen Leute selbst sein. Gerade Absolventen einer rein schulischen Ausbildung oder eher praxisferner Studiengänge verwehrt man durch den Mindestlohn für freiwillige Praktika wichtige Einblicke in die berufliche Praxis. Was das für diesen Personenkreis bedeutet, kann sich jeder an drei Fingern ausrechnen.“ Schafften diese Personen den Einstieg in eine Beschäftigung nicht, müssten sie mit erheblichen öffentlichen Mitteln nachgeschult werden. Daher wäre die Ausweitung der Dauer von mindestlohnfreien Orientierungspraktika auf sechs Monate eine deutliche Verbesserung der aktuell geplanten Regelung, die vor allem im Interesse der jungen Leute selbst läge. Klaus Gräbener: „Auch wir wissen, dass der Mindestlohn politisch gewollt ist und kommen wird. Die große Koalition wäre aus Sicht der IHK jedoch gut beraten, die Regelungen so zu konfigurieren, dass am Ende die Hürden zur Aufnahme von betrieblicher Erstausbildung und regulärer Beschäftigung möglichst niedrig sind.“

IHK-Hauptgeschäftsführer Franz J. Mockenhaupt hat in einem Schreiben an die vier Bundestagsabgeordneten Willi Brase (SPD), Volkmar Klein (CDU), Dr. Matthias Heister (CDU) sowie Petra Crone (SPD) eindringlich darauf hingewiesen, dass der Gesetzentwurf aus Sicht der regionalen Wirtschaft nachgebessert werden müsse. Er forderte sie nachdrücklich dazu auf, sich im laufenden Gesetzgebungsverfahren mit den von der IHK vorgebrachten Argumenten konstruktiv zu befassen und sich für weiter gefasste Ausnahmeregelungen einzusetzen: „Zahlreiche der in dem Entwurf enthaltenen Mindestlohn-Regelungen sind zwar gut gemeint, aus unserer Sicht jedoch schlecht gemacht. Hier zu weiteren Verbesserungen zu kommen, liegt im Interesse der regionalen Wirtschaft. Das sollten unsere Abgeordneten im Hinterkopf haben, wenn sie über den Gesetzentwurf abstimmen.“

1 Kommentar zu "Mindestlohn: Gut gemeint, schlecht gemacht"

  1. Sollte nicht auch einmal darüber nachgedacht werden, ob es wirtschaftlich realisierbar und sinnvoll ist, Betrieben vorzuschreiben wie eine Vergütung für Angestellte auszusehen hat. Es wird immer nach der Empfänger Seite geschaut, wie könnte eine Ausnahme aussehen etc. Aber wäre nicht interessanter auf die Geberseite zu schauen. Kann sich ein Betrieb den Mindestlohn erlauben? Sofern er diesen erwirtschaften und die Mehrbelastung tragen kann, sollte er es auch tun. Also im Ergebnis kann ein Unternehmen bspw. bei der IHK eine Freistellung beantragen mit der Folge, dass in diesem Berufszweig widerum die Ausbildung von Menschen die echtes Interesse daran haben, favorisiert wird. In anderen Betrieben, in denen Praktikanten eingesetzt werden um 5 oder 6 stellige Gewinne pro Jahr einzufahren sollte eine Mindestlohnregelung zwingend greifen.

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