Logistikbranche droht Flaschenhals für die Wirtschaft zu werden

Logistikunternehmen sehen sich zunehmend mit Schwierigkeiten und Herausforderungen konfrontiert.

„Unser industriestarker Wirtschaftsraum ist auf ein leistungsfähiges Transportgewerbe und auf funktionstüchtige Verkehrswege besonders angewiesen. Die Güter, die hier gefertigt werden, müssen über die Straße oder die Schiene bewegt werden. Anders geht es nicht!“, betont Klaus Gräbener. Der IHK-Hauptgeschäftsführer macht mit Nachdruck auf die immensen Schwierigkeiten aufmerksam, denen sich Logistikunternehmen zunehmend ausgesetzt sehen: „Obwohl wachstumsstark, ist die Branche derzeit besonders unter Druck: Vor allem Fachkräfte fehlen. Bürokratische Vorgaben erschweren die Abläufe zusätzlich. Ändert sich hier nichts, wird die Logistikbranche zur Wachstumsbremse und damit zum Flaschenhals für die gesamte Wirtschaft!“

Alleine 30.000 Berufskraftfahrer gehen nach Angaben des Verbandes Verkehrswirtschaft und Logistik Nordrhein-Westfalen (VVWL) e.V. jährlich in Rente. Mehr als ein Viertel der derzeit eingesetzten Fahrer sind älter als 55 Jahre. Es stehen bei weitem nicht genügend Fachkräfte zur Verfügung, um diese Verluste auszugleichen: Es fehlen ca. 10.000 Kraftfahrer im Jahr.

Die aktuelle Ausbildungserhebung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) zeigt: Während durchschnittlich 34 % der befragten Betriebe nicht alle Lehrstellen besetzen konnten, waren es in der Transport- und Logistikbranche 40 %. Dies zeigt sich auch in der heimischen Region: In der Gruppe der Berufskraftfahrer stagniert in der Region die Zahl der Auszubildenden in den vergangenen drei Jahren bei rund 80 Nachwuchskräften, trotz intensiver Suche und steigender Bedarfe bei den Logistikunternehmen. Beim Beruf „Kauffrau/Kaufmann für Spedition und Logistikdienstleistungen“ gehen die regionalen Ausbildungszahlen trotz des Engagements der Firmen gar von 96 auf 83 zurück.

„Wir haben aktuell zwei Auszubildende als Berufskraftfahrer gefunden, aber die Bewerberlage wird Jahr für Jahr dünner“, erklärt Eckhard Siebel, Geschäftsführer der Spedition Siebel GmbH . „Dazu kommen fehlende Grundqualifikationen, wobei der sichere Umgang mit der deutschen Sprache häufig nicht mehr vorausgesetzt werden kann. Bislang hat es sich ausgezahlt, dass wir mit einigen Schulen im Umfeld sehr gut vernetzt sind“, so Siebel weiter.

Auch viele andere Speditionsbetriebe setzen weiter stark auf die Ausbildung: „Wir versuchen, dem Fachkräftemangel über unser verstärktes Engagement für die Ausbildung zu begegnen“, bekräftigt Ferdinand Menn, Geschäftsführer der Spedition Menn GmbH aus Kreuztal. „Für viele Leute ist die Logistiktätigkeit auch der ideale Beruf, bei dem sie gut verdienen und Spaß haben können. Bei uns bekommt der Nachwuchs nach der Ausbildung auch oft einen Lkw fest zugeteilt, was die Motivation steigert“, ergänzt Ferdinand Menn.

Die betroffenen Unternehmen wissen, dass sie angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels selbst gefordert sind, und lassen sich bereits einiges einfallen, um aktiv Bewerber zu finden und zu überzeugen.

„Wichtigster Anreiz, um als Arbeitgeber attraktiv zu sein, sind nach unserer Erfahrung attraktive Arbeitszeiten. Unsere Fahrer fahren möglichst nicht am Wochenende. Sie steuern überwiegend bewachte Parkplätze an, bei denen wir die Kosten übernehmen, und ganz wichtig: Sie suchen sich ihr Fahrzeug selbst aus. Das stärkt das ,Ich-Verhältnis‘ zum Fahrzeug und schafft eine ungeheure Identifizierung mit dem Betrieb“, betont Klaus Brinkmann, Geschäftsführer von Klaus Brinkmann Transporte in Erndtebrück.

„Wir dehnen unsere Suche nach guten Mitarbeitern immer weiter überregional aus. Zudem versuchen wir, den Fahrern durch die modernsten Lkw den bestmöglichsten Arbeitsplatz zu bieten. Natürlich sind wir bestrebt, gute Löhne und Spesen zu zahlen“, unterstreicht Rita Arens, Geschäftsführerin der Arens Transport GmbH aus Attendorn.

Aber auch die Politik ist gefordert. Insbesondere die politisch gezielt beförderte Akademisierung der Gesellschaft stößt auf Kritik: „Wir brauchen dringend einen bildungspolitischen Kurswechsel: Die Vorzüge der dualen Ausbildung müssen in den Schulen, auch den Gymnasien, besser vermittelt und in der Berufsorientierung stärker berücksichtigt werden!“, stellt IHK-Geschäftsführer Hans-Peter Langer fest.

Ebenso macht die Bürokratie den Betrieben in der Branche besonders zu schaffen und erschwert beispielsweise einen flexiblen Personaleinsatz. „Die Vorgaben zum Datenschutz, zur Ladungssicherung und zu den Dokumentationspflichten könnten deutlich praxisnäher sein“, ist sich Klaus Brinkmann sicher. „Es gibt hohe Anforderungen vom Gesetzgeber an Fahrer und Unternehmen zu den Lenk- und Ruhezeiten bzw. Fahr- und Schichtzeiten. Diese werden aufgrund der faktischen Gegebenheiten, vor allem durch einen Mangel an geeigneten Parkplätzen, immer mehr zu einer Herausforderung“, kritisiert Ferdinand Menn.

Was alle befragten Logistikunternehmen vereint, ist die klare Erwartung, dass mehr in die Infrastruktur der Region und bundesweit investiert wird. Die Betriebe müssten immer mehr Maut an den Staat zahlen, gleichzeitig nähmen die Probleme auf den Straßen immer weiter zu: zu viele Staus, zu wenige intakte Fernstraßen und Brücken, zu wenige LKW-Parkplätze sowie zu lange und schlecht koordinierte Baustellen, über die im Vorfeld nur unzureichend informiert werde.

Die außenwirtschaftlichen Entwicklungen sorgen schließlich vielerorts für Unsicherheit und trüben das Konjunkturklima. Klaus Gräbener: „Gerade jetzt kommt es darauf an, den sich abzeichnenden Konjunkturrückgang abzufangen, indem zügig Wachstumsbremsen beseitigt werden. Jetzt heißt es vor allem Verkehrswege instand setzen, Fachkräfteversorgung durch richtige Weichenstellungen sichern und Bürokratie nicht nur auf dem Papier abbauen, sondern auch in der Praxis.“

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