Industriestandort NRW? Ja, bitte!

Wolfgang Clement ist Kuratoriumsvorsitzender der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), ehemaliger Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit und ehemaliger Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen.

Nordrhein-Westfalen ohne Industrie ist wie Fußball ohne Fans, Köln ohne Dom oder Düsseldorf ohne Altbier: möglich, aber sinnlos. Doch wenn im Lande NRW nicht bald etwas geschieht, müssen in den Schulen die Erdkunde-Bücher umgeschrieben werden. Bereits im vergangenen Jahr diagnostizierte das RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen in seinem „Ländervergleich“ NRW eine Tendenz zur De-Industrialisierung: Die Industrie in Nordrhein-Westfalen habe im Vergleich zu anderen Bundesländern eine äußerst schlechte Phase durchlaufen. Ob Entwicklung der industriellen Bruttowertschöpfung, Zahl der Beschäftigten oder Produktivität – der traditionelle Industriestandort schwächelte in  allen Kennziffern, die das RWI untersucht hat. Doch weil sich eine starke Industrie und vor allem ein starker industrieller Mittelstand in Deutschland stets als die Garanten für wirtschaftlichen Erfolg und Wohlstand erwiesen haben, muss NRW dringend „die Kurve kriegen“.

Worauf es an Rhein und Ruhr jetzt ankommt, habe ich vor kurzem (gemeinsam mit dem Vorsitzenden der FDP, Christian Lindner) dargelegt. Den Schlüssel zur Stärkung des Industriestandorts NRW bergen aus unserer Sicht vor allem die Digitalisierung, die Bildung – sowie beider Schnittmenge: die digitale Bildung. Eine Zusammenfassung unserer spannendsten Ideen für NRW in fünf Hashtags:

#Ausbildung40. Ohne die Bergleute wäre die Kohle- und Stahlindustrie einst nicht zum Markenzeichen von NRW geworden – und ohne topqualifizierte Fachkräfte kommt eine moderne Industrie auch heute nicht aus. Nordrhein-Westfalen kann nur gewinnen, wenn es seine Berufsausbildung, vor allem die duale, ohne Wenn und Aber auf die Anforderungen der Zukunft trimmt. Das beginnt bei aktualisierten Berufsbildern für das digitale Zeitalter, geht weiter über Ausbildungsstätten 4.0, die Azubis mit den Erfordernissen der Industrie 4.0 vertraut machen, und hört beim Berufsabitur – der Verknüpfung von dualer Ausbildung und Erwerb der Hochschulreife – nicht auf. Noch so eine gute Idee ist der Meister-Bonus – er bietet beruflich Qualifizierten einen finanziellen Anreiz zur Weiterbildung und kann darüber hinaus mit einem Gründungszuschuss kombiniert werden, der die Start-up-Kultur unterstützen würde.

#DigitaleBildung. Nordrhein-Westfalen benötigt ein Sofortprogramm zur Modernisierung der IT-Ausrüstung und der digitalen Infrastruktur an allen Schulen und weiteren Bildungseinrichtungen. Fachleute dringen schon heute darauf, dass jede Schülerin und jeder Schüler Programmierkenntnisse erwerben sollte – und zwar in der Schule. Darauf müssen (mit entsprechender Aus- und Weiterbildung)  sowohl die Lehrkräfte eingestellt sein  als auch die für den Unterricht notwendigen Ressourcen zur Verfügung stehen.

#Digitalministerium. Wer NRW zur Speerspitze der Digitalisierung in Deutschland machen will, kommt um ein Ministerium für Digitales nicht herum. Das gilt übrigens für die Landes- wie für die Bundesebene. Denn Digitalisierung benötigt Politik aus einem Guss – und wir alle benötigen die digitale Vernetzung von Bund , Ländern und Gemeinden. E-Government  spart Zeit und Geld und setzt Kräfte für andere Aufgaben frei, in den Administrationen wie in den Unternehmen unseres Landes.

#Breitband. Im Verantwortungsbereich des Digitalministers läge natürlich auch die flächendeckende Versorgung Nordrhein-Westfalens mit gigabitfähigen Glasfasernetzen vom Sauerland bis in die Eifel. Tempo ist angesagt. Umgehend  sollten  deshalb ein Glasfaser-Förderfonds sowie ein „Servicebüro Kommune 4.0“ eingerichtet werden, das die nordrhein-westfälischen Gemeinden bei der Erschließung mit Glasfaserkabeln berät. Hilfreich wäre auch eine „Glasfaser-First“-Strategie bei der Vergabe von Regionalfördermitteln der EU und des Bundes – diese dürfen dann nur noch in gigabitfähige Netze investiert werden und nicht mehr in veraltete Kupferkabel.

#Arbeit40. Der demografische Wandel, die Digitalisierung und ganz konkret die Entwicklung zur Industrie 4.0 stellen neue Anforderungen an die Beschäftigten und ihre Arbeitgeber, bieten aber auch Chancen auf mehr Selbstbestimmung und Flexibilität. Das käme der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zugute – und würde den Unternehmen zugleich beim Kampf gegen den Fachkräftemangel helfen. Von seiten der Politik bieten sich drei flankierende Maßnahmen an, um den Erfordernissen der Arbeitswelt 4.0 gerecht zu werden: Erstens sollte die bisherige Grenze der täglichen Höchstarbeitszeit im Arbeitszeitgesetz aufgehoben und stattdessen nur die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden weiterhin vorgegeben werden. Zweitens muss das Angebot von Kinderbetreuungsplätzen massiv ausgeweitet werden. Und drittens würde ein flexibilisierter Renteneintritt ohne Beschränkung der Lebensarbeitszeit mehr Selbstbestimmung schaffen.

Beherzigt eine  neue Landesregierung im Düsseldorfer Stadttor diese Ziele – und vergisst darüber hinaus auch nicht, die Verkehrswege auf Vordermann zu bringen und den Unternehmen bessere Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung zu bieten –, dann hat Nordrhein-Westfalen die besten Voraussetzungen, Industriestandort zu bleiben. Und nicht nur das: Es wird sich zum Industriestandort 4.0 weiter entwickeln.

Von Wolfgang Clement im NRW-Wirtschaftsblog „Klartext im Westen“

Kuratoriumsvorsitzender der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), ehemaliger Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit und ehemaliger Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen.

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