Führen in Teilzeit – Geht das?

Immer mehr Unternehmen legen Wert darauf, Frauen nach dem Mutterschutz die Wiedereingliederung in den Beruf zu ermöglichen. Trotzdem ist es für viele Frauen schwierig, einen Job zu bekommen, der mit dem Privatleben vereinbar ist. Dafür ist in der Regel eine Teilzeitstelle notwendig. Von einer Führungsposition können die meisten Frauen beim Wiedereinstieg nur träumen. Denn schließlich kann man ja nicht viel Verantwortung in einem Unternehmen tragen und gleichzeitig Haushalt und Kinder versorgen. Oder doch?

Elisabeth Steuber hat zwei Kinder (3 und 6 Jahre) und arbeitet in Teilzeit als Marketing Director bei der Albrecht Bäumer GmbH & Co. KG in Freudenberg. Dass sie diese Führungsposition in Teilzeit ausüben kann, ist keine Selbstverständlichkeit. Ihr privates Umfeld und ihre persönliche Einstellung spielen auf ihrem Weg eine wichtige Rolle. Vor allem aber hat ihr Arbeitgeber Bäumer diese individuelle Vereinbarung von Familie und Beruf ermöglicht. „Ich muss keine Auszeit von der Karriere nehmen, sondern darf mich auch als Mutter zweier kleiner Kinder weiterentwickeln. Gleichzeitig darf ich aber auch Mutter sein und habe Zeit ihre Entwicklung zu begleiten. Dafür bin ich wahnsinnig dankbar.“

Schon vor den Kindern hat die Diplom-Medienwirtin im Marketing bei dem Familienunternehmen gearbeitet – sie hat die Abteilung vom ersten Tag an aufgebaut und gestaltet. „Es war so etwas wie mein erstes eigenes Baby“, erinnert sie sich. Ihr Ziel nach dem Mutterschutz war es auch weiterhin, Bäumer durch gute Marketingarbeit nach vorne zu bringen. Dafür wollte sie zurück in die Führungsposition.

Gleichzeitig musste Bäumer auf den allgemeinen Fachkräftemangel reagieren und hat individuelle Lösungen für Mitarbeiter entwickelt. Im Laufe der Zeit hat mit der Umsetzung neuer Ideen eine Art Kulturrevolution stattgefunden. Der jungen Geschäftsführung von Bäumer liegt die Work-Life-Balance als Familienfreundliches Unternehmen sehr am Herzen. So auch Elisabeth Steuber. Damit solch eine Lösung aber für Arbeitnehmer und Arbeitgeber zufriedenstellend ist und in der Praxis funktioniert, müssen viele Aspekte berücksichtigt und angepasst werden.

Essentiell dafür ist, dass der Job für die Marketingleiterin persönlich mehr Berufung als Beruf ist. „Das Herz hängt am Unternehmen und man fühlt sich dem Unternehmen verpflichtet.“ Aber auch das private Umfeld muss mitspielen. Ihr Arbeitsplatz und die Betreuung der Kinder liegen nicht weit voneinander entfernt. Der Alltag ist von morgens bis abends durchstrukturiert und „sogar der Hund hat eine eigene Spalte im Familien-Terminkalender“, erklärt die 37-Jährige. Für Spontaneität bleibt in der Woche wenig Zeit. „Ohne meinen tollen Ehemann, der auch sehr viel Zeit in die Familie investiert, wäre das gar nicht möglich“, sagt sie. Mit ihm bilden Familie, Freunde und Kinderbetreuung ein großes, flexibles Netzwerk, das dieses individuelle Arbeitsmodell ermöglicht.

Denn als Führungskraft ist ihre Anwesenheit – trotz aller Rücksicht des Arbeitgebers – immer wieder auch mal außerhalb der regulären Arbeitszeiten und Öffnungszeiten der Schule erforderlich. Beispielsweise müssen wichtige Entscheidungen getroffen oder an Konferenzen teilgenommen werden. Gar nicht so leicht, wenn sie „nur“ drei Tage die Woche im Büro ist; einen weiteren Tag arbeitet sie von zu Hause im Home Office. „Eine gewisse Flexibilität muss man schon leisten, wenn man Verantwortung tragen möchte, auch als Mama. Dann heißt es improvisieren oder die Kinder auch mal mit ins Meeting nehmen.“

Neben Kommunikation ist aber auch viel Vertrauen in ihr Team erforderlich. Vor der Elternzeit hat sie noch mehr operativ an Projekten mitgewirkt. Als Marketing Director in Teilzeit delegiert sie nun deutlich mehr Aufgaben an ihre Mitarbeiter – auch das stellt eine neue Herausforderung für die zweifache Mutter dar. Da sie nicht immer anwesend ist, muss sie darauf vertrauen, dass das Team beispielsweise die zugewiesenen Aufgaben erledigt und setzt dabei besonders auf die Selbstständigkeit ihrer Kollegen. Aber auch umgekehrt. Beispielsweise kann sie ihre Arbeitszeiten flexibel gestalten und die Geschäftsführung vertraut darauf, dass sie ihre Planung und Projekte durchführt.

Überraschend für sie waren auch Reaktionen aus ihrem privaten Umfeld. „Allen macht man es sowieso nicht Recht. Entweder gilt man als träges Hausmütterchen oder überehrgeizige Rabenmutter.“ Von diesen äußeren Erwartungshaltungen müsse man sich freimachen und stattdessen sein individuelles Verhältnis von Familie und Beruf finden. Außerdem muss man lernen, sich vom Druck zu lösen, alles perfekt zu machen.

Für Elisabeth Steuber und die Firma Bäumer ist diese Lösung eine Win-Win Situation. Sie hat es geschafft, ihren Traumjob und ihr Privatleben weitestgehend zu vereinbaren; auch wenn es immer wieder mal mit Stress und erhöhter Eigendisziplin verbunden ist. Sie wünscht sich, „dass Führen in Teilzeit in ein paar Jahren Normalität ist und ein Interview wie dieses nicht mehr nötig ist“. Nicht nur sie ist mit diesem Modell möglicherweise ein Vorbild für die nächste Generation. Auch Bäumer ist so manch Unternehmen einen Schritt voraus und ermöglicht einen Blick in die Zukunft. Unternehmen müssen neu denken, sich der heutigen Gesellschaft anpassen und individuelle Lösungen mit den Mitarbeitern entwickeln, um so auch langfristig ein attraktiver Arbeitgeber zu sein.

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