„Fehlerkultur als Chance in Unternehmen“

Im Bild: (v.l.n.r.) Die Unternehmer Christian Rump, Thomas Paar, Jan Lingelbach, Markus Stricker, Eva Christina Becker im Gespräch mit den Moderatorinnen Christina B. Schmidt und Sabine Bechheim über den Umgang mit Scheitern und Fehlerkultur im Unternehmen.

„Mein größter Fehler“ – darüber berichteten jetzt offen und authentisch eine Unternehmerin und vier Unternehmer in Siegen bei einer Kooperationsveranstaltung von Wirtschaftsjunioren Südwestfalen e. V. (WJSW), Startpunkt57 – Die Initiative für Gründer e. V. und Industrie- und Handelskammer Siegen (IHK). Fast 70 Gäste lauschten gespannt, als im Bernhard-Weiss-Saal der IHK Siegen nicht die Erfolge der Gründer und Nachfolger im Mittelpunkt standen, sondern die Geschichten der Hindernisse, der Schlaglöcher und der falschen Entscheidungen. Bei Eva Christina Becker war es, „mich zu sehr auf externe Dienstleister in bestimmten Bereichen, z. B. bei der Steuerberatung, zu verlassen“, konstatiert die Inhaberin der Hochzeits- und Eventagentur [Ein Engel für alle Fälle]. „Ich habe das Ruder zu sehr aus der Hand gegeben. Dadurch war ich auf die hohen Steuernach- und -vorauszahlungen anlässlich meiner Heirat nicht frühzeitig und genügend vorbereitet. Das war schon ein herber Rückschlag in meiner Selbstständigkeit.“

In ihrer Begrüßung plädierte Christina B. Schmidt, letztjährige Vorsitzende der WJSW und Markenberaterin bei der PSV Marketing GmbH, Siegen, für eine offene Fehlerkultur in Unternehmen: „Die Dynamik bei Entscheidungsprozessen in Unternehmen beschleunigt sich immer mehr. Wenn wir Chancen nutzen wollen, müssen wir schnell sein. Fehler sind dabei vorprogrammiert. Im Idealfall sprechen wir offen über unsere Fehler und lernen daraus für die Zukunft.“

Thomas Paar, Geschäftsführer der PAAR IT GmbH in Siegen, und Jan Lingelbach, Geschäftsführer der KranDirekt GmbH & Co KG in Siegen, waren sich einig darüber, dass eine sinnvolle Arbeitsteilung nötig ist. „Ab einem bestimmten Zeitpunkt sollte man als Unternehmer nicht mehr alles selbst machen wollen und sich die richtigen Partner suchen, um Dinge in professionelle Hände abzugeben“, beschrieb Jan Lingelbach seine Lernerfahrung.

In der von Christina B. Schmidt und Sabine Bechheim (IHK Siegen, Referatsleiterin Gründung, Sicherung, Nachfolge und Vorstandsmitglied bei Startpunkt57) moderierten Gesprächsrunde erfuhren die bunt gemischten Gäste, dass eine „spontane“ Gründung auch Schwierigkeiten mit sich bringt. Thomas Paar (PAAR IT GmbH, Siegen) war nicht sehr gut vorbereitet: „Ich habe fast genau vor zehn Jahren um 11 Uhr morgens bei einem Streit mit meinem Chef beschlossen: Jetzt reicht’s und ich arbeite ab sofort für mich selbst“, schilderte Paar seinen Moment der Entscheidung. Gestartet ist er vom heimischen Wohnzimmer mit einem gebrauchten Laptop, jung und enthusiastisch und so stellte sich bald Erfolg ein.

Probleme gab es durch das Wachstum: „Ich hatte keine Ahnung von Personalführung und das führte zu erheblichen Schwierigkeiten, die nur durch einen klaren Schnitt geheilt werden konnten“, so Paar. Als Unternehmer müsse man eben auch unangenehme Entscheidungen treffen, das habe er lernen müssen. Sabine Bechheim bedankte sich augenzwinkernd für die Empfehlung zur gründlichen Vorbereitung: „Auch deshalb bieten wir Beratung im Vorfeld einer Gründung an, aber auch Begleitung für die Unternehmensführung, beispielsweise durch ehrenamtliche Mentoren.“

Bei Christian Rump (the private office – Vermögensmanagement für Unternehmer, Siegen) war es keine Frage, ob er ein Unternehmen gründen wollte: „Ich habe bereits zwei Unternehmen gegründet, ich will gerne auf eigenen Füßen stehen.“ Er riet dazu, die Zahlen im Blick zu behalten, um vor bösen Überraschungen gefeit zu sein. „Das Finanzamt kommt irgendwann auf einen zu, und dann hilft wegducken nicht mehr. Deshalb ist es enorm wichtig, Rücklagen für fällige Steuern und Abgaben zu bilden.“

Aus einer etwas anderen Perspektive betrachtete Markus Stricker (msp Druck und Medien GmbH, Mudersbach) das Thema Fehlerkultur. Stricker ist ehemaliger Gründer und zwischenzeitlich Nachfolger im Familienunternehmen. „Es ist komfortabel, auf vorhandene Organisationsstrukturen zurückgreifen zu können. Diese Strukturen alle selbst aufzubauen, ist eine ganz andere Herausforderung.“ Deshalb habe er das von ihm gegründete IT-Unternehmen nach drei Jahren geschlossen und sei in das Familienunternehmen eingetreten, auch wenn der Nachfolgeprozess mitunter recht schwierig gewesen sei. „Man muss auch wissen, wann es nicht mehr geht. Und dann die Konsequenzen ziehen“, so sein Fazit aus seinen Erfahrungen.

Die Unternehmer waren sich einig: Um erfolgreich zu sein, bedarf es großen Durchhaltevermögens. Nur wer wie ein Stehaufmännchen immer wieder neu anfange, ohne den Mut zu verlieren, der könne auf Dauer im Markt bestehen. Wenn man dann noch mit Leidenschaft hinter seiner Tätigkeit stehe, umso besser. Aber das eine bedinge wohl das andere, denn nur wer diese Leidenschaft mitbringe, könne auf Dauer mit den immer wieder neuen Rückschlägen umgehen. „Wir wollten Gründern und jungen Unternehmen einen realistischen Blick auf das Unternehmerdasein bieten. Durch die große Offenheit unserer Gäste ist dies heute wirklich gelungen“, bedankte sich Sabine Bechheim bei den Interviewpartnern. Und Christina B. Schmidt ergänzte: „Die Erfahrung zeigt, dass der Austausch mit Gleichgesinnten ein wertvoller Faktor für die persönliche Weiterentwicklung ist. Aus den Fehlern und Erfahrungen anderer zu lernen, funktioniert bei den WJSW im Netzwerk sehr gut.“

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