Ein populistischer Griff in die Mottenkiste

Die Agenda 2010 hat unser Land in schwierigen Zeiten voran  gebracht, aber Gerhard Schröder die Kanzlerschaft gekostet. Die deutsche Sozialdemokratie hat dieses Dilemma nie verwunden. Wenn Martin Schulz heute Teile der Reformen wieder rückgängig machen will, dann heilt er damit zwar eine seit langem schwärende Wunde seiner Partei, er schadet aber gleichzeitig der Zukunft unseres  Landes und der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft.

Deutschland und den Deutschen geht es heute so gut wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik. Erstaunlicherweise hat diese Tatsache nicht etwa ein positives Grundgefühl in unserer Gesellschaft zur Folge. Eher das Gegenteil ist der Fall oder wird zumindest von vielen Politikern, Gewerkschaftern und Soziallobbyisten suggeriert.

Deutschland erlebt heute einen Höchststand an Beschäftigung, davon der überwiegende Teil in Vollzeit. Die Zahl der Menschen ohne Arbeit ist so niedrig wie seit langem nicht mehr. Das gilt auch für Jugendliche und Berufsanfänger, die entgegen der Behauptung von Martin Schulz nur zu zwölf Prozent in zeitlich befristeter Beschäftigung tätig sind und nicht zu 40 Prozent.

Natürlich haben wir auch Probleme: der demografische Wandel in unserer Gesellschaft wird unsere sozialen Sicherungssysteme in den nächsten Jahren vor immense Herausforderungen stellen. Das Gleiche gilt für den zunehmenden Mangel an qualifizierten Fachkräften in der Industrie. Die Digitalisierung der Wirtschaft erfordert gänzlich neue Qualifizierungen und Arbeitszeitmodelle. Unsere Infrastruktur entspricht nicht mehr den Anforderungen an moderne, zukunftsorientierte Kommunikation und Verkehrstechnik. Unser Bildungssystem ist trotz aller Reformen in der Vergangenheit ebenfalls nicht auf die Herausforderungen von Industrie 4.0 vorbereitet. Hinzu kommen die Flüchtlingskrise und ihre Folgen und der zunehmende internationale Terrorismus. Einmal ganz abgesehen von den Problemen der Europäischen Union und den gänzlich unwägbaren Handlungen des neuen US-amerikanischen Präsidenten.

Es gibt also Themen genug, mit denen sich der designierte Kanzlerkandidat der SPD auseinandersetzen  könnte und müsste. Aber anscheinend geht es ihm erst einmal darum, die eigene Partei aus dem Tal der Tränen der Agenda 2010 herauszuführen. Und das gegen jede ökonomische und arbeitsmarktpolitische Vernunft. Man darf gespannt sein, welche Antworten Martin Schulz und die SPD auf die wirklich wichtigen Fragen unserer Zeit findet. Übrigens hat inzwischen auch die NRW-SPD auf Wahlkampfmodus umgeschaltet. Bei den Ankündigungen von Hannelore Kraft sollte eigentlich jedem seriösen Finanzpolitiker Angst und Bange werden. Und da behaupte noch jemand, Populismus gäbe es nur bei den politischen Gegnern.

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