Die Zeichen stehen auf Abkühlung

Siegen, 9. Oktober 2012. „Die Konjunktur im Bezirk der Industrie- und Handelskammer Siegen (IHK) ist aktuell noch ganz robust“, so Klaus Th. Vetter. Der IHK-Präsident erläuterte im Rahmen einer Pressekonferenz die Ergebnisse der jüngsten Konjunkturumfrage, an der sich 540 Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistung beteiligt hatten. Auslastung und Beschäftigung sind bei der Mehrzahl der Industriebetriebe gut. Im Dienstleistungssektor sind Zeichen für eine Abschwächung nur vereinzelt zu erkennen. Gegen die Störfeuer, denen die Konjunktur immer mehr ausgesetzt ist, sind allerdings auch die Unternehmen in Siegen-Wittgenstein und Olpe nicht immun. „Die Zeichen für die nächsten Monate stehen daher eindeutig auf Abkühlung“, so Vetter.

Kennzeichnend für die robuste Verfassung ist unter anderem das hohe Niveau der Umsätze im Verarbeitenden Gewerbe, dem wichtigsten Wirtschaftsbereich und größten Arbeitgeber. Auch wenn die Zuwächse beim Umsatz nicht mehr die Rekordwerte der Vorjahre erreichen, ist das Niveau hoch. 2011 hatte die Industrie den höchsten je erwirtschafteten Umsatz erzielt und die 16 Milliarden-Euro-Marke nur knapp verfehlt. Bis zum Juli konnten die Industrieunternehmen ihren Umsatz noch einmal um 0,7 Prozent steigern. Auch die hohe Kapazitätsauslastung der Industrie ist ein untrügliches Zeichen für die gute Verfassung. Robust zeigt sich auch der Arbeitsmarkt, der glänzend dasteht. Dass die Unternehmen aber von den Entwicklungen der internationalen Konjunktur, vor allen Dingen aber von den wenig erfreulichen Nachrichten über die anhaltende Finanz- und Schuldenkrise nicht unbeeinflusst sind, das zeigt der skeptische Blick der Unternehmen auf die nächsten Monate. Im Konjunkturklimaindex kommt dies deutlich zum Ausdruck. Er ist gegenüber dem Jahresanfang von 117 auf 100 Punkte gefallen. Damit erreicht er wieder den Stand vom Herbst 2008. Bei aller Skepsis gegenüber der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung: Die Mehrzahl der Betriebe geht nicht davon aus, dass die anstehende Abkühlung für sie zu einem tiefen und lang anhaltenden Konjunktureinbruch führt wie zuletzt 2009. Dazu trägt auch die insgesamt gute Verfassung der Betriebe bei. Sie sind in den letzten Jahren deutlich wettbewerbsfähiger und krisenresistenter geworden.

Über alle Wirtschaftsbereiche betrachtet, verschlechterte sich insbesondere die Einschätzung der Unternehmen für die nächsten Monate. Nur noch 15 Prozent der Betriebe erwarten eine bessere Entwicklung, 29 Prozent befürchten Verschlechterungen. Damit hat sich die Zahl der pessimistischen Unternehmen fast verdoppelt. Aber immer noch deutlich mehr als jeder zweite Befragte geht davon aus, dass sich an dem bisherigen Geschäftsverlauf auch in den nächsten Monaten nichts ändert.

Durchaus unterschiedlich ist die Entwicklung in den einzelnen Wirtschaftsbereichen. Die Industrieunternehmen erfahren die Konjunkturabschwächung durch nachlassende Auftragseingänge, das gilt sowohl für das Inlands- wie auch für das Auslandsgeschäft. Deswegen werden die Unternehmen auch bei ihren Investitionsabsichten vorsichtiger. Öfter als noch zu Jahresbeginn wollen die Betriebe Investitionen zurückstellen. Knapp ein Drittel der Industriebetriebe beurteilt die aktuelle Lage als gut. 17 Prozent als schlecht. Fast die Hälfte der Unternehmen sind zu über 85 Prozent und 84 Prozent sind zu über 70 Prozent ausgelastet. Das sind höhere Anteile als zu Jahresbeginn. Den Auftragsbestand stufen über drei Viertel der Firmen als ausreichend bis hoch ein. Die Aussagen zu den Erträgen fallen allerdings nicht mehr so positiv aus. Unterm Strich befürchtet im Industriesektor jeder dritte Betrieb künftig ungünstigere Geschäfte. Nur noch 16 Prozent erwarten Verbesserungen. Jeder zweite Betrieb geht allerdings auch davon aus, dass sich an seiner derzeitigen Lage in den nächsten Monaten nichts Wesentliches ändern wird.

Auch im Baugewerbe ist eine gewisse Beruhigung erkennbar, bei nach wie vor guter Auslastung. 39 Prozent der Betriebe melden eine gute Geschäftslage, weit über die Hälfte ist immer noch zufrieden. Nur sechs Prozent bewerten ihre aktuelle Lage schlecht. Zuwächse zeigen der gewerbliche, der Wohnungs- und auch der Straßenbau. Angesichts der bevorstehenden Wintersaison und des gedämpfteren Investitionsklimas fürchtet aber fast jeder dritte Baubetrieb in den kommenden Monaten schlechtere Geschäftsabschlüsse, nur sechs Prozent gehen davon aus, dass es weiter besser wird. Die überwiegende Mehrzahl von 63 Prozent geht von einem stabilen Verlauf aus.

Etwas skeptischer bewerten die Einzelhändler ihre aktuelle Geschäftslage. Ein Drittel beschreibt die Lage als schlecht, nur knapp jeder Vierte als gut. Über ein Drittel der Händler berichten über Umsatzeinbußen in den vergangenen Monaten. Negativ beurteilt vor allen Dingen der Kfz- und der Textilhandel seine aktuelle Lage. Insgesamt bezeichnen über die Hälfte der Einzelhandelsbetriebe das Kaufverhalten derzeit als zurückhaltend. Obwohl robuster Arbeitsmarkt und stabile Einkommensentwicklung die Konsumgrundlage prinzipiell verbessern, werden die Verbraucher durch die Euro-Schulden-Krise verunsichert und die Kauflaune durch hohe Energie- und Spritpreise vermiest. Dementsprechend setzen die Einzelhändler auch kaum auf Besserungen. Nur zwölf Prozent der Betriebe erwarten künftig bessere Geschäfte, 28 Prozent befürchten dagegen Einbußen.

Deutlich besser ist die Stimmungslage im Großhandel. 42 Prozent der befragten Unternehmen berichten über eine gute Geschäftslage. Für jeden Zweiten ist sie immer noch befriedigend. Und nur acht Prozent bewerten sie als schlecht. Der produktionsnahe Großhandel profitiert aktuell noch von der guten Auslastung der Industrie, befürchtet aber Einbußen in den nächsten Monaten. Im Ergebnis setzt ein Fünftel aller Großhandelsbetriebe weiter auf Zuwächse. Mehr als jeder Vierte ist aber auch skeptisch eingestellt.

Ähnlich wie die Großhändler sind auch die regionalen Dienstleistungsunternehmen mit ihrer aktuellen Situation noch sehr zufrieden. Über ein Drittel bewertet die aktuelle Lage gut, nur zehn Prozent schlecht und jeder Dritte verzeichnete zuletzt Umsatzzuwächse. Verkehrsgewerbe und unternehmensnahe Dienstleister erzielten diese besonders durch positive Impulse der Industrie, nun allerdings registrieren sie auch hier zögerlichere Auftragseingänge.

Der regionale Arbeitsmarkt bleibt in robuster Verfassung. Die Arbeitslosenquote liegt mit fünf Prozent Ende September nur um 0,1 Prozentpunkte über dem Vorjahr. Im Kreis Olpe und im Altkreis Wittgenstein liegt sie mit 4,2 Prozent bzw. 4,0 Prozent noch deutlich unter dieser Marke. Im Altkreis Siegen werden 5,6 Prozent Arbeitslose gezählt. Alleine die Industrie hat in den vergangenen zwölf Monaten über 1100 Arbeitsplätze geschaffen, was einem Zuwachs von 2,2 Prozent entspricht. Die Einstellungsneigung der regionalen Wirtschaft fällt insgesamt allerdings geringer aus als zum Frühjahr. Trotzdem wollen unter dem Strich mehr Betriebe ihre Beschäftigung aus- statt abbauen. Auch im Großhandel und bei den Dienstleistern bleibt die Einstellungsneigung ausgeprägt.

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