„Die Rente ist gerecht, so wie sie ist“

Im Bild (von links): IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener, IHK-Präsident Felix G. Hensel. Professor Dr. Bernd Raffelhüschen, Dipl.-Ing. Jörg Dienenthal, Vorsitzender der Unternehmerschaft Siegen-Wittgenstein und Geschäftsführer Dr. Thorsten Doublet.

Ein komplexes Thema unterhaltsam, aber doch informativ und nachhaltig zu vermitteln, das ist eine Kunst, die Professor Dr. Bernd Raffelhüschen auf das Beste beherrscht. Der Direktor des Forschungszentrums Generationenverträge an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und Professor für Finanzwissenschaft war auf Einladung der Unternehmerschaft Siegen-Wittgenstein und der Industrie- und Handelskammer Siegen zu einer gemeinsamen Vortragsveranstaltung ins Haus der Siegerländer Wirtschaft gekommen. Sein Thema lautete: „Demographie, Wirtschaft und Soziales – eine Tour d´Horizon“ – und die wurde es dann auch.

Professor Bernd Raffelhüschen hielt der alternden Gesellschaft den Spiegel vor.

„Das, was ich Ihnen heute erzähle, ist nichts Neues, das kennen Sie alle schon.“ Gemeint war damit die demographische Entwicklung in Deutschland bis zum Jahr 2040. „Unsere Gesellschaft altert. Diese Entwicklung geschieht nicht in der Zukunft, sie ist heute schon da. Die Alterspyramide hat einen ordentlichen Bauch. Das sind die geburtenstarken Jahrgänge. Wenn die in die Rente gehen, haben wir ein großes Problem. Erst ab 2060 wird sich das Ganze wieder ausgleichen“, erläuterte Professor Raffelhüschen, der sich auch als Botschafter der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) engagiert.

Immer mehr Rentner müssten von immer weniger Beitragszahlern immer länger finanziert werden. Das sei eine Tatsache. Und es gebe keine Möglichkeit, daran noch etwas zu ändern. „Das ist bereits Realität und nicht Zukunft.“ Die Politik ignoriere dieses Problem weitgehend und verlasse sich darauf, dass die Wirtschaftsentwicklung in Deutschland auch weiterhin positiv verlaufe. Dabei sei das sehr unwahrscheinlich. „Wir hatten bis heute zehn Jahre ununterbrochenes Wirtschaftswachstum. Das hat es in unserer Geschichte bisher nur ein oder zweimal gegeben. Was wir derzeit erleben, ist praktisch ein zweites Wirtschaftswunder“, so Professor Raffelhüschen weiter. Statistisch gesehen sei es sehr unwahrscheinlich, dass dies auch in den nächsten fünf bis zehn Jahren so weitergehe. „Deshalb müssen wir unsere sozialen Sicherungssysteme demographiefest machen.“

Nach seiner Analyse sei die derzeitige Rente durchaus gerecht, denn sie basiere auf dem Lebensleistungsprinzip und sei generationengerecht. Dafür sorge der Nachhaltigkeitsfaktor. Jede Generation habe bislang rund ein Fünftel ihres Einkommens für die Alten aufgebracht. „Die Reformen, die die große Koalition jetzt auf den Weg bringen will, werden dieses System jedoch grundlegend verändern und zu erheblichen Problemen für unsere Kinder führen“, ist Professor Raffelhüschen überzeugt. Die Agenda 2010 der Regierung von Gerhard Schröder sei richtig gewesen, auch wenn sie der SPD massiv geschadet habe. Im Vergleich dazu sei beispielsweise die Rente mit 63 von Andrea Nahles ein unnötiges Geschenk gerade an diejenigen, die wir eigentlich dringend bräuchten, nämlich die gutqualifizierten Fachkräfte in unseren Unternehmen. „So etwas können wir uns aber nicht leisten.“

Auch das Thema Altersarmut sei völlig überzeichnet. Die Wahrscheinlichkeit, als Rentner im Alter unter die Armutsgrenze zu fallen, liege gerade einmal bei drei Prozent, in Ostdeutschland sogar nur bei 1,5 Prozent. „Altersarmut bedroht uns also nicht wirklich. Allerdings müssen wir uns darauf einstellen, in Zukunft länger zu arbeiten, möglicherweise sogar bis 70. Wer länger lebt, sollte auch länger arbeiten. Das ist generationengerecht. Gleichzeitig müssen wir neben der gesetzlichen Rente als Basisversorgung eine zusätzliche finanzielle Absicherung aufbauen. Da werden wir nicht drum herum kommen.“ Die Faustformel dafür habe schon sein Opa gekannt, so Professor Raffelhüschen. Sie laute ganz einfach: „Nicht alle Eier in einen Korb legen.“ Fünf bis sieben Prozent des persönlichen Einkommens seien notwendig, um später siebzig Prozent des Lebensstandards zu erreichen.

Die rund 150 Zuhörerinnen und Zuhörer honorierten die Ausführungen des Freiburger Wissenschaftlers mit anhaltendem Applaus. IHK-Präsident Felix G. Hensel bedankte sich im Namen der IHK Siegen und der Unternehmerschaft Siegen-Wittgenstein für den gelungenen Vortrag. Jörg Dienenthal, Vorsitzender der Unternehmerschaft Siegen-Wittgenstein, hatte zu Beginn der Veranstaltung die Gäste begrüßt. Dabei unterstrich er das Engagement beider Institutionen für die Wirtschaft in Siegen-Wittgenstein. Demographie, Wirtschaft und Soziales seien auch zentrale Themen für die heimische Region. „Der demographische Wandel, die Überalterung unserer Bevölkerung und der zunehmende Mangel an qualifizierten Fachkräften sind für unsere Unternehmen große Herausforderungen. Wir versuchen diese Veränderungen aktiv zu begleiten und mitzugestalten, im Sinne unserer Unternehmen, aber auch im Interesse der Beschäftigten in unserer Region. Das gilt für die Unternehmerschaft auf dem Gebiet der Tarifpolitik ebenso wie für die Industrie- und Handelskammer Siegen, die als Selbstverwaltungseinrichtung aller Gewerbetreibenden der Region Siegen-Wittgenstein und Olpe die Interessen der Wirtschaft gegenüber der Politik und den Verwaltungen vertritt.“

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