Der Schuss könnte auch nach hinten losgehen

Wenn man nicht weiter weiß, dann muss es eben der Gesetzgeber richten. Der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert augenscheinlich neue gesetzliche Regelungen, um mehr Unternehmen in die Tarifbindung zu zwingen. Dazu hat er jetzt einen 14-Punkteplan beschlossen. Danach soll beispielsweise ein Austritt aus dem Arbeitgeberverband oder der Ausstieg aus einer Tarifbindung für Betriebe deutlich schwieriger werden. Ebenso soll die Regierung Tarifverträge leichter für allgemeinverbindlich erklären können, damit diese auch Unternehmen erfassen, die keinem Arbeitgeberverband beitreten.

Nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sieht das Papier im Einzelnen u. a. vor, OT-Mitgliedschaften („ohne Tarifbindung“) in Arbeitgeberverbänden gesetzlich zu beschränken. Damit dürften Verbandsmitglieder etwa nach einem aus ihrer Sicht zu teuren Lohnabschluss nicht mehr kurzfristig aus der Tarifbindung aussteigen, indem sie ihre Mitgliedschaft ändern. Ebenso fordert der DGB, die Regeln zur sogenannten Nachwirkung und Fortgeltung von Tarifverträgen in mehreren Punkten gesetzlich zu verschärfen. Dies betrifft die Frage, inwieweit Betriebe nach Verbandsaustritt, nach Umstrukturierung oder Verkauf an alte Tarifverträge gebunden bleiben. Künftig soll es dem Konzept zufolge eine deutlich weiterreichende Bindung geben. So gilt bisher die Regel, dass nach dem Ausstieg des Betriebs aus einem Tarifvertrag dieser zumindest nicht für jene Arbeitnehmer gilt, die erst später eingestellt werden; nur für Altbeschäftigte bleibt die Bindung an den alten Tarif oft bestehen. So ein „Zwei-Klassen-Recht“ dürfe es nicht länger geben, heißt es in dem Papier.

Wie die FAZ weiter berichtet, sieht der Gewerkschaftsbund indes Pläne von Union und SPD, in Arbeitnehmerschutzgesetzen mehr Spielraum für abweichende tarifliche Regelungen zu schaffen, kritisch. Angesichts des digitalen Wandels gibt es solche etwa im Hinblick auf das Arbeitszeitgesetz: Falls sich Gewerkschaft und Arbeitgeberverband in einer Branche einigen, könnten sie flexiblere Regeln festlegen. Der DGB warnt den Gesetzgeber jedoch: „Tarifverträge dürfen kein Instrument zur Unterschreitung gesetzlicher Mindeststandards sein.“

Auf den ersten Blick könnte ein außenstehender Betrachter jetzt vermuten, die Arbeitgeberverbände hätten den DGB womöglich für eine gemeinsame Kampagne zur Stärkung der Tarif- und Mitgliederbindung gewonnen. Dem ist allerdings nicht so. Der Gewerkschaftsbund ist ganz alleine auf diese Idee gekommen, die den Grundsätzen der Tarifpartnerschaft in unserem Land nicht entspricht und letztlich nichts anderes ist, als ein Armutszeugnis gewerkschaftlicher Tarifpolitik.

Warum verlassen denn immer mehr Unternehmen den Flächentarif oder treten ihm gar nicht erst bei? Mit dieser Frage beschäftigt sich der DGB in seinem Papier offensichtlich nicht. Dann müsste er nämlich feststellen, dass die Tarifpolitik der letzten Jahre eben nicht Mindeststandards gesetzt hat, die von den meisten Unternehmen eingehalten werden können. Vielmehr lag das Interesse der Gewerkschaften eher darin, ihren Mitgliedern möglichst umfangreiche Wohltaten zukommen zu lassen und das häufig auf Kosten einer größer werdenden Zahl von Unternehmen, die dabei nicht mehr mithalten konnten. Das Problem der schwindenden Tarifbindung ist also kein prinzipielles, sondern ein wirtschaftlich begründbares. Daran wird auch der Gesetzgeber kaum etwas ändern können. Nur weil man die eigenen, häufig überzogenen Forderungen nicht mehr überall realisieren kann, ergibt sich daraus noch lange kein Anspruch auf eine allgemeinverbindliche gesetzliche Regelung.

Im Übrigen sollten die Gewerkschaften mit Forderungen an den Gesetzgeber generell zurückhaltend sein. Es könnte dadurch nämlich der Eindruck entstehen, die grundgesetzlich garantierte Tarifautonomie in Deutschland funktioniere nicht mehr. Der Schuss könnte dann auch kräftig nach hinten losgehen.

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