1,3 Millionen Euro für Struktur- und Fachkräfteprojekte

IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener, Gastredner Frank Schmidt, Vorsitzender der Geschäftsführung der Arbeitsagentur in Siegen, sowie IHK-Präsident Felix G. Hensel (v.l.n.r.) bei der Vollversammlung der IHK Siegen.

Die Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer (IHK) Siegen setzt schon seit 2013 darauf, durch eigene Projektmittel Fachkräfte für die regionale Wirtschaft zu gewinnen und die Wirtschaftsstruktur zu stärken. Mehr als 2 Millionen Euro wurden bereits in dieses Ziel investiert. Und sie geht diesen Weg konsequent weiter: Bis 2020 werden weitere 1,3 Millionen Euro für Projekte eingesetzt, allein für das nächste Jahr gab die Vollversammlung in ihrer Wintersitzung 605.000 Euro frei. IHK-Präsident Felix G. Hensel und IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener dankten den Unternehmern dafür. Hensel: „Damit können wir auch sehr anspruchsvolle Aufgaben angehen.“ Mit den finanziellen Mitteln sollen zum Beispiel junge Fachkräfte, die aus der Region stammen, aber nun außerhalb leben, vom „Heimvorteil“ überzeugt werden. Die IHK hofft, sie in der Zeit der Familiengründung mit den Vorzügen der Heimat von sicheren Arbeitsplätzen bis zur hohen Lebensqualität locken zu können. Mit der Qualifizierung von „Digital Scouts“ wird für kleine Unternehmen ein Angebot geschaffen, das ihnen hilft, die Digitalisierung als Chance zu nutzen. Durch die Befragung von Kunden wird untersucht, inwieweit der Einzelhandel in den Kommunen in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe für die Zukunft gerüstet ist und was zu tun ist, um die Innenstädte zu stärken. Das Fachkräfteproblem ist inzwischen auch in der Unternehmensspitze angekommen: Bis zu einem Viertel der Unternehmen im Kammerbezirk braucht innerhalb der nächsten zehn Jahre einen Nachfolger. Bei dem Prozess werden die Betriebe noch stärker als bisher durch die IHK unterstützt.

Dass Investitionen in die Fachkräftesicherung enorm wichtig sind, hob auch Gastredner Frank Schmidt hervor. Der Vorsitzende der Geschäftsführung der Arbeitsagentur in Siegen mahnte, dass die Digitalisierung den Arbeitsmarkt dramatisch verändern werde. – Und es deshalb erforderlich sei, die Fachkräfte entsprechend zu schulen. „Vor dem Hintergrund des heute technisch Machbaren ist bereits mehr als jede vierte Fachkraft in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe ersetzbar.“ Das seien rund 30.000 Menschen. Er begründete diese Hochrechnung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) mit der Wirtschaftsstruktur der Region und ihrem hohen Anteil im produzierenden Gewerbe. Daher sorgte sich Frank Schmidt „um die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die in Sachen Digitalisierung möglicherweise nicht mithalten, die diesen Wandel nicht mitgestalten können“.

„Zwei Drittel der Kinder, die jetzt eingeschult werden, werden Prognosen zufolge Berufe erlernen, die es heute noch nicht gibt“, zeigte Schmidt weiter auf. Daher müssten auch die „Bildungsträger aufpassen, dass sie die Entwicklung nicht verschlafen“. Gleichwohl nehme die Qualität und Quantität der Bewerber ab. „Wir werden nicht alle jungen Menschen in die Ausbildung bringen.“ Er forderte, in neuen Modellen zu denken und sich in Kooperation der Arbeitsmarktakteure auf wenige, erfolgversprechende Maßnahmen zu fokussieren. Angesichts des weiter boomenden Onlinehandels und der auch im Handel weiter rasant zunehmenden Digitalisierung gehört für Frank Schmidt auch der stationäre Einzelhandel zu denjenigen Branchen, in denen Fachkräfte in hohem Maße ersetzbar seien. „Bereits heute erledigen 51 Prozent der Befragten einer aktuellen Studie zufolge ihre Weihnachtseinkäufe online. Und 77 Prozent der unentschiedenen Kunden, die sich im Laden informieren, kaufen online.“ Es könne sein, dass Kunden in zehn Jahren mit einer speziellen Brille von zu Hause aus durch virtuelle Shoppingmalls flanieren und sich Bekleidung nach Hause schicken lassen. „Die Körpermaße sind nach einem Bodyscan bis dahin längst online gespeichert“, so Schmidt. Das ändere das Einkaufsverhalten wahrscheinlich deutlich.

Die Situation heute sei glücklicherweise noch eine andere. Frank Schmidt: „Es sind keine Anzeichen zu erkennen, dass die positive wirtschaftliche Entwicklung kippt.“ Dieser Entwicklung sei es auch zu verdanken, dass sich unter den 170.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten 25.000 ohne beruflichen Ausbildungsabschluss befänden. „Schön ist, dass so viele Menschen auch ohne formale Qualifikation arbeiten und Chancen bekommen. Wir müssen aber gemeinsam daran arbeiten, dass sie mit dem entsprechenden Wissen versorgt werden und so in Beschäftigung bleiben. Wir helfen den Unternehmen dabei mit unserem Sonderprogramm WeGebAU“. Stirnrunzeln bereiteten ihm die 47.000 geringfügig Beschäftigten, von denen gut die Hälfte Fachkräfte seien. „Das ist ein Becken, aus dem sich Arbeitgeber noch bedienen können.“ Felix G. Hensel nahm die Hinweise von Schmidt gerne auf: „Wir als IHK stehen für eine Zusammenarbeit mit den anderen Akteuren gerne bereit, um die Fachkräfteversorgung in der Region sicherzustellen.“ Das zeige sich ja auch in den erheblichen Finanzmitteln, die seit einigen Jahren hierfür eingesetzt würden.

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