Zuwanderung aus Nicht-EU-Ländern ist von nachrangiger Bedeutung

Fast zwei Drittel der Personalverantwortlichen in den IHK-zugehörigen Unternehmen in Siegen-Wittgenstein und Olpe begrüßen zwar die neuen Regelungen zur erleichterten Zuwanderung von Fachkräften aus Nicht-EU-Ländern. Knapp drei Viertel messen ihnen bei ihrer eigenen betrieblichen Personalentwicklung derzeit allerdings noch keine grundlegende Bedeutung bei. Weniger als 10 Prozent der Unternehmen werden dadurch voraussichtlich mehr Facharbeiter aus Nicht-EU-Staaten einstellen. Dies sind die wesentlichen Ergebnisse einer Blitzumfrage, die die Industrie- und Handelskammer Siegen (IHK) durchführte, nachdem die Bundesregierung kürzlich die Beschäftigungsverordnung für Nicht-EU-Bürger neu regelte. Der heimische Arbeitsmarkt soll dadurch für Facharbeiterinnen und Facharbeiter aus diesen Staaten geöffnet beziehungsweise erleichtert werden. Für diesen Personenkreis war es bisher kaum möglich, in Deutschland zu arbeiten. Nach der neuen Regelung sollen Facharbeiter, die künftig in Deutschland arbeiten möchten, prüfen lassen, ob der Ausbildungsabschluss gleichwertig mit einer deutschen Berufsausbildung ist. Das Verfahren kann vom Heimatland aus betrieben werden. Zudem muss ein entsprechender Bedarf am heimischen Arbeitsmarkt bestehen. Die Bundesagentur für Arbeit ermittelt daher regelmäßig die Engpassberufe. Die Verordnung soll voraussichtlich ab Juli 2013 gelten. Bis dahin soll die Positivliste für die gesuchten Facharbeiter-Berufe fertig gestellt sein.

Die Kammer fragte bei Personalverantwortlichen in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe nach, was diese von der neuen Regelung halten. Über 80 Firmen antworteten. IHK-Hauptgeschäftsführer Franz J. Mockenhaupt: „Die Botschaft ist eindeutig. Der Zuzug von außereuropäischen Fachkräften ist aus Sicht der Firmen im Hinblick auf das Fachkräfteproblem von nachrangiger Bedeutung. Vielmehr sehen sich die Unternehmen vor allem selbst in der Pflicht. Die neuen Regelungen sind grundsätzlich sicher ein Schritt in die richtige Richtung, dem allerdings weitere folgen müssen, insbesondere um das im Inland verfügbare Fachkräftepotenzial noch besser nutzen zu können.“ Hier sähen die Unternehmen zumindest derzeit den zentralen Ansatzpunkt zur Milderung der Fachkräfteproblematik. Für immerhin 54 Prozent der Unternehmen sei dies von wesentlicher Bedeutung. Zumindest kurzfristig seien daher von den gelockerten Zuwanderungsregelungen keine nennenswerten Effekte zu erwarten. Dies dürften die arbeitsmarktpolitischen Akteure im Bund schon allein deswegen nicht ignorieren, weil diesbezüglich bereits bei früheren Befragungen eine gewisse Skepsis bei den Unternehmen offenkundig geworden sei. Auch die so genannte „Blue Card“, die Akademikern aus Nicht-EU-Staaten verbesserte Möglichkeiten verschaffte, in der Bundesrepublik zu arbeiten, sei zwar von den Personalverantwortlichen der Unternehmen prinzipiell begrüßt worden, ohne dass man von ihr jedoch nennenswerte Wirkungen für die eigene betriebliche Personalpolitik erwartet hätte. Auf der Prioritätenskala der Firmen hinsichtlich der Fachkräfteversorgung rangiere jedenfalls derzeit die Problemlösung im Inland eindeutig vor derjenigen im Ausland.

Folgerichtig gaben 89 Prozent der Befragten an, sich bei ihren Aktivitäten vornehmlich auf das Inland konzentrieren zu wollen. Ein weiteres wichtiges Ergebnis brachte die Umfrage hervor: Die Firmen wollen vor allem ihre eigenen Aktivitäten intensivieren. Denn auf die Frage, was unabhängig von den Zuwanderungsregelungen für Facharbeiter beim Thema Fachkräfte von vorrangiger Bedeutung sei, nannten drei Viertel der Unternehmen an erster Stelle die Aus- und Weiterbildung des eigenen Personals, dicht gefolgt von vermehrten Anstrengungen für eine verbesserte Vereinbarung von Familie und Beruf (69 Prozent). Es folgt die Forderung nach einer durchgreifenden Verbesserung des Bildungsniveaus in Deutschland (64 Prozent). Immerhin 39 Prozent der Betriebe wollen in Zukunft auch verstärkt ältere Fachkräfte einstellen.

Demgegenüber wird die vermehrte Einstellung von Frauen (25 Prozent) deutlich seltener genannt. IHK-Geschäftsführer Klaus Gräbener: „Das hat uns doch etwas verwundert. Denn die Aktivierung nicht erwerbstätiger Frauen ist aus unserer Sicht unverzichtbar, wenn das Problem fehlender Fachkräfte insbesondere in den technischen Berufen konsequent angegangen werden soll.“ Weniger erstaunlich ist aus Sicht der IHK, dass lediglich 20 Prozent der Firmen die Forderung nach mehr Ingenieurabsolventen für vorrangig halten und nur 10 Prozent insgesamt mehr Hochschulabsolventen in Deutschland fordern. Das mache ein weiteres Mal deutlich, dass das Hauptgewicht bei der Fachkräftesicherung bei den beruflich Qualifizierten liegt und erst in zweiter Linie bei Akademikern. Zudem gaben nur 13 Prozent der befragten Personalchefs an, man solle das Zuwanderungsrecht mit dem Ziel ändern, Zuwanderer ausschließlich nach ihren Qualifikationen einreisen zu lassen. Auch diese gesellschaftspolitisch immer wieder diskutierte Forderung wird offenbar von der überwiegenden Mehrzahl der Personalchefs noch nicht als betriebswirtschaftliche Notwendigkeit gesehen.

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