„Region sollte Willkommenskultur deutlich verbessern“

Universitaet-Siegen„Über die 2000 ausländischen Studierenden der heimischen Universität wissen wir fast nichts. Sie stellen ein wichtiges Potential für unsere zukünftige Fachkräftesicherung dar. Die Region schöpft diese Möglichkeiten indes nicht hinreichend aus. Zu viele wandern ab, ohne ernsthaft die Chancen geprüft zu haben, die ihnen die Unternehmen in Siegen-Wittgenstein und Olpe bieten. Das muss sich ändern.“ Mit diesen Worten verdeutlichte IHK-Präsident Klaus Th. Vetter die Motivation, eine breit angelegte wissenschaftliche Erhebung in Auftrag zu geben, die die Einschätzungen der ausländischen Studierenden bezogen auf die Region insgesamt, die Wirtschaft und das Studium untersuchte. Die Industrie und Handelskammer (IHK) lade die Unternehmen, die Universität und die zentralen arbeitsmarktpolitischen Akteure in beiden Kreisen ein, die vorgelegten Ergebnisse selbstkritisch zu reflektieren und hieraus die erforderlichen Handlungsbausteine für ein gemeinschaftliches Handeln zu entwickeln. Klaus Vetter: „Wir wollen einen Prozess in Gang setzen, an dessen Ende vor allem eine denkbar einfache Grundbotschaft steht. Uns freut, dass Ihr in Südwestfalen studiert, in einer durchgängig mittelständisch geprägten, außerordentlich wachstumsstarken und wirklich lebenswerten Region. Ihr seid uns willkommen.“

Die zentralen Studienergebnisse referierte Dr. Sonja Weber-Menges, die die empirische Erhebung im Auftrag der Kammer durchführte: Über 1200 ausländische Studierende und Absolventen hat sie befragt. Diese schätzen das Studium in Siegen überwiegend positiv ein: Jeder Vierte berichtet über meist nur gute Erfahrungen an der Siegener Universität, für über die Hälfte ist das Studium von hoher Qualität und Garant für breites Fachwissen. Mehr als jeder Zweite hält das Studium aber auch für zu „theorielastig“. 72 Prozent wünschen sich eine stärkere Verbindung von Theorie und Praxis und 60 Prozent mehr studienbegleitende Praktika oder Praxisphasen. Fast ein Viertel der Befragten klagen über evidente Sprachprobleme. Hierbei müsse jedoch eindeutig zwischen den unterschiedlichen Fachbereichen differenziert werden. Viele Studierende fühlten sich während ihres wissenschaftlichen Studiums nicht hinreichend durch die Region insgesamt, aber auch durch die Universität „an die Hand genommen“. Dr. Weber-Menges: „Über die Wirtschaft und den regionalen Arbeitsmarkt wissen zu viele von ihnen zu wenig. Bedenklich stimmt zudem, dass viele ausländische Kommilitonen mit den regionalen Berufsberatungen nicht zufrieden sind“. Besonders die ausländischen Absolventen sähen hier Defizite: Für mehr als 42 Prozent waren die Berufsberatungen nicht hilfreich.

Deutlich über die Hälfte der ausländischen Studierenden haben Schwierigkeiten bei der Einwerbung von betrieblichen Praktikaplätzen. Gerade hier gebe es sicher noch „Luft nach oben“. Daran sollte in den kommenden Monaten konsequent gearbeitet werden, betonte Dr. Weber-Menges. Mindestens ebenso interessant sind die Einschätzungen der jungen Leute hinsichtlich der regionalen Wirtschaft. Mehr als ein Viertel der ausländischen Studierenden würde bei einem passenden Jobangebot durchaus in der Region arbeiten. Jedoch gibt es insgesamt erhebliche Informationsdefizite hinsichtlich der Unternehmen und der Wirtschaftsstruktur. Hier liege es an den zentralen arbeitsmarktpolitischen Akteuren, deutlich gegenzusteuern. Auch international bedeutende Unternehmen der Region seien den Studierenden nahezu unbekannt. Dies sei ebenso überraschend wie problematisch. Dr. Weber-Menges: „Defizite machen die jungen Leute auch beim Wohnen, in der Verkehrsinfrastruktur und beim kulturellen Angebot aus. Bemerkenswert ist zudem, dass teilweise auch den Behörden ein deutlich negatives Zeugnis ausgestellt wird. Auch hier ist Korrekturbedarf gegeben – und zwar auf unterschiedlichen Ebenen“.

Der Rektor der Universität Siegen, Prof. Dr. Holger Burckhart, bezeichnete die Studie als einen weiteren wichtigen Schritt, auf einen tendenziell bisher eher vernachlässigten Personenkreis zuzugehen. Es sei gut, dass hier von einer externen Stelle eine Untersuchung beauftragt worden sei. Dadurch bestehe für die Universität Siegen die Chance, das eigene Dienstleistungsangebot in diesem Segment zu reflektieren und weiter zu optimieren. Diese Chance wolle die Universität gerne nutzen. Nichts sei so gut, dass man es nicht noch deutlich verbessern könnte. Ihn freue, dass auch die ausländischen Studierenden dem Studium an der Universität Siegen überwiegend eine hohe Qualität bescheinigten.

Prof. Dr. Burckhart äußerte die Bereitschaft, gemeinsam mit den anderen regionalpolitisch relevanten Akteuren daran mitzuwirken, noch engmaschigere Beratungs- und Betreuungsstrukturen für die ausländischen Studierenden aufzubauen. Er verwies in diesem Zusammenhang auch auf die vielfältigen Initiativen, die das International Office in den vergangenen Monaten unternommen habe. Die Universität verstehe sich als weltoffen, sei dankbar für möglichst intensiven internationalen Austausch und wäre zudem bestrebt, auch durch rein fremdsprachliche Studienangebote Alleinstellungsmerkmale auszuprägen. Wenn gemeinschaftlich die Chancen verbreitert würden, auch dem heimischen Arbeitsmarkt leistungsfähige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zuzuführen, sei dies uneingeschränkt zu begrüßen. Burckhart: „Wir werden als Universität alle erdenklichen Initiativen unterstützen, die den jungen ausländischen Studierenden noch bessere Brücken in den heimischen Arbeitsmarkt bauen.“

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