Mittelstand nimmt die Digitalisierung an

86 Prozent der heimischen Unternehmen sehen in der digitalen Transformation eine erhebliche Chance für den unternehmerischen Erfolg. Mehr als die Hälfte der Firmen verfügt über Mitarbeiter, die sich speziell mit damit verbundenen Prozessen und Projekten beschäftigen. Fast 40 Prozent der Firmen sehen sich bei der Digitalisierung in einer mindestens fortgeschrittenen Phase. Knapp 30 Prozent der befragten Firmen fühlen sich indessen bei der Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle schlecht aufgestellt. Dies sind die wesentlichen Ergebnisse einer aktuellen IHK-Umfrage, an der sich rund 120 Betriebe aus den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe beteiligten.

Gefragt wurde danach, welche Rolle die Digitalisierung für die Unternehmensausrichtung spielt, wie „fit“ sich die Firmen in diesem Feld fühlen und welche Hürden aus ihrer Sicht noch bestehen. „Unser Mittelstand nimmt die Digitalisierung an. Dabei ist er auf einem guten Weg. Trotzdem offenbaren die Ergebnisse bei etlichen Unternehmen noch Handlungsbedarf“, betont IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener. Mehr als 60 Prozent der Betriebe sähen sich allenfalls in einem Frühstadium unterwegs. Allein 12 Prozent haben sich noch gar nicht mit dem Thema beschäftigt. Ungünstig fällt die unternehmerische Selbsteinschätzung zudem hinsichtlich der Suche und Pflege von Partnern zur Innovationsförderung aus. „Genau das wird aber in Zukunft immer wichtiger. Denn die Digitalisierung geht immer mehr mit dem Teilen von Informationen einher. Eine isolierte Herangehensweise wird daher immer schwieriger, Kooperationen und Netzwerke erlangen dagegen immer entscheidendere Bedeutung“, betont IHK-Referatsleiter Stephan Jäger, der die Umfrage mit Unterstützung des Wirtschaftsjuniors Christian Friedrich durchführte. Letzterer hat sich auf das Thema digitale Transformation spezialisiert. Die IHK hofft hier auch auf zusätzliche Impulse vom „Kompetenzzentrum Mittelstand 4.0“, das derzeit an der Universität Siegen eingerichtet wird. Das Zentrum soll vor allem durch themenspezifische Workshops, Showrooms und individuelle Umsetzungsprojekte den Unternehmen dabei helfen, die mit dem digitalen Wandel verbundenen soziotechnischen Herausforderungen besser zu bewältigen.

Ordentlich stufen sich die Betriebe selbst ein, wenn nach der Entwicklung eigener Digitalisierungsstrategien und digitalen Innovationen gefragt wird: Jeweils rund ein Drittel gibt sich hierbei die Note „gut“. Aber auch bei diesen Punkten bestehen offenbar bei einem nennenswerten Anteil der Firmen gewisse Selbstzweifel. Immerhin stufen sich hier mehr als ein Viertel als „schlecht“ ein. Hinsichtlich digitaler Innovationen sind es sogar knapp 29 Prozent. Bemerkenswert zudem, dass knapp die Hälfte der befragten Unternehmen in der Qualifikation der Mitarbeiter ein Risiko sieht und 43 Prozent Risiken für die Unternehmenskultur befürchten. Klaus Gräbener: „Hier wird ein Paradoxon offenkundig. Die Betriebe wissen, dass sie die anstehenden Herausforderungen nur mit motivierten und hochqualifiziertem Personal bestehen. Sie ahnen derzeit jedoch nur bruchstückhaft, welche fachlichen und überfachlichen Qualifikationen die Arbeitsplätze der Zukunft tatsächlich erfordern. Sie stehen gewissermaßen vor dem Problem, das Ziel zwar nicht exakt zu kennen, jedoch als erste da sein zu müssen.“ Dabei gehe es sowohl um die duale Erstausbildung als auch die innerbetriebliche Weiterbildung. „Ändert sich die Arbeitswelt derart radikal wie es derzeit scheint, müssen sich auch die Ausbildungsinhalte und die Vermittlungsmethoden ändern. Und zwar schnell. Es geht also im Kern auch darum, wie Lehrkräfte und Ausbilder zukünftig welches Wissen und welche Kompetenzen vermitteln. Hier stehen wir noch am Anfang einer sehr wichtigen Debatte“, verdeutlicht Klaus Gräbener.

Mehr als zwei Drittel der Firmen geht im Rahmen der digitalen Transformation von starken Veränderungen bei den Geschäftsprozessen bzw. –modellen aus. Andererseits erwartet ebenso fast ein Drittel nur geringe Änderungen. In „traditionellen“ Branchen liegt dieser Anteil sogar noch höher. Stephan Jäger: „In der Fläche muss sicher noch mehr Bewusstsein für die Veränderungsdynamik geschaffen werden. Was digitalisiert werden kann, wird sicher in Zukunft auch digitalisiert. Alles andere wäre verwunderlich.“ Sich erst anpassen zu wollen, wenn der digitale Wandel sich durchgesetzt habe, sei jedenfalls eine riskante Unternehmensstrategie. Je schneller die digitale Transformation in der Wirtschaft als strategisch bedeutsame Führungsaufgabe wahrgenommen werde, desto besser. Wie man es machen könne, dokumentierten etliche heimische Unternehmen, die seit Jahren erfolgreich mit Nischenprodukten auf den Weltmärkten unterwegs seien. Gerade weil sie unter dem Zwang des internationalen Wettbewerbs immer wieder völlig neue Prozesse und Produkte eingeführt hätten, wirkten die „digitalen Kräfte“ auf solche Unternehmen voraussichtlich weniger wettbewerbskritisch ein. Die IHK nehme die Ergebnisse zum Anlass, zukünftig noch intensiver Gesprächsplattformen für den zwischenbetrieblichen Erfahrungsaustausch zu schaffen und dies in enger Zusammenarbeit mit dem „Kompetenzzentrum Mittelstand 4.0“ der Universität Siegen in Angriff zu nehmen.

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