Mangelnde Ausbildungsreife als Herausforderung angenommen

Die Unternehmen in Siegen-Wittgenstein und Olpe sehen nach wie vor erhebliche Mängel bei den elementaren Rechenfertigkeiten junger Schulabsolventen als ein wesentliches Ausbildungshemmnis. Darüber hinaus kritisieren sie Defizite bei der Belastbarkeit, der Motivation und der Leistungsbereitschaft der jungen Leute. Die Unternehmen bleiben jedoch nicht bei der Kritik stehen, sondern versuchen bereits heute durch vielfältige Aktivitäten, auf die aus ihrer Sicht mangelnde Ausbildungsreife der Schulabgänger zu reagieren. Dies geht aus einer neuen IHK-Umfrage bei 146 Personal- und Ausbildungsverantwortlichen aus den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe hervor.

58 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, durch eigene Nachhilfeangebote die mangelnde Ausbildungsreife der Schulabgänger zu kompensieren. Immerhin 32 Prozent nutzen die Ausbildung begleitenden Hilfen der Agentur für Arbeit. 25 Prozent der Firmen arbeiten stärker mit Bildungsträgern zusammen als bisher oder versuchen über betriebliche Einstiegsqualifizierungen, den Pool ihrer potentiellen Bewerber zu vergrößern. Lediglich jedes fünfte Unternehmen macht dabei sein Engagement bei der Einrichtung von Ausbildungsplätzen für lernschwächere Jugendliche von der Bereitstellung öffentlicher Fördermittel abhängig. Für 39 Prozent der befragten Firmen sind die sozialen Kompetenzen wie zum Beispiel die Leistungsbereitschaft oder die Umgangsformen wichtiger als die schulischen Leistungen. IHK-Hauptgeschäftsführer Franz J. Mockenhaupt: „Dies alles zeigt, dass zahlreiche Unternehmen die Zeichen der Zeit erkannt haben und dabei sind, ihre Anforderungen an ihre zukünftigen Fachkräfte neu zu justieren. Wie stark den Unternehmen mittlerweile das möglicherweise fehlende Personal unter den Nägeln brennt, wird auch dadurch deutlich, dass lediglich jedes achte Unternehmen angab, zukünftig weniger Fachkräfte zu benötigen.“

Die Unternehmen erkennen zudem immer stärker, dass sich vergleichsweise ungünstige betriebliche Alterspyramiden zu einem strukturellen Problem auswachsen können. Immerhin 33 Prozent wollen auf das altersbedingte Ausscheiden ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch mehr Ausbildungsplätze reagieren. Knapp 48 Prozent setzen darauf, die benötigten Fachkräfte auf dem heimischen Arbeitsmarkt rekrutieren zu können. 55 Prozent setzen darauf, das eigene Personal durch intensivere betriebliche Weiterbildung noch stärker an das Unternehmen binden zu können. IHK-Geschäftsführer Klaus Gräbener: „Noch keine drei Prozent der befragten Unternehmen geben an, mehr Fachkräfte aus dem Ausland gewinnen zu wollen. Hier heißt die Devise offenkundig: „Keine Experimente“. Man setzt eher darauf, im unmittelbaren eigenen Umfeld das verfügbare Potential besser als bisher auszuschöpfen.“

Zwar registrieren 37 Prozent der hiesigen Ausbildungsunternehmen derzeit noch keine rückläufigen Bewerberzahlen auf dem Lehrstellenmarkt und sehen für sich selbst noch keinen akuten Handlungsbedarf. Die anderen Firmen reagieren allerdings bereits heute mit vielfältigen Instrumenten auf die sinkende Nachfrage nach Lehrstellen; und zwar vor allem durch die zusätzliche Bereitstellung von Praktikaplätzen (36 Prozent), verstärkte Kooperationen mit allgemein bildenden Schulen (28 Prozent) sowie ein intensiveres Ausbildungsmarketing (24 Prozent). Franz J. Mockenhaupt: „Jedes siebte Unternehmen senkt bereits seine inhaltlichen Anforderungen an die Vorbildung der Bewerberinnen und Bewerber und bietet zugleich verstärkte Angebote für lernschwächere Jugendliche an. Dies zeigt, dass der Gezeitenwechsel auf dem Lehrstellenmarkt langsam aber sicher Platz greift.“ Dabei sei zudem interessant, dass die Unternehmen nicht nur mit den allgemein bildenden Schulen stärker kooperierten als bisher. Jedes zehnte Unternehmen erschließe neue Bewerbergruppen, etwa die Studienabbrecher. Und immerhin noch jedes elfte Unternehmen verstärke seine Kooperationen mit Hochschulen – etwa durch die Inanspruchnahme dualer Studienangebote.

Unterschiedlichste Wege schlagen die Unternehmen mittlerweile auch bei der Rekrutierung ihrer Auszubildenden ein. 51 Prozent setzen schwerpunktmäßig auf das Internet. Überwiegend werden hierbei Stellenanzeigen auf der eigenen Homepage geschaltet. Aus Sicht der IHK Siegen sind die Unternehmen sehr gut beraten, wenn sie gerade an dieser Stelle ihre Alleinstellungsmerkmale deutlich herausstellen. Klaus Gräbener: „Aus anderen Untersuchungen wissen wir, dass sich junge Leute vor allem über die betriebliche Homepage informieren. Es lohnt sich daher, die Homepage um spezielle Rubriken für potentielle Lehrlinge zu ergänzen, die im besten Falle von den aktuellen Auszubildenden mit gestaltet werden. Hier kann mit kleinem Geld große Wirkung erzielt werden.“ Aber auch Lehrstellenbörsen werden intensiv genutzt. Demgegenüber ist die Inanspruchnahme sozialer Medien wie etwa Facebook oder Twitter tendenziell verhalten ausgeprägt. Weit überwiegend setzen die Unternehmen nach wie vor auch auf traditionelle Anzeigen in regionalen Printmedien (56 Prozent), die direkte Ansprache von Schülerinnen und Schülern in Schulen (37 Prozent) sowie Ausbildungsmessen (27 Prozent). 54 Prozent der befragten Unternehmen nutzen bei ihrer Bewerbersuche zudem grundsätzlich die Agentur für Arbeit, 26 Prozent gaben an, deren Dienstleistungen hin und wieder in Anspruch zu nehmen. Nur jedes fünfte Unternehmen gab an, die Dienstleistungen der Agentur für Arbeit nicht zu nutzen.

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