Konjunkturabkühlung offenkundig

„Das Konjunkturklima kühlte sich in der regionalen Wirtschaft im Frühjahr 2019 spürbar ab. Zahlreiche Unwägbarkeiten bremsen die Dynamik der heimischen Unternehmen. Vor allem unsere exportorientierte Industrie bekommt dies zu spüren. Dass wir nach einem jahrelangen Aufschwung eines Tages in eine Phase geringeren Wachstums eintreten, ist allerdings auch nicht wirklich überraschend“, kommentiert der IHK-Präsident Felix G. Hensel die Ergebnisse der aktuellen Konjunkturumfrage, an der sich 405 Unternehmen aus Industrie, Bauwirtschaft, Handel und Dienstleistungen in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe beteiligten. Wichtig sei jetzt, die Lage mit Augenmaß zu analysieren und auf dem politischen Parkett die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Der IHK-Konjunkturklimaindex – er ergibt sich aus Lagebeurteilung und Erwartungen – fällt gegenüber der Befragung zu Jahresbeginn um 11 Punkte von 123 auf 112 Punkte zwar deutlich, bleibt aber immer noch auf überdurchschnittlichem Niveau. Immer noch 38 Prozent der hiesigen Unternehmen bewerten ihre Geschäftslage als gut. Zum Jahresanfang meldete das noch fast die Hälfte. Im Vergleich zum Jahresanfang geben mit 11 Prozent auch doppelt so viele Unternehmen eine schlechte Geschäftslage an. „Trotz dieser deutlich getrübten Stimmung befindet sich unsere Wirtschaft nach wie vor in einer guten Verfassung. Sorgen bereiten uns jedoch die zum dritten Mal in Folge sinkenden Geschäftserwartungen. Erstmals seit fünf Jahren sinkt der Saldowert der erwarteten Geschäftslage in den negativen Bereich“, erläutert Felix G. Hensel weiter. Während 21 Prozent der Unternehmen von einer besseren Geschäftslage in den kommenden Monaten ausgehen, befürchten 22 Prozent schlechtere Geschäfte. Begünstigt durch die geringe Arbeitslosigkeit, gestiegene Einkommen und die Rekordbeschäftigung ist die Konsumstimmung aber ununterbrochen gut. Daher zeigt das Stimmungsbarometer im Einzelhandel auch nach oben. In den übrigen Branchen zeigt es – von hohem Niveau aus – leicht nach unten.

Die Lagebeurteilung der heimischen Industrie fällt nach den Spitzenwerten in den vergangenen Jahren deutlich um 25 Punkte ab. Das ist der niedrigste Wert seit Januar 2016. Zwar geben noch 33 Prozent der Industrieunternehmen eine gute Geschäftslage an. Im Vergleich zum Jahresanfang sind das jedoch 16 Prozentpunkte weniger. Gleichzeitig stieg die Zahl der Unternehmen mit schlechter Lagebeurteilung von 4 Prozent auf 13 Prozent. Dennoch sind die Industrieunternehmen weiterhin über alle Branchen hinweg gut ausgelastet. Etwa 82 Prozent geben einen Auslastungsgrad von über 70 Prozent an. IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener: „Wir kommen aus einer Hochkonjunktur. Über 17 Mrd. Euro setzten die Industrieunternehmen im Jahre 2018 um. Auch die über 179.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sind neuer regionaler Rekord. Zugleich bewegen wir uns mit einer Arbeitslosenquote von 4 Prozent nahe an der Vollbeschäftigung. Das alles ist prima. Problematisch sind indessen die zum Teil deutlichen Rückgänge bei den Auftragseingängen, und zwar sowohl aus dem In- als auch aus dem Ausland. Etwa 37 Prozent der Unternehmen machen dies geltend.“ Das erkläre auch die deutlich gesunkenen Geschäftserwartungen. 29 Prozent der Industrieunternehmen rechnen in den kommenden Monaten mit schlechteren Geschäften. Das ist ein Anstieg um 9 Prozentpunkte im Vergleich zum Januar. Klaus Gräbener: „Es sind international einfach zu viele Krisenherde auf einmal. Das erklärt, warum etwa 35 Prozent der Unternehmen mit geringeren Exporten in den kommenden Monaten rechnen. Hinzu kommen die hausgemachten Probleme. Eine konsequent mittelstandsfreundliche Politik vermissen sehr viele Unternehmer nach wie vor. Notwendig wären aus unserer Sicht in der jetzigen konjunkturellen Situation eine konsequente Unternehmenssteuerreform, eine durchgreifende Senkung der Abgabenlast, weniger Bürokratie, deutlich schnellere Genehmigungsverfahren und mehr Investitionen in Schulen und Universitäten. Hier muss die Politik jetzt endlich die Bremsen lockern“.

Trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen gehen 71 Prozent zukünftig von gleich bleibenden oder sogar besseren Geschäften aus. „Auch die Investitionsbereitschaft bleibt weiterhin auf einem hohen Niveau. 79 Prozent der Industrieunternehmen wollen in den nächsten Monaten die Investitionen im Inland auf gleichem Level halten oder sogar noch einmal steigern. Das ist ein gutes Signal für den Standort“, betont IHK-Konjunkturexperte Stephan Häger.

Die Lage im Baugewerbe ist weiterhin außerordentlich gut. Zwar sinkt die Lagebeurteilung um zwei Punkte, bleibt aber auf dem zweithöchsten Stand der letzten 20 Jahre. Mehr als drei Viertel der befragten Baubetriebe geben eine gute Lage an. Erneut berichtet kein Unternehmen von einer schlechten Lage. Klaus Gräbener: „Hier brummt es nach wie vor. 85 prozent der Firmen sind bis zur Spitze ausgelastet. Fast jedes zweite Unternehmen gibt einen hohen Auftragsbestand an, teilweise bis ins kommende Jahr hinein. Problematisch ist allenfalls der akute Fachkräftemangel. Unternehmen berichten uns, dass daher ein weiteres Wachstum kaum möglich sei.“

„Dank der guten Konsumstimmung zeigt das Stimmungsbarometer im Einzelhandel nach oben. 35 Prozent der Einzelhändler beurteilen ihre Lage als gut, eine Steigerung um 3 Prozentpunkte. In den letzten Monaten profitierte der Konsum insbesondere von den guten Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt“, hebt Felix G. Hensel hervor, der zugleich darauf hinweist, dass sich die Stimmung der Großhändler dem gegenüber etwas eingetrübt habe. 41 Prozent melden eine gute Lage, 13 Prozentpunkte weniger als im Januar. Die hiesigen Dienstleister berichten überwiegend von einer stabilen Auftragslage und einer guten Auslastung. 45 Prozent der Dienstleister melden eine gute Lage, nur 7 Prozent eine schlechte. Zwar fällt damit die Lagebeurteilung um 14 Punkte, bleibt aber auf einem hohen Niveau.

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