Integration ist eine Herausforderung

Über praktische Integrationserfahrungen berichteten in einer Gesprächsrunde (von links): Isabelle Kirschke, Rainer Kurth, Fritz Wied und Ursula Wied. Moderiert wurde das Gespräch von Steffi Treude (Mitte).

Die massive Zuwanderung von Flüchtlingen und Asylbewerbern stellt die heimische Wirtschaft vor enorme Herausforderungen. Gleichzeitig bietet sie den Unternehmen und Handwerksbetrieben in unserer Region aber auch eine Chance, der negativen demografischen Entwicklung und dem damit verbundenen Fachkräftemangel zu begegnen.

Die Kreishandwerkerschaft Westfalen-Süd, die Industrie- und Handelskammer Siegen und die Arbeitgeberverbände Siegen-Wittgenstein hatten jetzt vor diesem Hintergrund zu einer gemeinsamen Veranstaltung ins Haus der Siegerländer Wirtschaft in Siegen eingeladen, um über Möglichkeiten und Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Integration von Flüchtlingen in die Wirtschaft zu informieren. Rund 150 Vertreter aus Unternehmen und Handwerksbetrieben nahmen daran teil.

Rund 150 Vertreter aus Industrie und Handwerk nutzen die Informationsmöglichkeiten. Im Bild (vorne rechts): Jürgen Haßler, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Westfalen-Süd, Dr. Thorsten Doublet, Geschäftsführer der Arbeitge-berverbände Siegen-Wittgenstein, und Klaus Fenster, Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Siegen.

Rund 150 Vertreter aus Industrie und Handwerk nutzen die Informationsmöglichkeiten. Im Bild (vorne rechts): Jürgen Haßler, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Westfalen-Süd, Dr. Thorsten Doublet, Geschäftsführer der Arbeitge-berverbände Siegen-Wittgenstein, und Klaus Fenster, Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Siegen.

Dr. Thorsten Doublet, Geschäftsführer des VdSM Verband der Siegerländer Metallindustriellen e.V. und der Unternehmerschaft Siegen-Wittgenstein, betonte in seiner Begrüßung die Bedeutung einer erfolgreichen Integration. „Die Bundesrepublik Deutschland hat im vergangenen Jahr über eine Million Flüchtlinge vorwiegend aus dem nahen Osten und Nordafrika aufgenommen. Wie viele es in diesem Jahr sein werden, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehbar. Diese höchst humanitäre Handlungsweise stellt nicht nur unsere Länder und Kommunen vor enorme Herausforderungen. Sie ist auch eine gewaltige Aufgabe für die Wirtschaft. Eine erfolgreiche Integration dieser Menschen in unsere Gesellschaft ist nämlich nur dann möglich, wenn wir es schaffen, ihnen neben ausreichenden Sprachkenntnissen auch eine produktive Beschäftigung zu geben.“

Welche rechtlichen Vorgaben dabei zu beachten sind und welche institutionellen Möglichkeiten genutzt werden können, erläuterten anschließend Stephanie Krömer für die Agentur für Arbeit Siegen und für das Jobcenter Siegen-Wittgenstein, Geschäftsführer Klaus Fenster für die Industrie und Handelskammer Siegen und Claudia Dunschen vom Verband der Metall- und Elektroindustrie NRW e.V. für die Arbeitgeber. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge war ebenfalls vertreten durch Ursula Becker und Christiane Geritan. Für das Ausländeramt des Kreises Siegen-Wittgenstein sprach Helge Klinkert.

Dass die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt nicht ohne weiteres möglich ist, machte Stephanie Krömer gleich zu Beginn deutlich. Neben den höchst unterschiedlichen persönlichen Voraussetzungen, die die Flüchtlinge mitbringen, sei auch eine ganze Reihe von rechtlichen Vorgaben zu beachten. „Am einfachsten ist dabei die Integration bereits anerkannter Asylbewerber“, so Stephanie Krömer. Sie stünden dem Arbeitsmarkt uneingeschränkt zur Verfügung. Geduldete hätten bestimmte Fristen zu beachten. Beschäftigungsmöglichkeiten seien für sie erst ab dem vierten Monat eingeschränkt möglich.

Um die unterschiedlichen Zuständigkeiten von Arbeitsagentur und Jobcenter transparenter zu machen und sowohl für die Flüchtlinge wie auch für die Arbeitgeber eine zentrale Informations- und Anlaufstelle zu schaffen, habe man die Integration Points eingerichtet, jeweils einer in Siegen und einer in Olpe. Dort laufen inzwischen alle Fäden zusammen. Dort kann auch eine umfassende Beratung stattfinden.

Dass die Sprachförderung ein ganz entscheidender Punkt für eine erfolgreiche Integration ist, darüber waren sich alle Beteiligten einig. Derzeit befinden sich in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe 879 Menschen in Sprachförderkursen, die von der Arbeitsverwaltung angeboten werden. Insgesamt betreuen die beiden Integration Points 1.020 Flüchtlinge von derzeit 6.750 in beiden Kreisen.

Über die Integrationskurse des BAMF Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wurden bislang ca. 400 Menschen in 34 Kursen betreut. Sie lernen dabei nicht nur die Sprache, sondern erhalten auch eine gesellschaftliche Orientierung. In Siegen-Wittgenstein sind sechs Kursträger dafür zugelassen.

Klaus Fenster von der IHK Siegen gab einen Überblick über das bereits bestehende Angebot der IHK Siegen zur beruflichen Qualifizierung  junger Flüchtlinge. 36 von ihnen befinden sich derzeit im Berufsbildungszentrum der IHK in einer metalltechnisch ausgerichteten Maßnahme. Als Nachfolgeprojekt soll voraussichtlich ab Mai 2016 ein Haus der Berufsvorbereitung für Flüchtlinge eingerichtet werden. Neben dem Bereich Metall werden dann auch die Berufsfelder Bau, Lager und Logistik, Handel, Gastronomie und Pflege angeboten.

Darüber hinaus nutzte er die Veranstaltung für einige grundsätzliche Anmerkungen. Beispielsweise müsse man vor dem Hintergrund der Integration von Flüchtlingen in die Wirtschaft darüber nachdenken, ob die berufliche Bildung zukünftig nicht modularer aufgebaut werden sollte. Das würde vor allem Flüchtlingen den Weg in die Erwerbstätigkeit erleichtern. Auch die Praktikumsmöglichkeiten für Migranten sollten erweitert werden, ebenso wie die Bleibeperspektiven nach einer Ausbildung.

Dass auch in der Metall- und Elektroindustrie bereits Instrumente vorhanden sind, die für die Integration von Flüchtlingen von Unternehmen genutzt werden können, berichtete Claudia Dunschen vom Verband der Metall- und Elektroindustrie NRW e.V. Bereits kurz nach dem Beginn der massiven Einwanderung hätten die Sozialpartner in NRW entschieden, den Tarifvertrag zur Förderung der Ausbildungsfähigkeit (TV FAF) auch für Flüchtlinge zu öffnen. Ursprünglich war dieses Instrument dazu gedacht, noch nicht ausbildungsfähige Schulabgänger an eine Ausbildung heranzuführen. Die Fördermöglichkeit des TV FAF ist auf zwölf Monate begrenzt. In dieser Zeit erhalten die Teilnehmer eine verminderte Ausbildungsvergütung.

Zum Abschluss der Expertenvorträge machte Helge Klinkert vom Ausländeramt des Kreises Siegen-Wittgenstein noch einmal die Komplexität der Integration von Flüchtlingen deutlich. Nicht nur die unterschiedlichsten rechtlichen Vorgaben seien dabei zu berücksichtigen. Man müsse auch jeden Fall individuell betrachten. Deshalb warb sie dafür, entsprechende Vorhaben mit dem Integration Point von Jobcenter und Arbeitsagentur sowie mit dem Ausländeramt eng abzustimmen.

In einer abschließenden Gesprächsrunde berichteten Vertreter von verschiedenen Unternehmen über ihre ersten Erfahrungen mit der Integration von Flüchtlingen. Rainer Kurth, Geschäftsführer der SI-TorSysteme GmbH aus Kreuztal, beschäftigt einen Flüchtling aus Eritrea als Montagehelfer und fand, dass die Einstellungshürden relativ gering waren. „Für uns stand der Mensch dabei im Vordergrund und es funktioniert gut.“ Eine Erfahrung, die Isabelle Kirschke, Koordinatorin Marketing und Personal bei der Hering Management GmbH in Burbach, bestätigen konnte. In ihrem Unternehmen waren zeitweise vier Flüchtlinge als Praktikanten tätig. „Wir haben damit gute Erfahrungen gemacht. Auch den Kollegen hat die Zusammenarbeit viel gebracht.“ Fritz und Ursula Wied von der Metzgerei & Partyservice Fritz Wied in Erndtebrück betonten die Unterstützung, die in vielen Handwerksbetrieben notwendig sei. Sie begrüßten deshalb auch die Einrichtung der Integration Points als eine zentrale Anlaufstelle. „Es geht nicht nur darum, die Menschen so schnell wie möglich in Arbeit zu bringen. Es müssen auch die dafür notwendigen Sprach- und Kulturtechniken erlernt werden. Und das braucht einfach Zeit“, betonte Ursula Wied, die selber in Sprachkursen tätig ist.

Für Fragen und vertiefende Informationen standen anschließend noch „Info-Points“ der genannten Organisationen zur Verfügung.

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