Informationen aus erster Hand über das Reich der Mitte

Michael Maeder (rechts) referierte in Drolshagen zum Thema „China aus dem Nähkästchen: Menschen, Talente, Unternehmer“.
Michael Maeder (rechts) referierte in Drolshagen zum Thema „China aus dem Nähkästchen: Menschen, Talente, Unternehmer“.

Michael Maeder (rechts) referierte in Drolshagen zum Thema „China aus dem Nähkästchen: Menschen, Talente, Unternehmer“.

Das kommt nicht alle Tage vor, dass auf einer Veranstaltung in Südwestfalen ein Insider intime Eindrücke und Kenntnisse über das Reich der Mitte vermittelt. Michael Maeder, der am 14. Mai auf Einladung der Wirtschaftsjunioren Südwestfalen im Ausbildungszentrum des Drolshagener Automobilzulieferer Heinrich Huhn zum Thema  „China aus dem Nähkästchen: Menschen, Talente, Unternehmer“ vor 30 Besuchern referierte, gehört zu dieser Spezies: Deutsche Eltern, in Macao geboren, mehrsprachig (Deutsch, Englisch, Kantonesisch und Mandarin), Betriebswirtschaftsstudium in den Niederlanden, seit sechs Jahren in Shanghai und anderen chinesischen Großstädten mit einer Personalberatung (55 Mitarbeiter) selbstständig und 2012 Gründer des Wirtschaftsjuniorenkreises (Young Leaders) Shanghai, welcher sich andockt an der dortigen deutschen Außenhandelskammer als Treffpunkt für junge Unternehmer und Führungskräfte.

Michael Mäder präsentierte seinem Publikum zunächst Superlative im Positivem wie im Negativem aus dem Riesenreich: Dazu gehören stichpunktartig immense investitionsgetriebene Wachstumsschübe in den letzten Jahren mit durchschnittlich 7,5 % Wirtschaftswachstum (Produktionsschwerpunkte größtenteils  für den Binnenmarkt), ansteigende Preise und ein stark anziehendes Lohnniveau. In der Automobilindustrie, die sich in den letzten sechs Jahren stark entwickelt hat, ist die Dynamik am stärksten. Hier hält Automatisierungstechnik Einzug.

Hinzu kommen große soziale Spannungen mit einer rasant steigenden Zahl an Superreichen (Hauptquelle Immobiliengeschäfte) und 130 Mio. Wanderarbeitern, die auf engstem Raum leben. Über das chinesische Neujahrsfest gibt es rund 3 Mrd. Reisebewegungen von Standort zu Standort innerhalb Chinas. Von den 6 Mio. Absolventen, die jedes Jahr die Hochschulen verlassen, sind laut Mäders Aussage nur 5-10 % für internationale Firmen geeignet.

China verzeichnet darüber hinaus einen massiven Urbanisierungstrend vor allem in die Küstenregionen. Während heute 54 % der Bevölkerung in Städten lebt, werden es 2030 nach verlässlichen Prognosen schon 70 % der Gesamtbevölkerung oder eine Mrd. Menschen sein. Die größte Stadt, Chongqing, zählt übrigens über 35 Mio. Einwohner. Chinas enorme Umweltprobleme beeinflussen, so der Referent, inzwischen massiv Leben und Arbeiten. Die wachsende Mittelschicht (sie stellt rund 30 % der Bevölkerung) versuche, so der Referent, ihre  Kinder davor zu schützen und aus stark belasteten Regionen wie etwa Peking wegzuziehen. Das komplexe Thema Umweltbelastung beeinflusse enorm die Personalrekrutierung und führe darüber hinaus vor allem in den Sommermonaten zu vorübergehenden Firmenstilllegungen.

Alles in allem stehe China inzwischen politisch, wirtschaftlich und sozial am Wendepunkt, betonte Maeder. Das Management der Unternehmen verzeichne dadurch große Herausforderungen. So müssten etwa hohe Erwartungen der jüngeren Beschäftigten zu Aufstiegsmöglichkeiten erfüllt werden, es gebe Unterschiede zwischen den Generationen mit Konfliktpotentialen sowie einen hohen Zeitaufwand beim Untergang mit den Mitarbeitern. Hinzu komme  aber auch eine geringe geographische Mobilität des Personals auf Grund der familiären Situation, außerdem wären ein hoher Personaldurchlauf bei geringer Verweildauer sowie ein „schnelles Wachstum der Realeinkommen bei noch schneller wachsenden Erwartungen“ zu konstatieren.

Wo liegen die Herausforderungen und Trends in China? Reformbedarf gebe es neben dem Umweltschutz, wo Vorschriften und Kontrollen angezogen hätten, beim überholten Bildungssystem. Dieses setze  in der Schule schwerpunktmäßig auf das Auswendiglernen und auch in der Hochschule würde die praktische Anwendung weder betont noch habe sie große Bezüge zur tatsächlichen Nachfrage am Arbeitsmarkt. Mit der Folge, „… dass die Mittelschicht rebelliert und ihre Kinder zum Studium ins Ausland schickt“. Da sich die demographische Kurve verjüngt, „…müsste bei zunehmendem Fachkräftemangel in eine praxisorientierte Ausbildung investiert werden. Diese Thematik wird aber viel zu wenig befolgt“, so Maeder.  Die „Generation Y“, die zwischen 1980 und 1990 geboren wurde und mehr als 50 % der arbeitenden Bevölkerung ausmache, setze voraus,  beruflich etwas erreichen zu können. Sie erwarte ferner Work-Life-Balance, Führung und Mentoring durch Manager, weise aber zugleich eine mangelnde Belastbarkeit bei der Arbeit auf. Die Generation X, zwischen 1970 und 1980 geboren, strebten nach Work-Life-Balance, seien anpassungs- und veränderungsfähig, suchten den Rat bei Gleichrangingen und sähen Arbeit als Job. Die Ein-Kind-Politik (seit 1979) führe einerseits zur Verhätschelung, dem „Kleinen-Kaiser-Syndrom“ und andererseits zu einer fehlgeleiteten Erwartungshaltung und hohem Druck von der Familie auf die Kinder hinsichtlich ihres Aufstiegs.

An Hand des chinesischen Familienunternehmens seines Vaters,  wo heute südlich von Shanghai mit 400 Mitarbeitern vor allem Jacken und Mäntel für deutsche Kunden gefertigt werden und seinem eigenen Unternehmen arbeitete der Referent anschließend die Unterschiede im Vergleich zu seinem eigenen Unternehmen bei Kommunikation (einseitig-hierarchisch versus  teamorientiert), Talentgewinnung (Stabilität vor Potential gegenüber Potenzialschwerpunkt), Mitarbeiterbindung und Leistungsanreize heraus.

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