In Trupbach musste man sich mehrmals neu erfinden

Unser Bild zeigt einen Walzenguß bei der Leonhard Breitenbach GmbH in Siegen-Trupbach.

Klein, aber fein! Dieser geflügelte Spruch lässt sich sehr gut auf die Leonhard Breitenbach GmbH in Siegen-Trupbach anwenden. In der kleinsten Walzengießerei des Siegerlandes be­schreitet man seit Jahrzehnten eine etwas andere Politik als in der übrigen Branche. Beispielhaft dafür steht heute das breit gefächerte Produktprogramm jenseits der Eisen- und Stahlindustrie. In diesem Jahr begeht man in dem Familienunternehmen das 150-jährige Bestehen.

Firmengründer Leonhard Breitenbach (1805-1873).

Firmengründer Leonhard Breitenbach (1805-1873).

Ein Blick in die Firmengeschichte zeigt, dass man sich immer wieder auf äußere Veränderungen einstellen musste. Es begann alles damit, dass 1866 der Sieghütter Gewerke Gerlach Breitenbach und seine Frau Elisabeth ihrem Zwillingsbruder bzw. Schwager Leonhard die Hälfte der Trupbacher Eisenhütte nebst dem dort gelegenen Schleif- und Drehwerk für 4500 Taler verkauften. Der Firmengründer, damals schon im 61. Lebensjahr, verkaufte wenig später (1870) an seine Söhne Gerlach, Leonhard und Wilhelm, die zunächst ei­­ne reine Bearbeitungswerkstätte für Siegener Walzengießereien betrieben. Die Drehbänke wurden mittels Wasserkraft über Transmissionen angetrieben. Der An- und Abtransport der Walzen erfolgte mit Pferdefuhrwerken durch das Alchetal.

Nach 1900 errichteten die Siegener Walzengießereien eigene Bearbeitungswerkstätten, die in der Folge immer wei­ter ausgebaut wurden. Deshalb entschlossen sich die Firmeninhaber, eine eigene Gießerei in Trupbach zu errichten. 1909 erfolgte die Aufnahme des Walzengusses mit der In­betriebnahme des ersten Flamm­ofens (ca. 12 t Gusskapazität) sowie von zwei Ku­polöfen (je 3,5 t). Walzen vor allem für Feinblech-Warmwalzwerke (aus dem Flammofen) und für Profilwalzwerke bildeten von da an den Schwer­punkt im Fertigungspro­gramm. Beliefert wurden vor allem Kunden in Oberschlesien und im Elsaß.

Die nächste Zäsur begann nach dem Zweiten Weltkrieg. Das „Permit“ zur Wiederaufnahme des Betriebs mit zu­nächst 15 Beschäftigten er­ging 1947. „Die Kriegsschäden waren unbedeutend, eine Demontage war glücklicherweise verhindert worden“, heißt es in einer früheren Chronik. Schwerer wog da der Verlust Oberschlesiens als Absatzmarkt. Neue Kunden für Feinblech-Warmwalzen aus Trupbach fand man aber im Ruhrgebiet. Ab Ende der 50er Jahre setzte man verstärkt auf Walzwerk-Walzen für Draht-, Feineisen- und Mitteleisenstraßen. Darüber hinaus wurden erste Kolben für schwere Hydraulikpressen gefertigt.

Luftbildaufnahme der Firma Leonhard Breitenbach aus dem Jahr 1965. Auch heute kommen noch viele Mitarbeiterinenn und Mitarbeiter aus der Nachbarschaft.

Luftbildaufnahme der Firma Leonhard Breitenbach aus dem Jahr 1965. Auch heute kommen noch viele Mitarbeiterinenn und Mitarbeiter aus der Nachbarschaft.

Um diese Zeit begannen auch große technologische Veränderungen in den Siegerländer Walzengießereien Ein­zug zu halten. So wurde zum Beispiel elektrisch ge­schmolzen, der Siegeszug der Stahlwalze mit immer größeren Dimensionen begann und der Schleuderguss kam auf. In Trupbach folgte man all diesen Techniktrends nicht, auch weil man die finanziellen Mittel zur Errichtiung einer dafür notwendigen eigenen Hochspannungsleitung nicht hatte. „Leonhard Breitenbach musste sich neu erfinden und außerhalb der Eisen- und Stahlindustrie diversifizieren“, betont der heutige technische Geschäftsführer, Dr.-Ing. Jürgen J. Böhlemann. Mitte der 1960er Jahre wurden etwa Walzen für den Veredlungsbereich von Bahnenware ins Programm genommen. Dabei handelt es sich um Walzen für die Herstellung von Papieren, Folien, Textilien usw., welche von Rolle zu Rolle verarbeitet bzw. veredelt werden. Dafür werden bis zum heutigen Tag Walzen hoher Präzision und besonderer Oberflächengüte verlangt. Et­wa Walzen mit Hartchromauflagen, Keramikschichten oder Spiegelhochglanz. Zur Firmenpolitik gehört es seitdem, dass man solche Spezialwalzen komplett bearbeitet, also einbaufertig, liefert.

In der Gießerei blieb man bei Leonhard Breitenbach beim Grauguss bzw. beim damit verwandten Werkstoff Schalenhartguss. Bis heute wird auch nicht elektrisch geschmolzen: Seit 1974 erfolgt der Walzenguss aus zwei koksbeheizten Kaltwind-Kupolöfen, deren Entstaubung 1989 auf einen modernen Stand gebracht wurde. Viel wurde in den letzten Jahren auch in den Ausbau der Bearbeitungswerkstätten investiert – technisch vor allem in CNC-gesteuerte Bearbeitungsmaschinen und räumlich unter anderem durch Übernahme von Gebäuden zweier Firmen in der Nachbarschaft. Das Unternehmen hat sich so einen hervorragenden Ruf als Spezialist für die Oberflächenbearbeitung von bis zu 22 Tonnen schweren Walzen erworben, vor allem auch mit Hochglanzoberflächen.

Ein Blick in die Schleifhalle. Vorne hängt eine Kalanderwalze am Kran. Sie verfügt über periphere Bohrungen und über eine verchromte und polierte Ballenoberfläche.

Ein Blick in die Schleifhalle. Vorne hängt eine Kalanderwalze am Kran. Sie verfügt über periphere Bohrungen und über eine verchromte und polierte Ballenoberfläche.

„Seit 15 Jahren gießen wir keine Walzen mehr für die Eisen- und Stahlindustrie“, betont Dr. Böhlemann. Heute besteht etwa ein Drittel der Produktion aus Misch- und Kalanderwalzen für die Gummi-, Reifen- und Kunststoffindustrie, 20 Prozent entfallen auf Walzen für die Auftragsbeschichtung und Laminierung (z.B. von Kunststofffolien, Papier, Textilien), 10 Prozent sind Thermo- und Kalander-Walzen sowie Walzenmäntel für die Papierindustrie und der übrige Rest beinhaltet Walzen für die Nahrungsmittelindustrie sowie Kol­ben für Karosserieblech- und Spanplattenpressen. Der Exportanteil am Umsatz liegt bei rund 70 Prozent, und von den übrigen 30 Prozent In­landsanteil gelangt wiederum die Hälfte in Form eingebauter Produkte ins Ausland.

„Personalmäßig ist Leonhard Breitenbach nach dem Krieg zunächst gewachsen. In den letzten Jahren erfolgte aber eher eine leichte Seitwärtsbewegung ohne Entlassungsaktionen. Gleichzeitig wurde die Produktivität gesteigert“, betont der kaufmännische Geschäftsführer, Andre Groos. Aktuell zählt das in der sechsten Familiengeneration bestehende Unternehmen 116 Beschäftigte, dazu 5 Auszubildende. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommen meist aus der Nachbarschaft, wobei teilweise ganze Familiengenerationen vom Großvater bis zum Enkel im Laufe der Firmengeschichte bereits bei Leonhard Breitenbach gearbeitet haben.

Auch in der Zukunft setzt man auf den angestammten Standort. Das „Fitnessprogramm“ für Leonhard Breitenbach soll weitergehen, man möchte vor allem von der Po­litik Planungssicherheit für das arrondierte Firmengelände. Und auch der Maschinenpark soll, so Andre Groos, wei­ter „ertüchtigt“ werden. Und bei all dem behalten na­türlich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch künftig das entscheidende Gewicht, wenn es um die Herstellung von Präzisionsprodukten geht.

1 Kommentar zu "In Trupbach musste man sich mehrmals neu erfinden"

  1. Guten Tag,
    ein sehr nützlicher Beitrag.
    Im Netz findet man schwer differenzierte Infos zu diesem Thema in Sachen Walzenguß.
    Das wird meiner Recherche zugute kommen, welche Arten von Walzen für welche Bereiche angewendet werden. Moderne Walzen v.a. für den Innenausbau von Häusern etc. sind gummiert, soweit ich weiß.
    Vielen lieben Dank.

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