Hohe Kosten und falsche Signale aus der Politik verschlechtern den Industriestandort Südwestfalen

In der Metall- und Elektroindustrie (M+E) in Südwestfalen gehen zunehmend Arbeitsplätze in der Produktion verloren. Betroffen sind vor allem einfache Tätigkeiten. Dagegen wächst der Anteil der Produktion an ausländischen Standorten. Überdies investieren immer mehr Unternehmen im Ausland und erzielen dort einen zunehmend größeren Teil der Gewinne. Dies ist das Ergebnis einer Umfrage der fünf Metallarbeitgeberverbände in Südwestfalen, an der sich mit 120 Betrieben fast ein Drittel der insgesamt 355 tarifgebundenen Mitgliedsunternehmen der Region beteiligt haben und die im Januar 2016 von der IW Consult GmbH in Köln durchgeführt wurde.

Für Jörg Dienenthal, Vorsitzender des VdSM Verband der Siegerländer Metallindustriellen e.V., sind die Umfrageergebnisse Ausdruck eines fortschreitenden Abzugs von Produktion in der Metall- und Elektroindustrie Südwestfalen. Als Hauptgründe dafür nannten die Unternehmen die zuletzt stark gestiegenen Arbeitskosten und zunehmende Belastungen durch falsche politische Weichenstellungen in Bund und Land. „Südwestfalen ist das industrielle Kraftzentrum unseres Landes, dessen Wettbewerbsfähigkeit immer mehr unter Druck kommt. Die Ergebnisse sind hoffentlich ein alarmierender Weckruf an die IG Metall und an die Landespolitik, die Bedingungen für Produktion, Investitionen und wettbewerbsfähige Arbeitsplätze in NRW zügig und spürbar zu verbessern“, so der Verbandsvorsitzende. Die anstehende Tarifrunde dürfe die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen nicht weiter verschlechtern. Die Landesregierung müsse jetzt mit Blick auf Investitionen und Arbeitsplätze für Aufbruchstimmung sorgen und alles unterlassen, was die Wirtschaft und vor allem die Industrie weiter schwäche.

Verbandsgeschäftsführer Dr. Thorsten Doublet warnte vor einer weiteren Erosion von Arbeitsplätzen. „Wir sind in NRW und auch in Südwestfalen auf den nächsten Abschwung nicht gut vorbereitet, die Erfolge der Fitnesskur durch die Agenda 2010 und durch die Lohnzurückhaltung sind längst aufgebraucht.“ Stattdessen habe die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Standorte in den letzten Jahren dramatisch gelitten. Immer mehr Unternehmen orientierten sich deshalb Richtung Ausland. Zu hohe Lohnkostensprünge bei gleichzeitig minimalen Produktivitätsgewinnen hätte die Produktion anfällig gemacht. „Südwestfalen muss jetzt zukunftsfest gemacht werden, das gilt besonders für die Rahmenbedingungen für unsere Industrie“, betonte Dr. Doublet. Sowohl tarifpolitisch als auch wirtschaftspolitisch dürfe keine Zeit mehr vergeudet werden. Die öffentliche Hand müsse verstärkt in die Infrastruktur investieren – und zwar nennenswert. Andernfalls sei eine Beschleunigung des Rückzugs von Unternehmen aus den M+E-Produktions­standorten im Sauer- und Siegerland zu befürchten. Es sei jetzt die Zeit, um die M+E-Industrie als Herz der Wirtschaft in Südwestfalen und in ganz NRW zu stärken.

Die Ergebnisse für die M+E-Industrie in Südwestfalen im Einzelnen:

Produktion: Binnen zehn Jahren (von 2011 – 2021) wird der Anteil der Produktion im Inland von drei Viertel auf fast die Hälfte erheblich gesunken, der Auslandsanteil entsprechend gestiegen sein. Auf einer Skala von 0 (trifft nicht zu) bis 10 (trifft zu) liegt das Kosten-Motiv für Auslandsproduktion bei 8,6 Punkten und das Marktnähe-Motiv bei 7,0 Punkten.

Investitionen: Fast 45 Prozent der Investitionen werden in fünf Jahren in Maschinen und Anlagen an ausländischen Produktionsstandorten fließen – vor fünf waren es erst gerade einmal 28 Prozent. Dabei steht im Inland der Erhalt und die Modernisierung bestehender Anlagen (8,8 Punkte) im Mittelpunkt während bei Investitionen im Ausland dagegen vor allem das Erweiterungsmotiv (8,6 Punkte), also der Auf- und Ausbau von Produktionsstätten, im Fokus steht.

Gewinne: Die zusätzlichen Kapazitäten im Ausland führen zu einem rückläufigen Anteil der Inlandsgewinne an den Gesamtgewinnen der Unternehmen – von 78 Prozent im Jahr 2011 auf unter 60 Prozent im Jahr 2021. Anders ausgedrückt: In fünf Jahren wird der Gewinn-Anteil aus dem Ausland 43 Prozent des Gesamtgewinns der M+E-Betriebe in Südwestfalen erreichen.

Beschäftigung: Der im Landesvergleich hohe Anteil einfacher Tätigkeiten (Entgeltgruppen 1-5) an der Gesamtbeschäftigung wird binnen zehn Jahren deutlich schrumpfen – von fast 30 Prozent auf etwa 20 Prozent. Als Gründe geben die Unternehmen den erhöhten Automatisierungsgrad (7,5 Punkte) sowie den Einkauf von durch Einfachtätigkeiten hergestellten Produkten über inländische (5,2 Punkte) oder ausländische (4,3 Punkte) Drittanbieter an. Viele Unternehmen (3,3 Punkte) verlagern diese Tätigkeiten auch an ihre eigenen ausländischen Produktionsstandorte.

Veränderung der Produktion im Inland: Aus der langfristigen Perspektive der vergangenen zehn Jahre betrachtet erweisen sich nach Angaben der Unternehmen die Automatisierung der Produktion, die zunehmende Flexibilisierung und die abnehmende Fertigungstiefe im Inland als Mega-Trends. Auf einer Skala von 0 (deutlich verringert) bis 10 (deutlich erhöht) liegt die Automatisierung bei 8,1 Punkten, der Einsatz von Flexibilisierungselementen (Zeitkonten) bei 7,1 Punkten, der Einsatz von im Ausland eingekauften Vorprodukten bei 7,0 Punkten, der Einsatz von selbst im Ausland hergestellten Vorprodukten bei 6,3 Punkten. Auch der Einsatz von Zeitarbeit (5,9 Punkte) und Werkverträgen (5,5 Punkte) spielen eine wichtige Rolle.

Politik und Gesetze: Zusätzliche Belastungen durch angekündigte oder bereits vollzogene Regulierungen in Bund und Land werden von den Unternehmen als investitionshemmend empfunden. Als gravierend werden dabei die Auswirkungen durch die Energiewende, die Einschränkungen bei der Zeitarbeit, der mit der Einführung der Rente mit 63 einhergehende frühzeitige Verlust von erfahrenen Fachkräften, zusätzliche an die Unternehmen gestellte individuelle Flexibilitätsanforderungen der Beschäftigten, der NRW-Klimaschutzplan, das NRW-Tariftreue- und Vergabegesetz sowie der NRW-Landes­entwicklungsplan bezeichnet.

Die Ergebnisse sind der regionalisierte Auszug einer durch den Arbeitgeberverband METALL NRW in Düsseldorf landesweit im Januar 2016 durchgeführten Umfrage unter 383 von mehr als 1.200 tarifgebundenen Mitgliedsunternehmen in NRW zur Zukunft des M+E-Produktionsstandortes Nordrhein-Westfalen.

Die vorliegende regionale Auswertung, an der 120 von 355 tarifgebundenen Mitgliedsunternehmen teilgenommen haben, bezieht sich auf die fünf Metallarbeitgeberverbände in Südwestfalen aus

Arnsberg (UVWM – Unternehmensverband Westfalen-Mitte),
Iserlohn (MAV – Märkischer Arbeitgeberverband)
Lüdenscheid (Arbeitgeberverband der Metall- und Elektroindustrie Lüdenscheid),
Olpe (Arbeitgeberverband für den Kreis Olpe – Fachgruppe Metall)
Siegen (VdSM Verband der Siegerländer Metallindustriellen)

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