Gastgewerbliche Ausbildung vor großen Herausforderungen

In einem Pressegespräch wurden die Bausteine des regionalen Handlungskonzepts zur Steigerung der gastgewerblichen Ausbildungsqualität vorgestellt: v. l. Klaus Gräbener, Franz J. Mockenhaupt und Werner Leis.

 

In einem Pressegespräch wurden die Bausteine des regionalen Handlungskonzepts zur Steigerung der gastgewerblichen Ausbildungsqualität vorgestellt: v. l. Klaus Gräbener, Franz J. Mockenhaupt und Werner Leis.

Siegen, 15. August 2012.  Das Hotel- und Gaststättengewerbe steht angesichts der demografischen Entwicklung und des zunehmenden Wettbewerbs um Fachkräfte vor extrem großen Herausforderungen. Die Region verliert bis zum Jahre 2019 knapp ein Viertel ihrer derzeit 5200 Schulabgänger. Schon aus diesem Grund ist es erforderlich, dass unterschiedlichste Akteure engagiert und über einen langen Zeitraum hinweg daran arbeiten, das Ausbildungsklima und die Ausbildungsqualität durchgreifend zu verbessern. Nur wenn das Gastgewerbe planvoll vorgeht, über einen langen Atem verfügt sowie finanzielle und personelle Ressourcen bereitstellt, ist der für eine gedeihliche Entwicklung erforderliche Fachkräftestamm „auf Strecke“ zu sichern. Dies machten IHK-Hauptgeschäftsführer Franz J. Mockenhaupt sowie der DGB-Kreisvorsitzende Werner Leis in einem Pressegespräch deutlich, in dem sie die in den letzten Monaten von Fachleuten entwickelten Bausteine eines regionalen Handlungskonzepts zur Steigerung der gastgewerblichen Ausbildungsqualität vorstellten.

Das Gewerbe sei in wirtschaftlicher Hinsicht bedeutsamer als vielfach angenommen werde. Die Unternehmen erwirtschafteten insgesamt einen Umsatz von 350 bis 400 Millionen Euro. Rechne man weitere „Streueffekte“ für den gesamten Tourismus hinzu, komme man sicherlich auf einen Gesamtumsatz von rund einer halben Milliarde Euro. Die Unternehmen des Hotel- und Gaststättengewerbes spielten daher eine wesentliche Rolle im Bemühen beider Kreise, Ankerpunkte für eine weitere Verstärkung der touristischen Attraktivität zu schaffen, betonte Franz J. Mockenhaupt: „Ein wirksames regionales Gebietsmarketing kann nur zielgerichtet entfaltet werden, wenn die Unternehmen im Hotel- und Gaststättengewerbe gewissermaßen an diesen touristischen Aufgaben wachsen. Dies setzt verstärkte Aktivitäten in der gesamten Personalentwicklung voraus.“ Auch aus diesem Grund mache es der IHK Sorge, dass die Auflösungsquote bei den Lehrverträgen im Gastgewerbe mit 24 Prozent die höchste aller Branchen im IHK-Bezirk Siegen sei. Hinzu komme, dass die in den Abschlussprüfungen gezeigten Ergebnisse erhebliches Steigerungspotential andeuteten.

DGB-Chef Werner Leis präsentierte die Ergebnisse einer Befragung, an der sich insgesamt 153 Auszubildende in den gastgewerblichen Berufen der Region beteiligten. Danach seien Überstunden offenbar auf der Tagesordnung. Immerhin hätten 71 Prozent der Befragten angegeben, regelmäßig hierzu angehalten zu werden. Die Mehrarbeit werde jedoch nicht immer ausgeglichen. 56 Prozent der Auszubildenden müssten eigenen Angaben zufolge an vier oder fünf Sonntagen im Monat arbeiten. Werner Leis: „Stimmen diese Angaben auch nur halbwegs mit der Realität überein, bedeutet dies, dass nicht einmal die Hälfte der Lehrlinge den Vorgaben entsprechend ausgebildet und eingesetzt wird.“ Hier müssten die Betriebe schon aus eigenem Interesse umdenken. Dem DGB gehe es dabei keineswegs um eine „Skandalisierung“. Schließlich habe die Befragung auch gezeigt, dass das Betriebsklima über alle Unternehmen hinweg als insgesamt gut durch die Lehrlinge bezeichnet werde. Auch die fachliche Unterweisung in der Lehre sei erstaunlich gut beurteilt worden. Dies sei umso erstaunlicher, als zwei Drittel der befragten Lehrlinge zugleich angebe, von ihren Ausbildungsunternehmen nicht zum Besuch von Fachlehrgängen motiviert zu werden. Leis: „Wir sind als Gewerkschaften an einem konstruktiven Dialog interessiert. Es muss darum gehen, das Ausbildungsklima und die Ausbildungsqualität im Interesse der Unternehmen und der Auszubildenden durchgängig zu verbessern, um auf Dauer wieder mehr junge Leute für diese Berufe zu begeistern.“ Außerdem wies Werner Leis auf den kürzlich abgeschlossenen Tarifvertrag für Auszubildende zwischen dem DEHOGA NRW und der Gewerkschaft NGG hin, in dem die Bedeutung der Ausbildung im Gaststätten- und Hotelgewerbe hervorgehoben wird, um den Fachkräftebedarf mit gut ausgebildeten und motivierten Mitarbeitern in Zukunft zu decken. Er äußerte die Hoffnung, dass auch die nicht tarifgebundenen Unternehmen in ihrem ureigensten Interesse diesen Vertrag anwenden.

Parallel zur Befragung der Lehrlinge erhob die IHK, wie die Ausbildungsunternehmen ihre Auszubildenden einschätzten. Dabei wurden seitens der Firmen vor allem das Durchhaltevermögen (92 Prozent der Befragten) sowie die Umgangsformen (90 Prozent) der jungen Menschen schlechter als vor ein paar Jahren bewertet. Zudem bescheinigten knapp 80 Prozent der Betriebe den meisten Bewerbern eine beliebigere Einstellung gegenüber der betrieblichen Erstausbildung. Deutliche Defizite sieht die Mehrheit der Branche auch bei den wichtigsten sozialen und persönlichen Schlüsselkompetenzen für den Beruf, betonte IHK-Hauptgeschäftsführer Franz J. Mockenhaupt: „Acht von zehn Unternehmen vermissen bei den jungen Leuten ausreichendes Verantwortungsbewusstsein, eine hinreichende Ausdauer und eine ausreichende Selbstständigkeit. Deutlich mehr als die Hälfte der Befragten sehen zudem Defizite bei der Leistungsbereitschaft, der Sorgfalt und der Zuverlässigkeit sowie der Motivation der Kandidaten.“ Auf der anderen Seite stufen die Ausbildungsbetriebe vor allem die Teamfähigkeit der jungen Menschen als ausreichend ein.

Mockenhaupt kündigte an, dass die Ausbildungsberater der Kammer in den kommenden Monaten ihre Besuchsfrequenz erhöhten, um die Leistungskraft der „Ausbildungsleuchttürme“ noch transparenter zu machen und noch stärker auf eine qualitativ hochwertige Ausbildung in der gesamten Breite der Branche hinzuwirken. Als „zuständige Stelle“ in der beruflichen Bildung verfüge die IHK hierzu über einen vielfältigen Instrumentenkasten, den man auch nutzen werde. Darüber hinaus müsse es darum gehen, auch das Instrument der Verbundausbildung zwischen kleineren und größeren Betrieben weiter zu intensivieren. Schließlich habe man im Frühjahr 2012 ein Seminarkonzept entwickelt, das dazu beitragen solle, die innerbetriebliche Ausbildungsqualität überbetrieblich zu ergänzen. Um dieses Angebot für die Betriebe möglichst kostengünstig zu gestalten, unterstütze die IHK die Seminardurchführung auch in finanzieller Hinsicht. Zugleich müssten sich die Betriebe verstärkt an Berufsmessen und anderen kulturellen Großveranstaltungen beteiligen, um für eine Ausbildung im Hotel- und Gaststättengewerbe noch intensiver zu werben. Schließlich bestünden auch vielfältige Chancen, innerbetrieblich die gastgewerbliche Ausbildung noch attraktiver zu gestalten. Hierzu zählten „Azubi-Tage“ in den Unternehmen oder das Angebot kostengünstiger „Azubi-Teller“ in den Restaurants ebenso wie die Schaffung von „Azubi-Cards“ mit speziellen Vergünstigungen oder das Angebot an die eigenen Lehrlinge, während der Ausbildung bereits Auslandserfahrungen zu sammeln.

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