„Freudvolle Unruhestifter“ im Deutschen Museum

Zur Eröffnung der Ausstellung energie.wenden sind Prof. Dr. Marc Hassenzahl (l.) und Dr. Matthias Laschke (r.) nach München gereist.

Die „Raupe Immersatt“ ist ein besonderes Verlängerungskabel. „Spürt“ sie Stand-By-Strom, beginnt sie, sich zu winden, als hätte sie Schmerzen. NutzerInnen werden so dazu animiert, elektrische Geräte auszuschalten, statt sie im Stand-By-Modus laufen zu lassen – eine Strategie zum Stromsparen. Entwickelt wurde die Raupe von Dr. Matthias Laschke vom Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik/ Ubiquitous Design der Universität Siegen. Sie ist aktuell zusammen mit einem weiteren interaktiven Produkt der Siegener Wissenschaftler in der Sonderausstellung „energie.wenden“ im Deutschen Museum in München zu sehen.

„Dass gleich zwei unserer Objekte im Deutschen Museum gezeigt werden, ist schon etwas Besonderes. Darauf sind wir sehr stolz“, sagt Lehrstuhl-Inhaber Prof. Dr. Marc Hassenzahl, der zusammen mit Matthias Laschke zur Ausstellungseröffnung nach München gereist ist. Auf 1000 Quadratmetern werden dort der globale Anstieg des Energiebedarfs und die Herausforderung einer umweltverträglichen, wirtschaftlichen und sicheren Bereitstellung von Energie thematisiert.

Neben der „Raupe Immersatt“ zeigt die Schau auch die ebenfalls von Matthias Laschke gestaltete Leuchte „Vergiss-Mein-Nicht“. Sie besteht aus einem schlichten schwarzen Zylinder, in dem sich eine Kunststoff-Leuchtkugel verbirgt. Durch das Berühren des Zylinders bewegt sich die Kugel heraus und spendet Licht – um sich dann selbstständig wieder in die Fassung zurückzuziehen. Das Licht wird auf diese Weise langsam abgedimmt und ist nach etwa 30 Minuten komplett aus. „Die Leuchte findet Strom wertvoll und möchte deshalb nur so lange leuchten, wie nötig“, erklärt Laschke. „Um dauerhaft Licht zu haben, muss der Benutzer den Zylinder immer wieder aktiv antippen. Er ist so gezwungen, darüber nachzudenken, ob er das Licht und damit die Energie wirklich benötigt.“

Wie kann Technologie die Handlungsweisen von Menschen verändern – hin zu mehr Nachhaltigkeit und einem sinnvollen Umgang mit Ressourcen? Diese Frage steht im Mittelpunkt der Arbeit von Prof. Hassenzahl und seinem Team. In der interdisziplinären Arbeitsgruppe „Erlebnis und Interaktion“ arbeiten Ingenieure, Psychologen und Gestalter dazu eng zusammen. Als „freudvolle Unruhestifter“ bezeichnen die WissenschaftlerInnen ihre Objekte: Diese seien einerseits ansprechend gestaltet und machten insofern „Spaß“, erklärt Hassenzahl. Gleichzeitig sollen sie bewusst einen Moment der Reibung erzeugen: „Normalerweise passt sich die Technik an die Bedürfnisse der Menschen an. Wir kehren dieses Prinzip um. Unsere Objekte ‚wollen etwas‘ von den NutzerInnen. Das kann natürlich auch mal nerven.“ Die Leuchte „Vergiss-Mein-Nicht“ sei deshalb bewusst als Leselicht konzipiert, nicht als Deckenleuchte. Menschen sollen sie in ihrer Freizeit nutzen, nicht im stressigen Alltag, wenn sie auf eine durchgängige Beleuchtung angewiesen sind.

Seit Ende 2016 forscht und lehrt Prof. Hassenzahl am Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Siegen. Mit ihm ist auch seine komplette Forschergruppe von der Folkwang Universität der Künste in Essen nach Siegen gezogen „An der Uni Siegen und speziell in der Wirtschaftsinformatik wird schon seit vielen Jahren sehr intensiv und praxisnah zur Interaktion zwischen Mensch und Technik geforscht“, sagt Hassenzahl. „Mit meiner Arbeit möchte ich ein gestalterisches Moment mit einbringen – die Gestaltung von technikvermittelten Erlebnissen ist einer unserer Forschungsschwerpunkte.“ Drei laufende und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), beziehungsweise dem Land NRW geförderte Projekte bringt Hassenzahl mit an die Uni Siegen. Darin geht es um „Wohlbefinden und Design“, um die Entwicklung eines „Social-Companion“-Roboters für ältere Menschen und um Interaktions-Design mit Laser-Autoscheinwerfern für mehr Achtsamkeit im Straßenverkehr.

Kommentar hinterlassen zu "„Freudvolle Unruhestifter“ im Deutschen Museum"

Hinterlasse einen Kommentar

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.