„Belange der energieintensiven Unternehmen sehr genau im Blick“

NRW-Wirtschaftsminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart (2.v.r.) tauschte sich mit den Vertretern der IHK Siegen zum Thema Energiewende aus und fand dabei deutliche Worte.

Im Gespräch mit der heimischen IHK wurde NRW-Wirtschaftsminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart deutlich: „Wir müssen bei der Energiewende auch die energieintensive Industrie im Auge behalten. Der doppelte Ausstieg aus Kernkraft und Kohleverstromung ist eine Herausforderung. Meine Botschaft an die südwestfälische Industrie lautet, dass wir die Belange der energieintensiven Unternehmen sehr genau im Blick haben, wenn es an die Umsetzung der Empfehlungen der Kohlekommission geht“, betonte der Minister bei dem rund einstündigen Gespräch in der Siegener Kammer. Die mit einem vorzeitigen Ausstieg aus der Kohleverstromung verbundenen Chancen und Risiken müssten objektiv und realistisch eingeschätzt werden. Zuvor hatte IHK-Präsident Felix G. Hensel den Minister im Detail über eine jüngst durchgeführte IHK-Umfrage bei 267 heimischen Industrieunternehmen informiert. Dort waren die Pläne der Kohlekommission überwiegend als unrealistisch angesehen worden. Felix G. Hensel: „Die Unternehmen sehen bei ihrer Umsetzung beträchtliche Risiken für den heimischen Wirtschaftsstandort. Von den zu erwartenden steigenden Energiekosten ganz zu schweigen. Sie sind bereits heute die höchsten in ganz Europa. Beträchtliche 42 % der heimischen Industriebetriebe befürchten, dass die Netzstabilität und damit die jederzeit sichere Grundlastversorgung mit Energie gefährdet sind. Jedes zweite Unternehmen geht davon aus, dass sich die Energiewende negativ auf die eigene Wettbewerbsfähigkeit auswirkt.“

Der IHK-Präsident erhielt in seiner Argumentation nachhaltige Unterstützung von Dr. Christopher Grünewald, Gebr. Grünewald GmbH & Co. KG: „Die Spitzenlast in Deutschland wird auf 100 Gigawatt ansteigen. Wird zu viel sichere Kapazität aus dem Markt genommen, habe ich erhebliche Zweifel, dass wir die Grundlast zukünftig noch sicherstellen können. Von entscheidender Bedeutung ist es aus meiner Sicht, die von der Kohlekommission benannten ,Checkpoints‘ in den Jahren 2023, 2026 und 2029 ernst zu nehmen und klar zu definieren, wie man die Fortschritte zu den vereinbarten Zeitpunkten konkret messen will.“ Dr. Grünewald äußerte zudem erhebliche Zweifel, ob die vorhandenen Genehmigungskapazitäten insbesondere für die kurzfristig anstehenden Aufgaben wie die Ertüchtigung der Stromnetze, den Bau von Reservekraftwerken und den Ausbau der Erneuerbaren Energien hinreichend seien: „Wir benötigen ein Infrastrukturbeschleunigungsgesetz. 2023 ist schon morgen.“ Der Wirtschaftsminister versprach, die Genehmigungsverfahren weiter zu beschleunigen und zu optimieren. Die Digitalisierung biete durchaus Möglichkeiten, die industriellen Strombedarfe zukünftig stärker zu flexibilisieren. Prof. Dr. Pinkwart: „Wir haben erhebliches Innovationspotenzial. Wir müssen es nur intensiver nutzen.“

Eindringlich warnten die heimischen Wirtschaftsvertreter vor weiter steigenden Strompreisen. Arnold Vetter, Geschäftsführer der Vetter Industrie GmbH in Burbach: „Steigen die Strompreise noch weiter an, wird für etliche Unternehmen die Standortqualität drastisch sinken. Problematisch ist auch, dass nur ein Bruchteil der Stromkosten auf den Marktpreis zurückgeht und das Strompreisniveau weit überwiegend durch ein vollkommen undurchsichtiges Gestrüpp von Netzentgelten und staatlichen Steuern und Abgaben besteht, das beseitigt, zumindest aber deutlich gelichtet gehört.“ Wirtschaftsminister Pinkwart wies in diesem Zusammenhang auf die Strompreisbremse mit einem Volumen von rund 2 Mrd. € jährlich hin, die ebenfalls die Kohlekommission empfohlen habe. Hierdurch ließen sich sicherlich die Preissteigerungen im Rahmen halten. Von Felix G. Hensel auf die Notwendigkeit angesprochen, dass dringend neue Gaskraftwerke benötigt würden, wenn man gleichzeitig aus Kernkraft und Kohleverstromung aussteige, äußerte sich der Minister ebenfalls zustimmend: „Wir brauchen dringend neue Gaskraftwerke. Am besten auf den stillgelegten Flächen der aus dem Markt genommenen Kraftwerke. Zudem müssen wir die Speichertechnologie ausbauen, um deutlich mehr Pumpspeicher verfügbar zu machen. Das alles muss einhergehen mit beschleunigten Planungs- und Genehmigungsverfahren.“ Schreite der Netzausbau weiter in dem Schneckentempo voran wie bisher, dürfte sich die Energiewende für die Wettbewerbsfähigkeit eines nennenswerten Teils der Industrie zu einem erheblichen Problem auswachsen.

Unterstützung versprach Minister Pinkwart der heimischen Region mit Blick auf die Ausweisung neuer, gut umsetzbarer Gewerbeflächen. IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener hatte ihn auf den dringenden Handlungsbedarf in dieser Frage hingewiesen: „Die Flächeninanspruchnahme für Industrie und Gewerbe beträgt in Siegen-Wittgenstein und Olpe lediglich 1,5 %. Landesweit sind es 2,2 %. Und dies, obwohl wir zu den industriestärksten Regionen Nordrhein-Westfalens gehören. Unser Flächendefizit wurde vor wenigen Wochen noch einmal gutachtlich ermittelt. Es liegt bei rund 510 ha in beiden Kreisen. Um hier konkret zu Potte zu kommen, benötigen wir auch Ihre Hilfe.“ Mögliche Perspektiven, in dieser Frage zu Lösungen zu gelangen, sah Prof. Dr. Pinkwart in der stärkeren Ausweisung interkommunaler Gewerbeflächen. Hierzu können sich auch gut angebundene Flächenareale in Autobahnnähe anbieten. Der Minister ermunterte die heimische Region, in diese Richtung weiterzudenken.

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