„Wirtschaftsräume nicht über einen Kamm scheren!“

„Die künftige Landesregierung muss mit ihrer Gewerbeflächenpolitik viel stärker auf regionale Unterschiede eingehen. Werden weiter alle Wirtschaftsräume im Land über einen Kamm geschert, hemmt das die wirtschaftliche Entwicklung in ganz Nordrhein-Westfalen!“ Felix G. Hensel, Präsident der Industrie- und Handelskammer Siegen (IHK), sieht die heimischen Unternehmen bei der Verfügbarkeit von Gewerbeflächen und damit in ihren perspektivischen Möglichkeiten erheblich benachteiligt. „Gewerbe und Industrie beanspruchen bei uns gerade einmal 1,5 Prozent der Gesamtfläche, deutlich weniger als im Landesdurchschnitt, der auf knappe 2,2 Prozent kommt.“ Ihren wirtschaftlichen Erfolg verdanke die Region vor allem der Industrie. „Industriebetriebe können ihre Produkte nicht im Wohnzimmer fertigen und anschließend per E-Mail versenden. Sie sind auf geeignete Flächen angewiesen!“, so der Präsident. Die Statistik zeige, dass die Sorge vor einer zu starken Flächennutzung durch die Industrie in unserer Region völlig unbegründet sei. Felix G. Hensel: „Nur wenige politisch Verantwortliche haben nach meinem Eindruck ein sicheres Gefühl dafür, wie gering die Inanspruchnahme von Flächen für Industrie und Gewerbe in Siegen-Wittgenstein und Olpe tatsächlich ist. Das muss sich grundlegend ändern.“

„Südwestfalen ist doppelt so industriestark wie das Ruhrgebiet, nimmt aber für Industrie und Gewerbe nur zwei Drittel der Flächen des Landesdurchschnitts in Anspruch. Und das unter deutlich erschwerten Bedingungen!“, unterstreicht IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener. Schwierige Topographie und naturschutzrechtliche Einschränkungen machten es zum Teil unmöglich, dringend benötigte Gewerbeflächen bereitzustellen, weil starre landesplanerische Vorgaben nicht erfüllt werden könnten. Dies ersticke betriebliche Entwicklung. Zahlreiche Betriebe seien jedoch dringend auf eine Erweiterung angewiesen, wenn sie weiter im Wettbewerb bestehen wollten. Dabei sei zu bedenken, dass rund 90 Prozent der neuen Ansiedlungen in den Industrie- und Gewerbegebieten auf heimische Unternehmen zurückgingen.

In einem Positionspapier fordert die IHK daher die heimischen Landtagskandidaten auf, sich des Themas intensiver anzunehmen und sich auf Landesebene für eine Flächenpolitik einzusetzen, die regionale Gegebenheiten stärker in den Blick nimmt. „Ungleiches muss ungleich bewertet werden. Im Münsterland und am Niederrhein ist es flach, bei uns hügelig. Wie man all diesen Regionen dieselben Maßstäbe überstülpen kann, ist nicht wirklich nachvollziehbar. Pauschalen Flächenzielen sind jedenfalls aus unserer Sicht eine klare Absage zu erteilen“, betont Klaus Gräbener, der zugleich darauf hinweist, dass der Landesentwicklungsplan in einem Grundsatz vorsehe, für die nächsten Jahre das tägliche Wachstum der Siedlungs- und Verkehrsfläche auf fünf Hektar zu reduzieren. Damit werde vor allem Regionen geschadet, die viel Industrie hätten, wenig Flächen in Anspruch nähmen sowie unter einer ungünstigen Topographie und massiven naturschutzrechtlichen Beschränkungen litten. Genau das jedoch gelte für so gut wie alle Kommunen in den beiden Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe. Abgesehen davon werde häufig übersehen, dass zur Siedlungs- und Verkehrsfläche auch Erholungs- und Friedhofsflächen gehörten.

Die IHK spricht sich dafür aus, hinreichend große Flächen für Industrie- und Gewerbe planerisch bereitzustellen. Untersuchungen hatten gezeigt, dass nur etwas mehr als die Hälfte der im Regionalplan ausgewiesenen Gewerbe- und Industrieansiedlungsbereiche am Ende tatsächlich nutzbar seien. Die restliche Fläche bilden nicht bebaubare Grünstreifen und Böschungen. Hinzu kommen ökologische Ausgleichsflächen. Auch hier sieht die IHK Verbesserungsmöglichkeiten. Da Gewerbeflächen nicht mehr ausreichend vorhanden sind, sollten Ausgleichsmaßnahmen für Eingriffe genutzt werden, um brachliegende Naturschutzflächen qualitativ aufzuwerten, statt hierfür neue Flächen zu beanspruchen. Die ökologische Wirkung könnte erheblich gesteigert werden, wenn der Ausgleich nicht zwingend in unmittelbarer Nähe stattfinden müsste.

Zugleich wirbt die IHK dafür, Verfahren zu entwickeln, damit Flächen zeitnah dort ausgewiesen werden, wo sie in absehbarer Zeit auch tatsächlich gebraucht würden. Zugleich warnt sie vor zu hohen Erwartungen in die Nutzung von Brachflächen, die im heimischen Wirtschaftsraum meist die Ansiedlungsvoraussetzungen wie Lage, Infrastruktur, Verfügbarkeit und Kosten nicht erfüllten. IHK-Präsident Felix G. Hensel: „Die mittelfristigen Flächenbedarfe im heimischen Wirtschaftsraum durch Brachflächen zu decken, ist ideologisches Wunschdenken. Wenn die Landtagskandidaten sich hingegen von den realen Bedingungen und Erfordernissen leiten lassen, werden sie zum wirtschaftlichen Erfolg in ihren Wahlkreisen und des Industriestandortes NRW beitragen.“

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