Vor 100 Jahren wurde der erste Arbeitgeberverband im Siegerland gegründet

Unser Archivbild zeigt eine vermutlich um oder nach 1900 entstandene Aufnahme der Walzendreherei der Firma Emil Peipers & Cie in Siegen.

Eine (nicht datierte aber vermutlich um oder nach 1900 entstandene) Aufnahme der Walzendreherei der Firma Emil Peipers & Cie. Bei Peipers am Siegener Hain ereignete sich 1911 ein wochenlanger Arbeitskampf (mit Streik und Aussperrung) der Walzendreher.

Siegen, 22. Januar 2012. Der 22. Januar 1912 war kein besonders aufregender Tag im Siegerland – zumindest wenn man heute einen Blick in die damalige Zeitungsausgabe wirft. Und dennoch geschah an jenem Montag ein entscheidender Schritt bei der Organisation wirtschaftlicher Interessen und Arbeitsbeziehungen in der Region, der bis heute nachwirkt. Denn an diesem Tag jährt sich zum 100. Mal die Gründung des ersten Arbeitgeberverbandes im Siegerland. Vertreter von 60 Unternehmen aus dem Bereich der Metallindustrie hoben  damals in den Räumen der „Gesellschaft Erholung“ (in der heutigen Villa Sauer am Siegener Obergraben) den ersten „Arbeitgeber-Verband für das Siegerland“ aus der Taufe. Einige Unternehmen aus der Gründergeneration (Karl Buch, Dango & Dienenthal, Gustav Gontermann, Peipers & Cie., Fr. W. Schnutz, Maschinenbau Aktiengesellschaft vorm Gebr. Klein, Siegener Eisenbahnbedarf AG, Siegener Maschinenbau Aktiengesellschaft, Weißtaler Eisen-und Blechwarenfabrik) sind (teilweise unter verändertem Namen) bis heute  im Nachfolgeverband „VdSM“ organisiert.

Der Gründung waren langwierige und stockende Phasen der Sondierungen vorausgegangen, die bis in das Jahr 1904 zurückreichten und durch das Erstarken der Gewerkschaften  ausgelöst wurden. Den letzten Ausschlag gaben vor allem die Auseinandersetzungen im Jahr 1911 in zehn heimischen Unternehmen um die Verkürzung der täglichen zehnstündigen Arbeitszeit. Insbesondere  in  der Walzengießerei Peipers & Cie. am Siegener Hain ereignete sich damals ein wochenlanger Arbeitskampf (mit Streik und Aussperrung) der Walzendreher.  Den organisierten Interessen auf der Arbeitnehmerseite wollten die Siegerländer Arbeitgeber eine „Gegenmacht“ mit möglichst einheitlichem Verhalten bei bestimmten Grundsatzfragen entgegensetzen. Der neue Verband war jedoch nicht nur ein reiner „Antistreikverein“. Andere Faktoren wie Geschäftsverbindungen und persönliche Beziehungen zwischen den Unternehmensvorständen werden ebenfalls eine Rolle gespielt haben.

Nach den Arbeitskämpfen des Jahres 2011 im Siegerland gingen von Richard Schuchard die maßgeblichen Impulse zur Gründung des „Arbeitgeber-Verbandes für das Siegerland“ aus.

Treibende Kraft bei der Verbandsgründung war der kaufmännische Leiter der Siegener Aktiengesellschaft für Eisenkonstruktion, Brückenbau und Verzinkerei (SAG) in Geisweid, Richard Schuchard. In den Arbeitskämpfen des Jahres 1911 nahm er die Zügel der regionalen Metallindustriellen immer deutlicher in die Hand, von ihm gingen die maßgeblichen Impulse für die Gründung des „Arbeitgeber-Verbandes für das Siegerland“  im Jahre 1912 aus. Fast zwangsläufig wurde er zu dessen erstem Vorsitzenden gewählt – eine Funktion, die er auch nach der Vereinigung des Verbandes mit dem etwas später gegründeten Bergbau-Verband als Vorsitzender der Abteilung B. für die eisen-  und stahlindustriellen sowie metallgewerblichen Betriebe des „Arbeitgeberverbandes der Siegerländer Gruben und Hütten“ bis 1920 behalten sollte.

In den Anfangsjahren  war die Organisation des neuen Siegerländer Arbeitgeberverbandes ebenso locker wie sparsam. Der Vorsitzende Richard Schuchard und der Schriftführer  Gustav Menne  (kaufm. Vorstand der Siegener Eisenbahnbedarf AG) erledigten alle Aufgaben quasi im Nebenamt. Während des Ersten Weltkrieges wurden dann nicht nur die Gewerkschaften politisch aufgewertet, sondern auch Struktur und Funktion der Arbeitgeberorganisationen in Deutschland nachhaltig verändert. So erhielt der Siegerländer Arbeitgeberverband im Herbst 1915 eine neue Satzung und danach eine straffere Führung. 1917 wurde eine Geschäftsstelle eingerichtet und mit Dr. rer. pol. Wilhelm Hagenberg ein Geschäftsführer bestellt. Nach dem Zusammenbruch des deutschen Kaiserreichs im November 1918 wurden die Gewerkschaften im sog. Stinnes-Legien-Abkommen als legitime Vertreter der Arbeitnehmer anerkannt und das Prinzip der kollektiven Tarifverträge sowie der Achtstundentag eingeführt. Im Juni 1919 schloss man den ersten Tarifvertrag  im Siegerland ab, ein Meilenstein auf dem Gebiet der kollektiven Interessenvertretung in der Region.
Insgesamt betrachtet wurde der Verband in der Weimarer Zeit nahezu unentbehrlich, in einer „krisenhaft komplexen Wirt-schaft“, so Gerhard Hufnagel im Buch  „Interesse und Verantwortung – Die metallindustriellen Arbeitgeberverbände des Siegerlandes vom Kaiserreich bis zur deutschen Diktatur“. Nach ihrer  „Machterschleichung“ verboten die Nationalsozialisten 1933 zunächst die Gewerkschaften,  und auch für die Arbeitgeberverbände kam bald das Aus. Am 8. Dezember 1933 meldete die Siegener Zeitung lapidar: „Der Arbeitgeberverband der Siegerländer Gruben und Hütten wird gemäß der Umstellung in der Deutschen Arbeitsfront aufgelöst“. 21 Jahre Siegerländer Arbeitgeberorganisation waren damit am Ende.

Nach 1945 gab es im Siegerland für Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände wieder einen Neuanfang. So wurde am 7. Juli 1947 der „Verband der Siegerländer Metallindustriellen e.V.“ (VdSM) in Siegen gegründet. In der Gründungsveranstaltung betonte dessen erster Vorsitzender, Hans Rennebaum, dass der Verband eine seiner Hauptaufgaben in der Pflege und Festigung des betrieblichen und bezirklichen Arbeitsfriedens“ sehe. Daran hat der VdSM in den letzten Jahrzehnten in Siegen-Wittgenstein maßgeblich mitgewirkt – so etwa bei der jahrelangen Einführung und betrieblichen Umsetzung des richtungsweisenden Reformwerks „ERA“, der Zusammenführung von Löhnen und Gehältern in einem einheitlichen Entgeltrahmen mit 14 Entgeltgruppen. Als ein besonderes  Anliegen wird nach wie vor die Weiterentwicklung des Flächentarifs betrachtet, und zwar hin zu noch mehr modernen Öffnungsklauseln für betriebliche Gestaltungsmöglichkeiten.

1 Kommentar zu "Vor 100 Jahren wurde der erste Arbeitgeberverband im Siegerland gegründet"

  1. Hallo, sehr geehrte Damen und Herren, mein Name ist Bernd Mix, bin selbstständiger Drehermeister, sammle Historische Werkzeugmaschinen und bin großer Fan historischer Industrietechnik. Ich habe die Frage, ob von der abgebildeten Walzendreherei eine Datei zu bekommen ist, weil ich mir davon gerne ein Bild rahmen lassen würde und in mein Treppenhaus hängen würde, wo ich bereits schöne Bilder einer Datei des deutschen Museums hängen habe. Viele Grüße von Bernd Mix

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