Verkehrsinfrastruktur wird zur Existenzfrage für heimische Wirtschaft

IHK-Präsident Klaus Th. Vetter, Dr. Heinrich Weiss (SMS) und IHK-Hauptgeschäftsführer Franz J. Mockenhaupt (v. li.) setzen sich für die Verbesserung der Straßen ein.

IHK-Präsident Klaus Th. Vetter, Dr. Heinrich Weiss (SMS) und IHK-Hauptgeschäftsführer Franz J. Mockenhaupt (v. li.) setzen sich für die Verbesserung der Straßen ein.

Siegen, 26. April 2012. „Für manche Politiker gibt es derzeit sicher gefälligere Themen als Straßenbau und Straßenunterhaltung. Doch eines wird immer klarer: Ohne ein zukunftsfähiges Straßennetz wird unsere regionale Wirtschaft schon auf kurze Sicht gewaltige Probleme bekommen.“ Mit dieser besorgten Feststellung eröffnete Klaus Th. Vetter, Präsident der Industrie- und Handelskammer Siegen (IHK), eine Pressekonferenz, zu der er Dr. Heinrich Weiss, Vorsitzender der Geschäftsführung der SMS Holding GmbH, Düsseldorf/Hilchenbach, begrüßen konnte. Beide Unternehmer widmeten sich aus unterschiedlichen Blickwinkeln aktuellen regionalen Verkehrsthemen: Zum einen der Notwendigkeit, endlich mit Hochdruck bei der Straßenverbindung nach Wittgenstein und darüber hinaus nicht nur Planungsfortschritte zu erreichen, sondern auch konkrete Baufristen für Teilabschnitte dieser „Route 57“ ins Auge zu fassen. Klaus Th. Vetter: „Jahrelanges Planen und kleinkarierte Diskussionen müssen endlich ein Ende haben. Die Politik, allen voran die Landesregierung, muss endlich Farbe bekennen, sich ohne Wenn und Aber hinter dieses Projekt stellen und für die schnelle Umsetzung sorgen. Ministerpräsidentin Kraft hat in erfreulicher Deutlichkeit immer wieder die besondere Bedeutung der Industrie für den Wirtschaftsstandort NRW unterstrichen! Das wissen wir sehr zu schätzen. Der Lackmustest dieser Bekenntnisse muss jedoch im Einzelfall bestanden werden. Hier bei uns, einem industriellen Schwerpunkt in NRW, besteht dazu Gelegenheit.“

Klaus Th. Vetter lenkte den Blick auch über die Landesgrenze: „In Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern werden Straßenbauprojekte oft schneller realisiert als bei uns. Ich kann nicht nachvollziehen, warum im Verlauf der „Route 57“ von interessierten Gruppen ohne demokratische Legitimation immer wieder scheinbar unüberbrückbare Planungswiderstände aufgebaut werden können und damit zum Beispiel auch nur der Bau einer dritten Spur bei bestehenden Straßen verhindert wird.“

Wie sehr eines der traditionsreichsten, erfolgreichsten und mitarbeiterstärksten heimischen Unternehmen von einem funktionsfähigen Straßennetz abhängig ist, verdeutlichte Dr. Heinrich Weiss. Er äußerte die große Sorge, dass das immer weiter verfallende Straßennetz auch in Siegen-Wittgenstein und den angrenzenden Regionen den Transport von tonnageträchtigen Produkten seines Hauses auf Dauer gefährden könnte. „Wenn seit Jahren Straßenbau entweder nicht stattfindet oder die Straßenunterhaltung absolut unterfinanziert ist, ist die Reduzierung der Tragfähigkeit von Straßen und Brücken die logische Konsequenz“, so Dr. Weiss. „Aber“, so fragte er, „wie soll SMS am Standort Hilchenbach-Dahlbruch 2200 Arbeitsplätze auf Dauer sichern, wenn Vor- und Fertigprodukte auf immer schlechteren Straßen erst gar nicht oder nur mit horrendem Kostenaufwand transportiert werden können. Wir haben sehr massive Probleme mit plötzlich abgelasteten Brücken oder Tonnagebeschränkungen auf Routen, die in der Vergangenheit zur Verfügung standen. Wie viele andere Unternehmer der Region müssen wir kostenaufwändige Umwege wählen, um die Seehäfen zur Verschiffung unserer Anlagen nach Übersee erreichen zu können“, so Dr. Weiss. Dabei gilt: Je höher die Transportlast, umso größer die Umwege und umso höher die Transportkosten. Offensichtlich habe die Politik bei ihrer Verweigerung, das Notwendige im Straßenbau zu tun, ein Wahrnehmungsdefizit. „Die Probleme, die auf einzelne Unternehmen wie die SMS zukommen, werden von der Politik konsequent ausgeblendet“, warnte er.

Für den Schwerlastverkehr von SMS ist auch die „Route 57“ von Bedeutung: Ein Schwerlasttransport, der in Dahlbruch startet, steuert heute zunächst über die B 508 das Zwischenziel „Kronprinzeneiche“ an, um von dort über die B 62 nach Netphen zu fahren. Von Netphen aus geht die Reise weiter zur A 45-Anschlussstelle Wilnsdorf, dann weiter in Richtung Haiger/Burbach. Dort muss der Transport die Autobahn bereits wieder verlassen, um über Bundesstraßen letztendlich den Verladehafen Duisburg zu erreichen. Der direkte Weg, zum Beispiel von Dahlbruch nach Kreuztal, funktioniert schon deshalb nicht, weil eine Fußgängerbrücke im Stadtgebiet von Kreuztal über die B 508 die meisten Schwertransporte erst gar nicht passieren lässt. „Diese eigentlich unzumutbaren Zustände, deren Besserung aktuell nicht absehbar ist“, so Dr. Weiss, „werfen für uns mittel- und langfristig sehr grundsätzliche Standortfragen auf“.

Franz J. Mockenhaupt, IHK-Hauptgeschäftsführer, wies darauf hin, dass die IHK Siegen aufgrund einer beachtlichen Anzahl ähnlich gelagerter Fälle Prof. Dr. Jürgen Steinbrecher, Universität Siegen, beauftragt habe, für das Problem eine Lösung zu finden. Ziel ist es, Routen festzulegen, die langfristig „gesichert“ werden können. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass vielfältige behördliche Zuständigkeiten für derartige Transporte das Geschäft noch erschweren. Gerade im Dreiländereck kommen Informationen, wann Straßen- und Brückenablastungen oder Baumaßnahmen stattfinden, häufig viel zu spät bei Unternehmen an, die dementsprechend viel zu spät reagieren können. Die Konsequenz: Liefertermine werden in Frage gestellt, Überseetransporte sind terminlich nicht mehr sicher. „Alles Gesichtspunkte, denen wir dringend und mit aller Konsequenz begegnen müssen und begegnen wollen“, so Mockenhaupt.

Inwieweit die Ruhr-Sieg-Strecke in einem überregionalen Güterverkehrskonzept wachsende Bedeutung erlangen kann, bleibt abzuwarten. Hier sah man durchaus gute Perspektiven vor dem Hintergrund der Aktivitäten der Siegener Kreisbahn, die ein neues Güterterminal in Kreuztal plant und damit auf Sicht ein zusätzliches Angebot an die heimische Wirtschaft vorbereitet, mit weiteren Gütern den Schienenweg zu nutzen. Das sei dringend notwendig, zumal im Zuge der A 45 – Sanierung in den nächsten 20 Jahren dort Dauerstaus vorprogrammiert sein werden. Ohne einen Ausbau der Tunnels auf der Ruhr-Sieg-Strecke zwischen Hagen und Gießen werde die Bahn allerdings keine wirkliche Alternative zum Transport über die Straße sein.

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