Gute Lage – gedämpfte Erwartungen

„Die heimische Wirtschaft befindet sich alles in allem weiterhin in bemerkenswert guter Verfassung. Über alle Branchen hinweg wird die Lage gut eingeschätzt. Der Optimismus der Wirtschaft lässt zum Jahresbeginn 2019 hingegen etwas nach. Fachkräftemangel und zunehmende Unsicherheiten auf den internationalen Märkten haben vor allem größere Teile der Industrie und auch den Großhandel mit deutlich geringeren Erwartungen ins Jahr 2019 starten lassen“, kommentiert IHK-Präsident Felix G. Hensel die Ergebnisse der aktuellen Konjunkturumfrage, an der sich 454 Unternehmen aus Industrie, Bauwirtschaft, Handel und Dienstleistungen in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe beteiligt haben.

Der IHK-Konjunkturklimaindex – er ergibt sich aus Lagebeurteilung und Erwartungen – fällt um drei Punkte von 126 auf 123 Punkte etwas ab, bleibt aber auf einem sehr hohen Niveau. 50 % der hiesigen Unternehmen geben eine gute Lage an. Hingegen bewerten nur etwa 5 % ihre Lage als schlecht. Das sind 2 Prozentpunkte weniger als zum Jahresende 2018. „Damit liegt der Index weiterhin deutlich über dem langfristigen Mittel“, erläutert Felix G. Hensel weiter. Rund 63 % der Unternehmen rechnen in den kommenden Monaten mit einer gleichbleibenden Geschäftslage, 21 % sogar mit einer Verbesserung. Dennoch sind die Aussichten für die kommenden Monate gedämpfter. Inzwischen erwarten etwa 16 % der Unternehmen eine weniger gute Geschäftslage, eine Zunahme um 4 Prozentpunkte gegenüber der Herbstumfrage. Das Baugewerbe und die Dienstleistungsbranche befinden sich im Aufschwung. In den übrigen Branchen ist die Stimmung etwas ruhiger. Begünstigt durch die geringe Arbeitslosigkeit und die deutlich gestiegenen Einkommen ist die Konsumstimmung weiterhin gut.

Die Lagebeurteilung der heimischen Industriebetriebe erreicht erneut den zweithöchsten Stand in den vergangenen zehn Jahren. „Die Industrieunternehmen sind weiterhin über alle Branchen hinweg sehr gut ausgelastet. Etwa 90 % geben einen Auslastungsgrad von über 70 % an. Eine erneute Steigerung zur letzten Konjunkturumfrage. Ein Spitzenwert“, so IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener. Die rückläufigen Erwartungen lassen indessen auf eine konjunkturelle Abkühlung schließen. Zwar wolle man dies nicht an die Wand malen, weil die Situation wegen der zahlreichen internationalen Krisenherde eben sehr volatil einzuschätzen sei. Dennoch sei eine zurückhaltende Beurteilung geboten. „Momentan sehen wir eher eine Seitwärtsbewegung als einen deutlichen Abschwung. Was uns jedoch Sorgen macht, sind vor allem die sinkenden Auftragseingänge aus dem Ausland. Ein Fünftel der Unternehmen macht dies geltend. Hält dieser Trend an, kann es in den kommenden Monaten wegen der starken Exportorientierung unserer Industrieunternehmen leicht noch stärker abwärts gehen. Es ist wie immer im Leben: Wer hoch klettert, kann auch tief fallen“, erläutert Klaus Gräbener weiter. Positiv entwickeln sich nach wie vor die Aufträge aus dem Inland. Negativ schlagen die durch die US-Regierung ausgelösten internationalen Zoll- und Handelsstreitigkeiten, die nachlassende Konjunktur in China, der wachsende Protektionismus und der bevorstehende BREXIT zu Buche. Das erklärt auch zu wesentlichen Teilen die deutlich schlechtere Einschätzung zur Exportentwicklung. Fast die Hälfte der Industrieunternehmen benennt zudem die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen als ein Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung. Das ist eine erneute Steigerung zur Herbstumfrage. Zu den weiteren Risiken zählen die Betriebe den Fachkräftemangel, die hohen Arbeitskosten und einen möglichen Rückgang der Inlandsnachfrage. Trotz der steigenden Risiken und der gedämpften Erwartungen rechnen fast zwei Drittel der Unternehmen mit einer gleichbleibend hohen Beschäftigtenzahl. 27 % wollen ihr Personal in den kommenden Monaten sogar noch aufstocken. Felix G. Hensel: „Die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt dürfte sich also auch im Jahr 2019 insgesamt weiter fortsetzen, wenn auch nicht mehr im selben Tempo wie bisher. Diese Einschätzung stützt sich auch auf die hohe Investitionsbereitschaft. Auch wenn der Indexwert um 11 Punkte fällt, wollen 29 % der Unternehmen in den nächsten Monaten im Inland noch einmal mehr investieren als zuvor. Das ist eine gute Botschaft.“ Die weiterhin hohe Investitionsneigung wird sicher auch dadurch getragen, dass In- und Auslandsumsätze der heimischen Industrie bis einschließlich November 2018 im Vergleich zum Vorjahr um 5 % gestiegen sind.

Die Lage im Baugewerbe ist ununterbrochen gut. Klaus Gräbener: „Hier brummt es nach wie vor; und zwar deutlich vernehmbar. Mehr als drei Viertel der befragten Baubetriebe geben eine gute Lage an, eine nochmalige Steigerung gegenüber der Herbstumfrage. Erneut berichtet kein Unternehmen von einer schlechten Lage.“ Auch wenn „nur“ noch 65 % der Unternehmen eine Spitzenauslastung von über 85 % melden – minus 17 Prozentpunkte – erzielen 83 % eine gute Auslastung von über 70 %. Die Erwartungen der Bauwirtschaft sind zudem wieder positiv. Immerhin 8 % der Betriebe erwarten bessere Geschäfte, über 90 % gleichbleibende. Der Fachkräftemangel wird in der Branche mit großem Abstand als das größte wirtschaftliche Risiko benannt, gefolgt von den Energie- und Rohstoffpreisen und den Arbeitskosten.

Die Konsumstimmung ist weiterhin gut. Dennoch fällt die Lagebeurteilung des Einzelhandels etwas ab. „Nur“ noch 32 % der Einzelhändler beurteilen ihre Lage als gut, ein Verlust von 10 Prozentpunkten im Vergleich zur Herbstumfrage. Die strukturellen Herausforderungen wie insbesondere der weiter ansteigende Online-Handel und der ungewöhnlich lange und heiße Sommer werden als Hauptgründe für die schlechtere Geschäftslage genannt. Insbesondere der Textileinzelhandel ist hiervon betroffen. Im Gegensatz zur Lagebeurteilung steigen die Erwartungen im Einzelhandel. Etwa 21 % gehen von einem guten Frühjahrsgeschäft aus. Nur 10 % rechnen mit einer Verschlechterung der Geschäftslage. Im heimischen Großhandel bewerten etwa 54 % ihre aktuelle Geschäftslage als gut. Eine Steigerung von 2 Prozentpunkten gegenüber der Herbstumfrage. Entsprechend steigt die Lagebeurteilung auf den zweithöchsten Wert in den vergangenen zehn Jahren. „Die Großhändler berichten uns von einer guten Auslastung und einer weiterhin positiven Kauflaune, aber auch von größer werdenden Risiken. Insbesondere der bevorstehende BREXIT und die Handelssanktionen belasten die Unternehmen dieser Branche“, berichtet IHK-Referatsleiter Stephan Häger. Entsprechend sinken die Erwartungen für die kommenden Monate. Nur noch 19 % der Großhändler erwarten steigende Umsätze im Ausland. Ebenfalls 19 % rechnen mit einem schlechteren Auslandsgeschäft.

Die Lagebeurteilung im Dienstleistungsgewerbe ist erneut sehr gut. 45 % der Unternehmen melden höhere Umsätze im Vergleich zur Herbstumfrage. Auch die Erwartungen steigen. 27% der Dienstleistungsunternehmen rechnen mit steigenden Umsätzen in den kommenden Monaten, eine Steigerung von 13 Prozentpunkten. Entsprechend erwarten 30 % der Unternehmen eine steigende Beschäftigtenzahl. Hervorragend stellt sich weiterhin die Beschäftigungslage im IHK-Bezirk dar. Die Arbeitslosenquote sank 2018 im Durchschnitt auf 4,2 %, 0,5 Prozentpunkte unter der des Vorjahres. Stephan Häger: „Etwa 175.000 Menschen arbeiten sozialversicherungspflichtig in der Region, 20.000 mehr als vor zehn Jahren und so viele wie noch nie zuvor. Die Einstellungsneigung ist in allen Wirtschaftszweigen gleichbleibend hoch. Das sind hervorragende Perspektiven vor allem für arbeitssuchende Menschen und Lehrstellenbewerber.“ 67 % der Unternehmen rechnen mit einer gleichbleibenden Beschäftigtenzahl, 25 % sogar mit einer weiteren Zunahme. Der Fachkräftemangel stellt die heimischen Unternehmen vor immer größere Herausforderungen. Erneut nennen 60 % der Unternehmen den Fachkräftemangel als großes Risiko für die weitere wirtschaftliche Entwicklung.

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