Wenn die Schulden drücken, hilft der Chef

Siegen, 8. März 2012. Seit Juli 2011 bietet die Johanniter-Unfall Hilfe e.V. in Zusammenarbeit mit der Diakonie Südwestfalen, dem Regionalen Jobverbund und den Arbeitgeberverbänden Siegen-Wittgenstein eine Schuldnerberatung speziell für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Region an. Die hauptamtlichen Fachkräfte der Johanniter werden dabei von ehrenamtlichen Beratern unterstützt. In der Regel handelt es sich um Führungskräfte aus der Wirtschaft.

„Die Idee, die hinter dieser Konzeption steckt, ist die, dass Arbeitnehmern durch die Vermittlung ihres Arbeitgebers eine schnelle, professionelle und praxisnahe Hilfe angeboten werden kann“, erläutert Wolfgang Schlüter, Regionalvorstand der Johanniter-Unfall Hilfe und gleichzeitig Gesellschafter und Geschäftsführer der Capito GmbH & Co. KG Verwaltungsgesellschaft in Neunkirchen. Als mittelständischer Unternehmer sieht er sich, ebenso wie viele seiner Kollegen, in einer besonderen Fürsorgepflicht für die Beschäftigten in seinem Unternehmen. „Und diese Fürsorgepflicht endet nicht an den Werkstoren. Private Probleme wirken sich schließlich auch am Arbeitsplatz aus“, so Wolfgang Schlüter weiter. Deshalb ist er inzwischen auch selber als ehrenamtlicher Schuldnerberater tätig. Bislang haben sich insgesamt sechs Führungskräfte aus der Wirtschaft schulen lassen und unterstützen die Johanniter im Rahmen ihrer Schuldnerberatung.

Dass der Chef seines Unternehmens auch als ehrenamtlicher Schuldnerberater tätig ist, war für Herbert K. (Name von der Redaktion geändert) ein echter Glücksfall. Aus einer früheren selbstständigen Tätigkeit als Handwerker war ihm nämlich nichts weiter geblieben als ein Berg voll Schulden, der über die Jahre hinweg immer größer wurde. „Ich hatte ein solides kleines Unternehmen mit mehreren Beschäftigten. Die Auftragslage war ganz gut. Leider wurden die Außenstände irgendwann immer größer, weil Auftraggeber ihre Rechnungen nicht bezahlten. Ich musste den Betrieb daher aufgeben. Was blieb waren etwa 80.000 Euro an Schulden“, berichtet Herbert K. Trotzdem er sofort eine neue Beschäftigung in einem anderen Unternehmen fand und auch seine Gläubiger regelmäßig finanziell bediente – insgesamt zahlte er im Laufe der Jahre rund 75.000 Euro zurück – stiegen seine Schulden durch ungünstige Zinskonditionen bis auf rund 135.000 Euro an.

2010 wechselte Herbert K. dann zur Firma Capito. Kurz darauf flatterten die ersten Pfändungsbescheide in die Lohnbuchhaltung. Daraufhin nahm Wolfgang Schlüter Kontakt zu seinem Mitarbeiter auf und bot ihm Hilfe an. „Wir sind dann den klassischen Weg einer Schuldnerberatung gegangen. Zunächst haben wir die Ursachen analysiert und eine finanzielle Bestandsaufnahme gemacht. Danach haben wir die Möglichkeit einer Privatinsolvenz geprüft. Wir sind dabei aber zu dem Ergebnis gekommen, es erst einmal mit einem Vergleichsangebot an die Gläubiger zu versuchen“, erklärt Wolfgang Schlüter. Und da die Gläubiger bei einer Privatinsolvenz deutlich weniger bekommen hätten, einigte man sich schließlich auf einen Vergleich. Über ein privates Familiendarlehen konnte Herbert K. seine Schulden schließlich vollständig ablösen.

Neben Herbert K. haben die Johanniter und ihre ehrenamtlichen Berater inzwischen bereits zehn Schuldnern aus der finanziellen Not helfen können. Dabei begleiten die ehrenamtlichen Berater jeden Fall als Koordinatoren. Sie werden je nach Bedarf von kompetenten Profis unterstützt, die auch in jedem einzelnen Fall das Erstgespräch führen.

„Wir würden uns freuen, wenn wir noch mehr Fach- und Führungskräfte aus der Wirtschaft als Berater gewinnen könnten und noch mehr Unternehmen diesen Service betroffenen Beschäftigten anbieten würden, denn das Problem der Überschuldung trifft allein in unserer Region etwa fünf Prozent der Bevölkerung“, so Wolfgang Schlüter. Und da es in aller Regel sehr lange dauert, bis ein Betroffener auf dem üblichen Weg einen Termin bei einer Schuldnerberatung bekommt, sei dieses besondere Angebot für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch für die Unternehmen von großem Interesse. „Die Abwicklung im Fall von Herbert K. hat beispielsweise nur gut drei Monate gedauert. Er ist jetzt praktisch ein neuer Mensch.“ Das Verfahren an sich war auch nicht sehr teuer. Beispielsweise kostet eine Erstberatung nur 50 Euro. Bei einer Komplettberatung fallen Kosten in Höhe von ca. 650 Euro an. „Das ist für jedes Unternehmen zum Beispiel in Form eines Darlehens an den betroffenen Mitarbeiter sicherlich tragbar und eine gute Investition in die eigene Belegschaft“, davon ist Wolfgang Schlüter überzeugt.

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