Stotternder Konjunkturmotor schaltet einen Gang höher

Konjunkturlage 2013„Der Konjunkturmotor in der Region läuft noch nicht in allen Drehzahlbereichen gleichmäßig rund. Trotzdem fällt die Stimmung in der Wirtschaft gegenüber dem Jahresanfang spürbar besser aus“, so fasst IHK-Präsident Klaus Vetter die Ergebnisse der jüngsten Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer Siegen (IHK) zusammen, an der sich rund 550 Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistungen der Kreise Siegen-Wittgenstein und Olpe beteiligt haben.

Vor allem die Erwartungen für die künftige Entwicklung sind auf breiter Front kräftig angezogen: 27 Prozent aller Unternehmen setzen auf Zuwächse. Zu Jahresbeginn sagte das nur jeder Fünfte. Der Anteil, der die weitere Entwicklung pessimistisch sieht, hat sich von 21 Prozent im Januar auf nun 14 Prozent verringert. Die Unternehmen erwarten in der Mehrzahl nicht nur bessere Geschäfte in den kommenden Monaten. Auch die aktuelle Lage wird positiver eingeschätzt als zu Jahresbeginn: Knapp jeder dritte Betrieb beurteilt diese gut. Das sind fünf Prozentpunkte mehr als im Januar. Der Zahl der Negativurteile ist von 19 Prozent auf 14 Prozent gesunken.

Während die Baubetriebe und die Dienstleister ihre aktuelle wirtschaftliche Situation deutlich positiver einstufen als vor einem halben Jahr, ist die Lageeinschätzung bei Industrie und Großhandel gegenüber dem Jahresbeginn in etwa unverändert geblieben. Der Einzelhandel meldet leichte Steigerungen. Der stabile Arbeitsmarkt und höhere Einkommen zeigen hier Wirkung. Die Aussichten sind in allen Wirtschaftszweigen besser geworden. Allein das Baugewerbe nimmt seine Erwartungen zurück. Das ist aber saisonal bedingt.

Im Ergebnis steigt der Konjunkturklimaindex, der Lageeinschätzung und Erwartungen aller Wirtschaftszweige zusammenfasst, gegenüber dem Jahresanfang kräftig von 103 auf 115 Punkte an. Er liegt damit wieder fast auf dem Niveau von Anfang des Jahres 2012. „Nach einem holprigen Start nimmt die Konjunktur damit – später als erhofft – aber nun wieder etwas mehr Fahrt auf“ betont IHK-Hauptgeschäftsführer Franz J. Mockenhaupt. Wichtige Grundlage für die größere Zuversicht der Industrie sind unter anderem verbesserte Auftragseingänge: Gegenüber dem Januar melden mehr Betriebe steigende und weniger fallende Tendenzen bei Aufträgen aus dem In- und aus dem Ausland. Trotzdem bleiben die Salden aus Positiv- und Negativeinschätzungen noch im Minus.

„Es stehen eben noch nicht alle Ampeln auf Grün“ so Mockenhaupt dazu. „Zahlreiche Industriebetriebe klagen immer noch über zu niedrige Auftragsbestände. Hier sind weitere Verbesserungen dringend notwendig, denn in den ersten Monaten des Jahres enttäuschte insbesondere das industrielle Inlandsgeschäft“. Der Export lief zwar besser, insgesamt waren die positiven Impulse bisher aber noch zu schwach, um die Produktionsauslastung spürbar zu steigern. Nur wenig mehr Betriebe als am Jahresanfang sind in der Spitze voll ausgelastet (37 Prozent). Der Anteil mit Auslastungsgraden von über 70 Prozent ist in etwa konstant geblieben.

Die insgesamt besseren Aussichten wirken positiv auf die Investitionsneigung: Deutlich mehr Unternehmen als vor einem halben Jahr wollen mehr investieren. „Der Wermutstropfen folgt aber“, schränkt Mockenhaupt ein. „Die Zahl derer, die weniger investieren wollen, ist ebenfalls angestiegen. Das zeigt einmal mehr: Die Mehrzahl der Betriebe ist zwar positiv eingestellt. Es gibt aber weiter eine kritisch hohe Zahl von Unternehmen, die das Licht am Ende des Tunnels noch nicht sehen“.

Dies passt zu jüngsten Meldungen, nach denen deutsche Industriekonzerne weltweit einen Abbau von rund 10.000 Stellen planen. Ein Grund dafür ist der schwache europäische Automarkt: Im laufenden Jahr wurden in Europa so wenig Neuwagen verkauft, wie seit 1990 nicht mehr. Die nur sehr langsame Erholung in den europäischen Krisenländern geht aber auch an vielen anderen Industriebranchen nicht spurlos vorbei. Insgesamt läuft es daher auch in der heimischen Industrie noch nicht richtig rund. Vor allem das erste Quartal ließ viele Wünsche offen. Insbesondere für viele stahlnahe Betriebe machte sich die anhaltend schlechte Situation der Stahlindustrie weltweit bemerkbar. Das traf insbesondere Maschinenbaufirmen, die Investitionsgüter für die Stahlherstellung und –bearbeitung liefern. Auffallend ist die heterogene Lage im Industriesektor: Es gibt nicht nur Unterschiede zwischen den Branchen. Auch innerhalb einzelner Branchen sind diametral gegenläufige Firmenkonjunkturen festzustellen. Der Industrieumsatz bis zum Juli 2013 dokumentiert die bislang unbefriedigende Entwicklung: Im ersten Quartal ging der Umsatz gegenüber dem Vorjahr um 11,4 Prozent zurück. Im zweiten Vierteljahr folgte zwar ein deutlicher Sprung nach vorne. Die Verluste der ersten Monate konnten aber noch nicht aufgeholt werden. Bis einschließlich Juli des Jahres lag das Gesamt-Minus noch bei 0,5 Prozent. Vor allem das Inlandsgeschäft schwächelte bis dato noch mit – vier Prozent.

Obwohl die Konjunkturzuversicht steigt, bleiben Risiken für die weitere Entwicklung. Das gilt insbesondere für die Automobilindustrie mit den schwachen Absatzmärkten in Deutschland und Europa. Viele Unternehmen aus dem IHK-Bezirk sind hier als Zulieferer engagiert. Nicht ohne Risiko ist die Situation für die Maschinenbauer und Walzenhersteller mit Nähe zur Stahlindustrie.

Die Umfrage war nicht unbeeinflusst vom Wahltermin, wurde aber vorher abgeschlossen. Die Unternehmensaussagen zeigen dennoch deutlich, welche Herausforderungen die neue Bundesregierung bewältigen muss: Die Schuldenkrise sehen die Unternehmen als größte Herausforderung für die wie auch immer zusammengesetzte neue Regierung. Höchste Priorität hat auch die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Die stark energieabhängigen Industrieunternehmen drängen auf Änderungen, damit die Stromkosten im Rahmen und die Versorgung gesichert bleiben. Für fast zwei Drittel der Unternehmen gehört bezahlbare und sichere Energieversorgung auch ganz oben auf die Agenda der neuen Regierung. In der Industrie ist dieser Anteil sogar noch höher. Unabdingbar ist eine Stimulanz der Investitionen. Nach wie vor ist hier die Zurückhaltung der Unternehmen viel zu groß. Die Diskussion im Vorwahlkampf um höhere Steuern war deshalb nicht geeignet, die Investitionsneigung positiv zu wenden. Im Gegenteil: Die Rede von weiteren Steuererhöhungen hat viele Unternehmen zurückhaltender werden lassen. Deshalb fordern die Betriebe: Finger weg von der Steuerschraube und Fuß auf die Schuldenbremse. Dann löst sich hoffentlich die Investitionsblockade.

In der Industrie melden mehr als ein Viertel eine gute Lage, 18 Prozent eine schlechte. 25 Prozent der Industrieunternehmen konnten ihre Erträge zuletzt verbessern. 27 Prozent beklagen auch Einbußen, im Januar waren es aber noch 37 Prozent. Die Inlandsorders zeigen sich deutlich positiver als zu Jahresbeginn. Die Bilanz der Auslandsorders fällt etwas besser aus. Die Aufwärtsimpulse sorgen für mehr Zuversicht: 28 Prozent der Industriebetriebe erwarten künftig bessere Geschäfte, nur noch 15 Prozent schlechtere. Sorgen bereiten die schwachen Auftragseingänge der stahlnahen Maschinenbauunternehmen. Das belastet auch die Gesamtkonjunkturlage der Region, da diese Gruppe viele Mitarbeiter stellt und die hiesige Wertschöpfungskette stark bestimmt.

In der Bauindustrie läuft es richtig rund: 40 Prozent der befragten Betriebe stuft die Lage gut ein, für 60 Prozent ist sie befriedigend. Kein Einziger urteilt schlecht. Zwei von drei Firmen sind zu über 85 Prozent ausgelastet. Aus saisonalen Gründen schrauben die Baubetriebe ihre Erwartungen für die Wintermonate aber zurück: Nur sieben Prozent der Befragten setzen auf Steigerungen, die Mehrheit von 70 Prozent sieht einen stabilen Verlauf auf derzeit gutem Niveau. 23 Prozent sind skeptischer.

Knapp ein Viertel der Einzelhändler stuft die Lage als gut ein, etwas mehr als im Januar. Der Anteil der Negativurteile ist von 27 Prozent auf 23 Prozent gesunken. Die Situation ist aber uneinheitlich: Während Textil-, Nahrungsmittel- und Kfz-Händler wenig begeistert sind, verzeichnet der sonstige Einzelhandel unter dem Strich wieder bessere Geschäfte. Prinzipiell stehen die Zeichen für den Konsum gut, wie auch der aktuelle GfK-Konsumklima-Index bestätigt. Im gesamten Einzelhandel steigt die Zuversicht deutlich: Fast ein Viertel der Betriebe setzt auf Zuwächse, nur 13 Prozent befürchten Einbußen.

Nicht mehr ganz ein Drittel der Großhandelsbetriebe beurteilt die Lage als gut, in etwa wie zuvor stufen sie zehn Prozent als schlecht ein. Die vielen produktionsnahen Großhändler urteilen nicht mehr ganz so gut wie im Januar. Sie spüren die zum Teil nicht rund laufenden Geschäfte der Industrie. Der konsumnahe Bereich schätzt die Situation hingegen besser ein als zuvor. Für die kommenden Monate sind beide Gruppen optimistisch gestimmt: So erwarten deutlich mehr als ein Viertel aller Großhändler Steigerungen, nur zehn Prozent Rückgänge.

Fast die Hälfte aller Dienstleister (46 Prozent) schätzt die Lage als gut ein, nur sieben Prozent als schlecht. Alle Teilbranchen melden bessere Geschäfte als zum Jahresanfang. Die weitere Entwicklung wird ebenfalls durchgehend zuversichtlicher eingeschätzt: So setzt knapp Drittel aller Dienstleister künftig auf Zuwächse, nur zwölf Prozent sind reserviert.

Der regionale Arbeitsmarkt zeigt sich angesichts des holprigen Konjunkturverlaufes im ersten Halbjahr relativ robust. Mit 5,4 Prozent im September 2013 ist Arbeitslosenquote weiter auf niedrigem Niveau. Die Einstellungsneigung der regionalen Wirtschaft fällt über alle Zweige hinweg auch schon wieder deutlich besser aus als bei den beiden Vorumfragen. Besonders ausgeprägt sind die Pläne zur Neueinstellung im Großhandel und bei den Dienstleistern.

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