Bedarfsgerechte flexible Arbeitszeitsysteme setzen auf Kompromisse

Um unternehmerische und mitarbeiterseitige Interessen bestmöglich in Einklang zu bringen, fasst Dipl.-Psych. Corinna Jaeger, wissenschaftliche Expertin des Instituts für angewandte Arbeitswissenschaft e. V. (ifaa), die Anforderungen an eine zeitgemäße Arbeitszeitgestaltung zusammen.

Dass dies in der Metall- und Elektroindustrie bereits gut gelingt, zeigen die Ergebnisse der jüngsten Arbeitszeitbefragungen sowohl von Gesamtmetall als auch von der IG Metall. Die meisten Beschäftigten sind zufrieden mit den Arbeitszeitregelungen. Und die Kunden offensichtlich auch, sodass Deutschland in der M+E-Wirtschaft hinsichtlich der Weltmarktanteile Rang 3 belegt (M+E-Strukturbericht 2016). Die Kundenzufriedenheit bildet die Existenzgrundlage eines jeden Unternehmens und damit auch der Arbeitsplätze der Beschäftigten, denn sie entscheidet über Wettbewerbsfähigkeit und Standortsicherung Deutschland.

Unterschiedliche Zeitbedürfnisse von Unternehmen und Beschäftigten lassen sich über vielfältige Arbeitszeitregelungen, Arbeitszeitmodelle und Ansätze zur Flexibilisierung erfüllen. Beispielsweise kann mit einer „Wahlarbeitszeit“ das vertragliche Arbeitszeitvolumen sowohl nach oben als auch nach unten immer wieder an eine geänderte Lebenssituation angepasst werden. Dazu braucht es kein Gesetz, sondern ein maßgeschneidertes Konzept, das zum Unternehmen und den Beschäftigten passt. In kleineren Unternehmen werden deutlich einfachere Flexibilisierungsansätze mit dem gleichen Effekt genutzt: zum Beispiel Teilzeit, bei Bedarf befristet. Damit ist die Arbeitszeit für Unternehmen und Beschäftigte planbar und die Rückkehr in Vollzeit garantiert – ohne gesetzlich verankertes Rückkehrrecht (der diesbezügliche Gesetzesentwurf ist am 23.05.2017 abgelehnt worden). Damit das betrieblich benötigte Arbeitszeitvolumen insgesamt abgedeckt ist, können Teilzeitverhältnisse kompensiert werden durch höhere Wochenarbeitszeiten von Beschäftigten, die länger arbeiten möchten um mehr zu verdienen. Die sogenannte kombinierte Vollzeit ist eine Variante der zeit- und ortsflexiblen Arbeit. Sie bietet Beschäftigten, die z. B. aufgrund privater Verpflichtungen oder langer Wegezeiten nur zeitlich eingeschränkt vor Ort sein können, die Möglichkeit in Teilzeit im Betrieb zu arbeiten und durch ortsunabhängiges Arbeiten (z. B. von zu Hause aus) das Arbeitszeitvolumen auf Vollzeit aufzustocken. Für das Unternehmen ist die kombinierte Vollzeit ein Instrument, um Fachkräfte zu halten bzw. nicht genutzte Beschäftigtenpotenziale zu erschließen.

Für Beschäftigte, die aufgrund von Kindern oder der Pflege von Angehörigen die Arbeitszeit reduzieren möchten, gibt es unterschiedliche Unterstützungsleistungen in Form von Zeit, Geld, Sachleistungen und Steuervergünstigungen. In Bezug auf Kinder sind dies z. B. Elternzeit, Elterngeld, Kindergeld sowie Kinderfreibetrag. In Bezug auf Pflege z. B. Pflegezeit, Pflegegeld, Sachleistungen sowie Steuervergünstigen. Über das Familienpflegezeitgesetz besteht ein Rechtsanspruch auf vorübergehende vollständige oder teilweise Freistellung von der Arbeit. Die Familienpflegezeit kann über ein zinsloses Darlehen oder z. B. Guthaben auf einem Wertkonto finanziert werden. All diese geförderten Leistungen werden bereits anteilig über das Solidaritätsprinzip aus Steuermitteln finanziert. Die aus der IG Metall Befragung abgeleitete Forderung nach zusätzlichem Entgeltausgleich für Beschäftigte, die ihre Arbeitszeit für Kindererziehung, Pflege oder Weiterbildung reduzieren, würde das Nettogehalt der anderen Beschäftigten schmälern. Höhere Lohnnebenkosten würden die Arbeit teurer machen und somit die Wettbewerbsfähigkeit schwächen.

Fazit Jaeger: Um den jeweils benötigten Kapazitätsbedarf des Unternehmens zuverlässig und kostengünstig abzudecken und den Beschäftigten Arbeitszeiten anzubieten, die zu ihrem Leben passen, braucht es keine zusätzlichen gesetzlichen Regelungen, sondern eine innovative und erweiterte Palette aus bewährten Arbeitszeitmodellen und Instrumenten, deren Weiterentwicklung und kreativen Kombinationen. Flankierend sind Angebote der Kinderbetreuung auszubauen, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern.

Studie Gesamtmetall 2017: https://www.gesamtmetall.de/aktuell/publikationen/studie-die-arbeitszeit-bei-me-aus-sicht-von-arbeitgebern-und-arbeitnehmern
Studie IG Metall 2017: https://www.igmetall.de/ig-metall-befragung-2017-25204.htm

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