Sicher unterwegs – mit Produkten made im Sauerland

Das Foto zeigt wie Stahl beim Presshärten (Warmumformen) auf etwa 900 °C erhitzt wird und beim anschließenden Umformen im Werkzeug wieder abkühlt.

Ein Autounfall ist immer eine schlimme Sache. Wie beruhigend ist es dann zu wissen, dass man in den aktuellen Fahrzeugen mit modernster Technik vor dem Schlimmsten geschützt ist – zum Beispiel durch ein Stoßfängersystem, das den Frontalzusammenstoß mit einem anderen Fahrzeug abmildert oder eine Karosserie, die auch beim Seitenaufprall die Insassen nicht zusammenquetscht.

Solche Teile stellt der Sauerländer Automobilzulieferer KIRCHHOFF Automotive in Attendorn und Iserlohn her. Und das sehr erfolgreich: In 84% aller 2018 in Deutschland gebauten PKW ist mindestens ein Teil enthalten, das das Unternehmen produziert hat. Rechnet man leichte Nutzfahrzeuge hinzu, sind es sogar 94%. „Vor 20 Jahren habe ich mir das nicht vorgestellt. Diese Zahl zeigt, dass wir ein gut ausbalanciertes Kundenportfolio haben und dass auch der Mix der Carlines stimmt“, sagt J. Wolfgang Kirchhoff, Vorsitzender der Geschäftsführung von KIRCHHOFF Automotive.

Die Herausforderung bei der Produktion dieser schützenden Teile ist, dass sie an den richtigen Stellen stabil und fest bzw. leicht und flexibel sind. Noch dazu sollten sie ein möglichst geringes Gewicht haben und vergleichsweise kostengünstig in der Herstellung sein. „Das erreichen wir durch das Presshärte-Verfahren. Dabei werden dünne Bleche gehärtet, um trotz geringer Materialstärke hohe Festigkeiten zu erreichen“, erklärt Thomas Lozinski, Leiter Hot Forming & Trailer Systems. Platinen werden in einem gasbeheizten Rollenherdofen auf über 860 °C erhitzt. Anschließend werden sie mittels wassergekühltem Werkzeug abgeschreckt und auf einer Presse mit 1.200 to Presskraft umgeformt. Dadurch bildet sich das sehr harte Martensit aus. Beim sogenannten partiellen Presshärten werden Teilbereiche der Platinen nach dem Aufheizen, jedoch vor dem Presshärten wieder abgekühlt. In diesen Bereichen bildet sich beim anschließenden Presshärten kein Martensit aus, wodurch sie sich im Fall eines Crashs verformen können und Crashenergie absorbieren. „Nachteile sind, dass das Verfahren sehr aufwendig und kostenintensiv ist“, sagt Thomas Lozinski. KIRCHHOFF Automotive hat aktuell fünf Presshärte-Anlagen: zwei in Iserlohn, eine in Gliwice/Polen, zwei in Esztergom/Ungarn und eine in Ovar/Portugal.

Die Ingenieure und Techniker von KIRCHHOFF Automotive erforschen und entwickeln Produktinnovationen und Technologien für komplexe Komponenten, mit denen die Kunden ihre zukünftigen Fahrzeugmodelle verwirklichen können.

Zwar ist bei elektrisch angetriebenen Fahrzeugen der Einfluss des Fahrzeuggewichts auf den Energieverbrauch geringer als bei Verbrennerfahrzeugen. „Trotzdem ist Leichtbau wichtig, um Fahrdynamik und  Sicherheit zu gewährleisten. Man muss versuchen, nicht nur alternative Materialien zu verwenden, sondern beim Entwurf des Fahrzeugs alternative konzeptionelle Strukturen zu entwickeln“, erklärt Prof. Christoph Wagener, Leiter Forschung und Entwicklung.

Seit 2007 betreibt KIRCHHOFF Automotive ein Entwicklungszentrum in Attendorn. Hier arbeitet man sehr eng mit den Fahrzeugherstellern zusammen. „Die Hersteller geben vieles vor, das wir bei der Entwicklung von Teilen berücksichtigen müssen, z. B. den Bauraum (das ist der geometrische Raum mit den Anbindungspunkten zu den angrenzenden Bauteilen) sowie eine Beschreibung, was das Teil können muss. Wir müssen mit unserem Konzept diese Leistungsanforderungen erfüllen“, so Christoph Wagener. Sein Team erstellt zunächst einen konstruktiven Entwurf als dreidimensionales Modell. „Auf Basis dieses Modells führen wir verschiedene Berechnungen durch. Wenn die Simulation zeigt, dass das Produkt theoretisch funktioniert und herstellbar ist, bauen wir Prototypen für Versuche wie z. B. Crashtests. Bis die Teile dann serienmäßig in Autos verbaut werden, durchlaufen sie mehrere Bauphasen. Das dauert ca. 2-3 Jahre“, erklärt Christoph Wagener.

Die KIRCHHOFF Gruppe geht zurück auf das Unternehmen Stephan Witte, das 1785 zur Produktion von Nähnadeln gegründet wurde. KIRCHHOFF Automotive ist der größte Geschäftsbereich der Gruppe und ist im letzten Jahr 125 Jahre alt geworden. 1894 wurde in Iserlohn das erste Presswerk gebaut. „Damals sprach man noch von Internationalisierung und wir konnten die zweite große Welle mitmachen, die auf die Iberische Halbinsel und nach Osteuropa zog. Dort entwickelten wir eine sehr starke Position und danach folgten die nächsten Schritte nach Asien und Nordamerika – es war insgesamt ein gesteuerter Prozess. Wir arbeiten im Ausland immer mit lokalen Management-Teams, haben aber gleichzeitig hier in der Zentrale immer für motivierte, qualifizierte und begeisterungsfähige Mitarbeitende gesorgt, die dann gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausland große Projekte erfolgreich stemmen konnten und eine globale Mannschaft gebildet haben“, erklärt J. Wolfgang Kirchhoff.

Die Geschäftsführenden Gesellschafter der KIRCHHOFF Gruppe im Werk Iserlohn (v.l.n.r.): Arndt G. Kirchhoff, J. Wolfgang Kirchoff, Dr. Johannes F. Kirchhoff

Noch immer im Familienbesitz, führt er das Unternehmen heute gemeinsam mit seinen Brüdern Arndt G. Kirchhoff und Dr. Johannes F. Kirchhoff. „Wir arbeiten kontinuierlich an der Weiterentwicklung unseres Unternehmens, an der Produktstrategie, an neuen Technologien und auch an der Organisation – auch dieser Strategieprozess ist klar gesteuert und die Zielerreichung erfolgt in der Regel wie geplant. Also werden wir weiter wachsen und ein zuverlässiger Partner unserer Kunden sein. Ich sehe klar die Zukunft als Familienunternehmen, so wie es in unseren Visionen und Werten festgeschrieben ist. Auch zu diesem Thema haben wir schon nächste Schritte definiert“, sagt er.

Ein aktuelles Projekt des Unternehmens ist ein Crashmanagement-System, das das Team selbst entwickelt und im September auf der IAA in Frankfurt vorgestellt hat. Stellen Sie sich vor, ein großer SUV und ein Kleinwagen stoßen frontal aufeinander. In den meisten Fällen sind die Insassen des Kleinwagens viel stärker gefährdet als die des SUV, denn der Kleinwagen muss die meiste Energie des Aufpralls aufnehmen. Deshalb sollen große Fahrzeuge nicht nur die eigenen Insassen bei einem Crash schützen, sondern durch entsprechende Energieverteilung auch die des Unfallgegners. Inwieweit das gegeben ist, beurteilt das europäische Neuwagen-Bewertungsprogramm Euro NCAP ab 2020 mit dem MPDB Verfahren: Bei diesem Crashtext fährt das zu bewertende Fahrzeug gegen einen Barrierewagen. Das Crashmanagement-System von KIRCHHOFF Automotive ist nach diesem neuen Verfahren ausgelegt und bietet mehr Sicherheit für alle Beteiligten. Wenn man also doch mal einen Unfall hat, ist man mit Teilen von KIRCHHOFF Automotive jederzeit geschützt.

Text und Fotos: KIRCHHOFF Automotive

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